Landkreis Straubing-Bogen

Hospiz-Verein: Menschen nach einem Verlust beistehen


Helene Giglberger (links) und Marianne Leipold vom Franziskus Hospiz-Verein haben eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht.

Helene Giglberger (links) und Marianne Leipold vom Franziskus Hospiz-Verein haben eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht.

Die Zeit um Allerheiligen erinnert uns an unsere Vergänglichkeit. Wer in Straubing Unterstützung in seiner Trauer sucht, kann sich an den Franziskus Hospiz-Verein Straubing-Bogen wenden. Neben der Hospizarbeit werden dort Treffen in Trauergruppen sowie persönliche Termine mit Trauerbegleitern angeboten.

Helene Giglberger, Koordinatorin im Bereich Trauerbegleitung, und die ehrenamtliche Mitarbeiterin Marianne Leipold helfen Menschen bei der Trauerarbeit nach einem Verlust. "Wichtig ist uns, dass wir Trauerbegleiterinnen und nicht Trauerberaterinnen sind," erklärt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Marianne Leipold. "Wir geben keine Ratschläge, wir gehen mit den Menschen durch ihre Trauer. Wir begegnen Hilfesuchenden auf Augenhöhe."

Trauerbegleiter haben eine Ausbildung

Dabei haben Trauerbegleiter eine spezielle Ausbildung. In Kursen werden sie auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Hier bekamen Giglberger und die anderen Trauerbegleiter des Vereins das theoretische Rüstzeug, um Trauernde auf ihrem Weg zu begleiten. Doch spielt auch immer der eigene Erfahrungshorizont bei der Begleitung von Trauernden eine Rolle. So müssen auch eigene Trauererfahrungen in den Ausbildungskursen bearbeitet werden.

"Wir helfen Menschen, die zu uns kommen. Ein erster Schritt bei der Trauerarbeit ist aber, dass Trauernde sich bei uns melden müssen", betont Giglberger. Man gehe nicht auf Menschen nach einem Verlust zu, vielmehr müsse der Kontakt von den Hilfesuchenden ausgehen. "Wichtig ist, bei der Trauerarbeit die Motivation, sich helfen zu lassen. Rund 80 Prozent der Trauernden brauchen nach einem Todesfall keine Unterstützung. Wer aber in seiner Trauer Unterstützung sucht, kann uns kontaktieren", so Helene Giglberger.

Leidet man bei solchen Gesprächen nicht automatisch mit den Trauernden mit? "Wir sehen die Not dieser Menschen", betonen die Trauerbegleiterinnen. Daraus entstehe der Wunsch zu helfen.

Treffen in den Räumen in der Azlburger Straße

Die Treffen mit den Trauerbegleiterinnen finden meist in den Räumen des Vereins in der Azlburger Straße statt. Die Dauer der Zweiergespräche ist - anders als bei den Gruppentreffen des Vereins - nicht festgelegt, auch nicht die Abstände zwischen den Terminen.

"In der Regel ergibt sich bei den Beratungen sofort ein Gespräch. Das ist sehr situativ. Wir hören zu und wenn wir etwas nicht verstehe, dann fragen wir nach." Dabei versuchen die Begleiterinnen, ein Gesamtbild zu bekommen. Hier wird Trauerbegleitung auch manchmal eine Lebensbegleitung und andere Probleme kommen bei den Treffen zur Sprache.

Auch Begleitung über das Telefon ist möglich - während des Lockdowns wegen Corona war das sogar die Regel. "Dabei sind die Gespräche am Telefon anders als von Angesicht zu Angesicht - aber nicht weniger effektiv", so Marianne Leipold. Das habe sie zuerst überrascht.

Trauer ist ein natürlicher Prozess

Dabei sei Trauer auf keinen Fall eine Krankheit oder etwas Unnatürliches. Nach einer Definition der Trauer gefragt, erklären beide Begleiterinnen, dass die Trauer eine natürliche Reaktion auf einen Verlust sei.

Dabei müsse die Ursache nicht immer ein Todesfall sein, auch wenn man meist hiermit den Begriff Trauer verbinde. Der Verlust könne auch in einer Scheidung begründet liegen, dem Weggang der erwachsenen Kinder aus dem Elternhaus oder dem Abschied aus dem Beruf. Die Ratsuchenden beim Hospiz-Verein kommen jedoch in der Regel nach einem Todesfall.

Befragt zu den verschiedenen Theorien über die Phasen der Trauer - wie etwa Leugnen, Wut, Verhandeln, Depression und Annahme - erklären Giglberger und Leipold, dass diese sich wirklich in der Praxis abbilden.

Trauerphasen gehen ineinander über

"Die Phasen sind aber nicht starr getrennt voneinander. Sie gehen ineinander über. Oft gibt es auch wieder Rückschritte. Wichtig ist, dass Menschen in ihrer Trauer nicht erstarren und steckenbleiben", so Marianne Leipold. "Trauer muss durchlebt und durchlitten werden. Betäubt man sie, etwa durch verstärkten Aktionismus oder Drogen, dann st aut sie sich immer mehr auf."

Ein Beispiel für ein Verharren und Steckenbleiben in der Trauer sei, wenn Menschen auch nach sehr langer Zeit bei Gesprächen im Alltag immer wieder zwanghaft einen Todesfall und seine Umstände thematisieren würden.

Kinder trauern anders als Erwachsene

Auch sei Trauer bei Weitem nicht nur in der Gefühlswelt erfahrbar. "Wir erleben auch körperliche Trauer. Der Körper befindet sich nach einem Verlust oft in einer Extremsituation. Manche Menschen berichten, dass sie in der Trauer unglaublich viel essen, andere haben keinen Appetit. Viele finden nach einem Verlust keine Ruhe, andere könnten ständig schlafen", berichtet Marianne Leipold aus ihrer Erfahrung. Dabei seien die Bedürfnisse von Trauernden oft sehr verschieden. Einen besonderen Stellenwert nimmt etwa die Trauer von Kindern ein. "Viele Eltern verstehen nicht, dass Kinder anders trauern." Hier erklären die Begleiterinnen, dass, während ein Erwachsener oft in einem "Meer aus Trauer" zu versinken droht, Kinder eher von "Pfütze zu Pfütze" springen. Kinder "verlassen" zeitweise die Trauer und nehmen wieder am Leben teil. Diese scheinbare Sprunghaftigkeit ist ein natürlicher Schutz vor Überlastung. Wer dies weiß, könne Kinder in ihrer Trauer besser unterstützen.

Zu klein oder zu krank, um zu leben

Auch Eltern, die ihr Baby vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben, durchleiden eine ganz spezielle Art der Trauer. "Wir wissen, dass manche Eltern nach einer Fehlgeburt gar nicht über das Geschehene sprechen wollen. Sie wollen möglichst schnell wieder zum Alltag übergehen", so Leipold.

Doch es gibt auch das Gegenteil. Andere Eltern wollen ihrer Trauer Raum geben und auch einen Platz haben, an dem sie sich ihrem Kind nahe fühlen. Im Allgemeinen muss ein totes Kind ab 500 Gramm beerdigt werden. Für Kinder mit geringerem Geburtsgewicht besteht durch den Hospiz-Verein die Möglichkeit einer Beisetzung in einer Kindergrabstelle. In gewissen Zeitabständen werden hier Sammelbeerdigungen durchgeführt. Auch können Erinnerungstafeln aufgestellt werden. Die Eltern haben dann einen Ort, an dem sie um ihr Kind trauern können.

Rituale und Schutz in der Trauer

In der Trauer spielen auch Rituale eine wichtige Rolle. Viele Menschen kennen noch die Traditionen des Trauerjahres. Früher war es ganz normal, dass Witwen sich Schwarz kleideten. Männer trugen einen Trauerflor. Im Trauerjahr durfte nicht wieder geheiratet werden. Rauschende Familienfeste waren ein Tabu. Auch heute werden oft noch ein Jahr nach dem Todestag christliche Messen gelesen.

Dabei haben Rituale durchaus ihren Sinn, so die Trauerbegleiterinnen. Schwarze Kleidung sei früher auch immer eine Art Schutz für den Trauernden gewesen. Damals erkannte man sofort, dass dieser Mensch in Trauer war und nahm Rücksicht auf seine Gefühle.

Den Wunsch, schwarze Kleidung zu tragen, hat auch Marianne Leipold in ihrem Leben erfahren. "Ich habe es, nachdem mein Vater gestorben ist, als ganz natürlich empfunden, Schwarz zu tragen. Ich hatte keinen Sinn für eine andere Farbe. Ich habe morgens in den Schrank gegriffen und und habe einfach Kleider in Schwarz angezogen."

Den Blick nach vorne öffnen

Marianne Leipold und die anderen Trauerbegleiter des Hospiz-Vereins versuchen, den Hilfesuchenden im Laufe ihrer Trauerarbeit eine Perspektive zu eröffnen, denn eine durchlittene Trauer kann den Menschen auch weiterbringen. Doch diese Erkenntnis braucht Zeit. "Beim Trauern lernen wir uns selbst kennen und erkennen, zu was wir fähig sind. Dinge bekommen einen anderen Stellenwert. Wenn die Trauer leichter wird, dann schätzt man vielleicht etwas ganz Neues", so Giglberger. Auch die Beziehungen zu Menschen würden sich verändern. "Am besten hat das die Trauerbegleiterin und Buchautorin Chris Paul das auf den Punkt gebracht, indem sie sagte: ‚Trauern ist die Lösung, nicht das Problem'", erklärt Helene Giglberger.

Neben Einzelbegleitungen können Menschen ihren Verlust auch in Trauergruppen beim Franziskus Hospiz-Verein Straubing-Bogen verarbeiten. Unterbrochen durch die Corona-Pandemie, laufen momentan wieder die Gruppen an. Die Zusammenkünfte sind geschlossene Treffen. Für das Frühjahr werden wieder Treffen geplant. Mehr Infos unter www.hospizverein-straubing-bogen.de