Meinung

Hilfe beim Einsteigen

Die Dame und der Busfahrer: Ein schwieriger Fall


Für ältere Menschen mit Rollator ist es oft nicht leicht, in den Bus einzusteigen. Vor allem, wenn an der Haltestelle kein weiterer Fahrgast ist.

Für ältere Menschen mit Rollator ist es oft nicht leicht, in den Bus einzusteigen. Vor allem, wenn an der Haltestelle kein weiterer Fahrgast ist.

Der Fall von der alten Dame und dem Busfahrer ist ein schwieriger. Dabei spielt es im Grunde keine Rolle, wer, was, zu wem genau gesagt hat, oder warum genau die Situation so eskaliert ist. Der Fall ist deshalb so schwierig, weil er ein Produkt mehrerer Probleme ist, die nicht leicht zu lösen sind.

Da ist einmal das alte ÖPNV-Problem eines Flächenlandkreises. Viele Linien sind notwendig, um die Menschen von A nach B zu bringen. Viele Linien, für die erst einmal Busunternehmen gefunden werden müssen, die sie bedienen. Die stehen dann wiederum vor dem Problem: Welche Busse setze ich ein, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ein Niederflurbus ist für die Schülerbeförderung nicht optimal, da er zu wenig Sitzplätze hat. Da steigen dann die Eltern auf die Barrikaden, wenn zu viele Kinder stehen müssen. Erst vor einigen Monaten gab es einen Unfall mit einem solchen Niederflurbus, der genau diese Diskussion aufflammen ließ. Reise- oder Überlandbusse haben zwar mehr Sitzplätze. Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen, die nicht mehr ganz so mobil sind, tun sich hingegen in solchen Bussen schwerer, einzusteigen.

Ein weiteres Problem: Im Fall der älteren Dame und dem Bus hätte die Seniorin eigentlich laut ihrem Schwerbehindertenausweis ein Recht auf eine Begleitperson gehabt. Doch sie hat niemanden, der das übernehmen könnte. Denn das Pflegepersonal in ihrem Heim hat alle Hände voll zu tun, um den normalen Pflegebetrieb aufrecht erhalten zu können. Eine Bewohnerin mit dem Bus nach Straubing zum Arzt zu begleiten? Ein Ding der Unmöglichkeit. Aber die ältere Dame hat sonst niemanden, der das übernehmen könnte. Also muss sie sich alleine auf den Weg machen.

Der Busfahrer hat rechtlich nichts falsch gemacht. Er ist gesetzlich nicht verpflichtet, der Dame zu helfen. Nehmen wir an, er hatte einen schlechten Tag, eine schlechte Woche, in der er jede Menge Gemecker von Fahrgästen zu hören bekommen hat. Vielleicht hat er sich - warum auch immer - tatsächlich vom Verhalten der alten Dame provoziert gefühlt. Das alles ist irgendwie verständlich, es ist menschlich. Dennoch sei die Frage erlaubt: Was hätte die alte Dame denn tun sollen? Was hätte sie gemacht, wäre nicht zufällig ein Fahrgast hinter ihr gewesen, der ihr geholfen hätte? Wie hätte sie zu ihrem Arzttermin nach Straubing kommen sollen?

Wirkliche Antworten auf diese Fragen gibt es im Grunde nicht. Ebenso wenig wie schnelle Lösungen. Deshalb wird sich an der aktuellen Situation auch so rasch nichts ändern. Umso wichtiger ist es, dass in unserer Stressgesellschaft Tugenden wie Hilfsbereitschaft oder Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen nicht mehr und mehr untergehen. Es ist leicht, schnell genervt und gestresst zu sein. Aber es ist auch leicht, einfach mal nett zu sein. So wie der Fahrgast, der der alten Dame geholfen hat. Er hat diesen schwierigen Fall nämlich gut ausgehen lassen.