Nähen für Kinder
Passauer Cuci-Cuci-Gründerin überzeugt in "Die Höhle der Löwen"
11. Dezember 2024, 0:05 Uhr
Ein Esel mit rot-kariertem Halsband, eine Eule mit flauschigem Federkleid und ein Hase mit großen, herabhängenden Ohren. Was klingt wie ein eigenartiger Streichelzoo, ist der ganze Stolz von Tina Califano aus Passau. Die Tiere sind aus Stoff. An einem Nachmittag im November liegen die drei Kuscheltiere auf einem großen Tisch in der Volkshochschule Passau, umgeben von sechs Nähmaschinen, die mit Husky- oder Einhornstickern verziert sind.
Die Nähmaschinen sind bewusst so bunt beklebt, denn an ihnen sitzen Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren. Sie sind Teil einer Nähparty, die die 53-jährige Califano leitet. Sie ist die Gründerin des Start-ups Cuci Cuci.
Das Wort "cuci" stammt von dem italienischen Wort "cucire" ab und bedeutet Nähen. Die Vision der Gründerin: Jedes Kind ab fünf Jahren soll mit Hilfe ihrer selbst entwickelten Näh-Baukastensets die Möglichkeit haben, ein Kuscheltier nähen zu lernen und Erfolgserlebnisse zu feiern.
Die Mädchen im Nähkurs bekommen große Augen, als Califano ihnen die Kuscheltiere zeigt und ihnen die Nähvorlagen gibt. Während der nächsten dreieinhalb Stunden reckt sich ab und zu eine kleine Hand in die Höhe. Califano ist dann schnell zur Stelle und beantwortet alle Fragen der Mädchen, etwa "Warum sind da auf einmal so viele Fäden?" Die 53-Jährige hilft beim Trennen von Ober- und Unterfaden, beim Schneiden der Stoffvorlagen oder beim Handnähen der Mähne des Esels.
Seit September 2023 ist Cuci Cuci als eigenständige Firma angemeldet und hat ihren Sitz in Passau. Sowohl Kreativ- und Lagerraum als auch ihr Büro befinden sich bei Califano daheim. Die Einzelunternehmerin hat 2023 rund 350 ihrer Näh-Baukastensets und etwa 30 Nähmaschinen verkauft, 25 Nähkurse geleitet. Rund 20.000 Euro hat sie damit umgesetzt. Die Nähvorlagen lässt sie in der Behindertenwerkstatt in Passau produzieren.
Die Idee für ihr Produkt entstand schon vor Jahrzehnten. Mit sieben Jahren wollte Califano ihrer Puppe ein Kleid nähen, als ihre Mutter bei der Nachbarin war. Doch als sie wiederkam, gab es einen riesigen Ärger, weil sie Angst hatte, dass sich ihre Tochter verletzen könnte. "An dem Tag habe ich mir geschworen, etwas zu erfinden, womit alle Kinder allein nähen können", erzählt Califano. Fast 35 Jahre später ein Déjà vu: Califanos siebenjährige Tochter Sophia will ein Kuscheltier nähen, das sie noch am selben Abend mit ins Bett nehmen kann. Califano durchforstet das Internet nach einer kindergerechten Nähvorlage und findet - nichts. So nimmt die Mutter die Lösung des Problems selbst in die Hand.
"Mein Herz klopfte wild, aber alle waren supernett"
Mittlerweile verkauft Califano ihre Näh-Baukastensets und die Nähmaschinen in ihrem Onlineshop. Das Einzigartige an ihrem Produkt ist nach eigenen Angaben, dass der Arbeitsablauf in umgekehrter Reihenfolge stattfindet: Die Kinder nähen zuerst auf einem Papier, welches an Stoff haftet. Danach schneiden sie die Schnittmuster aus. Anschließend wird das Papier abgerissen, sodass nur noch der Stoff übrigbleibt. Nun wird der Stoff gewendet, damit die Nähte innen liegen und mit übrigen Stoffresten gestopft. Zum Schluss können alle Elemente durch ein Stecksystem verbunden werden und fertig ist das Kuscheltier. Die Sets sind in drei Schwierigkeitsstufen eingeteilt, wobei alle für das Nähenlernen an der Nähmaschine konzipiert sind. Alle drei Levels können aber auch von Hand genäht werden.
Um ihr Geschäft auszubauen, beschließt Califano, sich Unterstützung zu suchen. Sie meldet sich bei der Investoren-Show "Die Höhle der Löwen" an. Sie wird zum Drehtag in die MMC Studios Köln eingeladen, um ihr Start-up vorzustellen. Am Dienstagabend wurde die Sendung ausgestrahlt. Califano präsentiert ihr Produkt gemeinsam mit einem lebendigen Alpaka namens Finn und ihrer 13-jährigen Freundin Sarah. "Plötzlich habe ich den roten Faden von meinem Text verloren", erzählt Califano. Doch die Löwen reagieren verständnisvoll und ihre Begleitung Sarah führt ihren Gedanken zu Ende. "Mein Herz klopfte wild, aber alle waren supernett", sagt Califano. Nicht nur das Alpaka lässt die Investoren staunen, sondern auch Califanos Vision und ihr Produkt. Gleich drei von fünf Löwen interessieren sich für die Start-up-Gründerin und akzeptieren ihr Angebot, für 60.000 Euro 20 Prozent der Firmenanteile zu erwerben.
Mithilfe des Investors will sie ihr Sortiment erweitern
Unter den drei Investoren befindet sich der Unternehmer Ralf Dümmel. Er kann die Cuci-Cuci-Gründerin für sich gewinnen. "Ein Traum ist wahr geworden", schwärmt Califano über die zukünftige Zusammenarbeit mit Dümmel. In den kommenden ein bis fünf Jahren möchte sie ihre Produktlinie erweitern, mehr Schulen und Kindergärten erreichen und ihre Online-Reichweite ausbauen.
Die Nähparty für Fortgeschrittene in der Volkshochschule in Passau neigt sich dem Ende zu. Fünf Esel und eine Eule sind das Endprodukt der vergangenen Stunden. "Ich habe nur noch ein bisschen Hilfe gebraucht", sagt die sechsjährige Marlene. Als sie von ihrer Mama abgeholt wird, springt sie ihr in die Arme und zeigt aufgeregt ihren neuen Weggefährten. "Guck mal Mama, das ist Euli", jubelt sie. Für Califano sind es genau diese Momente, die sie an ihre Vision glauben lassen: Kindern das Nähen beizubringen.
Zur Autorin: Mona Gresser studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Ihr Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.