Landkreis Landshut
Spurensuche ohne Tochter
7. Februar 2013, 16:05 Uhr aktualisiert am 7. Februar 2013, 16:05 Uhr
Wenigstens einen Blick hätte man gerne auf sie erhascht. Doch die zahlreichen Schaulustigen im großen Sitzungssaal des Landgerichts wurden enttäuscht: Cornelia R., die dem wegen Mordes angeklagten Christoph W. geholfen hatte, die Leichen ihrer Eltern zu vergraben, und am Donnerstag als Zeugin geladen war, erschien nicht. Einer ärztlichen Bescheinigung zufolge könnte sie durch den Auftritt vor Gericht "erneut schwer traumatisiert werden". Unmittelbar nach der Tat scheint Cornelia R. einen anderen Eindruck vermittelt zu haben: Kriminalbeamte berichteten erneut von einem befremdlich distanzierten Auftreten der 18-Jährigen.
Wie erwartet, muss die erste Strafkammer unter Vorsitzender Richterin Gisela Geppert nun ohne die Aussage von Cornelia R. rekonstruieren, was genau sich am letzten Märzwochenende 2012 in einem Haus in Notzing zugetragen hat. Der 22-jährige Christoph W. hatte zu Prozessbeginn über seinen Verteidiger die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft einräumen lassen, dort die Eltern seiner ehemaligen Verlobten ermordet zu haben. Weitere Angaben machte der Anlagenmechaniker nicht. Seine Ex-Freundin Cornelia R. wurde vom Amtsgericht Freising im Dezember wegen Beihilfe zur Strafvereitelung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Da die 18-Jährige Berufung eingelegt hat und das Urteil somit noch nicht rechtskräftig ist, hatte sie nun im Prozess gegen ihren Ex-Verlobten die Möglichkeit, das Auskunftsverweigerungsrecht in Anspruch zu nehmen. "Diesen Anspruch nimmt sie auch wahr", erklärte ihr Rechtsbeistand Robert Alavi und überreichte der Kammer ein ärztliches Attest. Das Nichterscheinen seiner Mandantin vor Gericht begründete Alavi damit, dass sie "stark traumatisiert und derzeit unbehandelt" sei. "Sie leidet sehr darunter, sich mit der ganzen Thematik überhaupt auseinandersetzen zu müssen."
Vom Ex gezwungen
Wie berichtet, hat die Beweisaufnahme bisher ergeben, dass Cornelia R. von Christoph W. überrascht wurde, als sie am 30. März von der Berufsschule nach Hause gekommen ist. Auf die Frage, wo ihre Eltern seien, fesselte der 22-Jährige zunächst seine Ex-Freundin. Dann erzählte er ihr, dass diese tot seien, und führte die 18-Jährige zu den beiden Leichen in den Keller. In den folgenden zwei Tagen versuchten der Angeklagte und Cornelia R. dann, die Leichen zu beseitigen. Nachdem ein Verbrennungsversuch und das Vergraben an einem Weiher fehlgeschlagen waren, wurden Heidi und Franz-Xaver Roth schließlich im Blumenbeet ihres eigenen Gartens verscharrt.
Ihr Ex-Freund habe sie zunächst dazu gezwungen, ihm bei der Beseitigung der Leichen zu helfen, gab R. bei der Kriminalpolizei an. Später habe sie dann aus Angst vor einer langen Haftstrafe gehandelt. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass sie diverse Möglichkeiten zur Flucht nicht genutzt habe, so R. gegenüber dem Vernehmungsbeamten. Christoph W. habe ihr erzählt, dass sie wegen Beihilfe mindestens zwölf Jahre ins Gefängnis müsse. Die 18-Jährige habe ihre Aussage noch in der Nacht ihrer Festnahme flüssig und ohne jede Regung gemacht, sagte der Zeuge - "wie wenn sie´s runterlesen würde". Auf einen Anwalt habe das Mädchen verzichtet; sie sei froh, dass das Ganze jetzt vorbei sei, habe sie gesagt.
Seltsames Verhalten
Nicht nur dieser Beamte und seine Kollegin, die bei der Beschuldigtenbefragung mit dabei war, beschrieben das Verhalten von Cornelia R. als "schwer nachvollziehbar": Ein Kollege, der die 18-Jährige zwei Tage später zum Ermittlungsrichter gefahren hat, berichtete der Kammer, dass deren Verhalten ihn "noch tagelang beschäftigt hat". R. habe einen ruhigen und sympathischen Eindruck auf ihn gemacht. Aber er sei sehr verwundert gewesen, dass sie kaum Gefühlsregungen gezeigt und keinerlei Ausbrüche gehabt habe, "die man in einer solchen Situation doch erwarten würde". Sie habe ihm von dem "super" Verhältnis zu ihren Eltern erzählt, den Freundinnen des Bruders und ihren sieben Chinchillas, so der Zeuge. "Das war eine lockere Atmosphäre, wie wenn ich meine Tochter zu ihrer Freundin fahre."
Der Prozess wird nächsten Donnerstag fortgesetzt.