Landkreis Landshut
Schildbürgerstreich in der Goethestraße
10. Februar 2013, 12:28 Uhr aktualisiert am 10. Februar 2013, 12:28 Uhr
Es klingt fast wie ein Faschingsscherz, ist aber bitterer Ernst: Die erst wenige Jahre alte Goethestraße im Neubaugebiet Nördlich Wolfgang muss umgestaltet werden. Das hat der Bausenat gestern zähneknirschend, aber einstimmig beschlossen. Der Grund: Fahren Autos über das abschnittsweise verlegte Kleinsteinpflaster, werden die für Wohngebiete gültigen Lärmschutzgrenzwerte überschritten. Darüber haben sich Anwohner beschwert - und haben laut Baudirektor Johannes Doll das Gesetz auf ihrer Seite. Folglich muss das Kleinsteinpflaster entfernt und durch eine Asphaltdecke ersetzt werden.
Rein rechtlich ist die Sache klar: "Wir haben die Lärmentwicklung untersucht und festgestellt, dass vor allem nachts die Grenzwerte um bis zu drei Dezibel überschritten werden", räumte Doll ein. Derzeit sind nach seinen Angaben täglich etwa 2200 Fahrzeuge auf der Goethestraße unterwegs. "Wenn das Wohngebiet voll ausgebaut ist, dürften es rund 2800 Fahrzeuge sein." Mit einem Rückgang der Lärmbelastung sei deswegen nicht zu rechnen. "Wir müssen die Verkehrslärm-Verordnung einhalten. Deswegen kommen wir nicht darum herum, das Kleinsteinpflaster zu entfernen." Außerdem hätten sich Anwohner bereits mittels einer Petition an den Bayerischen Landtag gewandt.
Kleinsteinpflaster sollte die Geschwindigkeit verringern
Bei vielen Stadträten sorgte diese Nachricht für ungläubiges Kopfschütteln. Vor allem eine Frage beschäftigte die Politiker - und Erwin Schneck, Fraktionschef der Freien Wähler, sprach sie offen aus: "Wer hat das denn geplant ? Schließlich ist ein Kleinsteinpflaster ja auch noch teurer als eine normale Asphaltdecke." Doll musste zugeben, dass das Baureferat selbst einst die entsprechenden Planungen vorgenommen habe. Immerhin aus einem guten Grund: "Durch das Kleinsteinpflaster sollte die Geschwindigkeit der Fahrzeuge in dem Wohngebiet reduziert werden." Allerdings hätte man vor Verlegung der Pflastersteine die zu erwartende Lärmentwicklung überprüfen sollen, sagte Doll. "Aber das ist eben leider nicht passiert."
Das wiederum rief Rudolf Schnur (CSU) auf den Plan. "Ich nehme mit Befremden zur Kenntnis, dass ein Mitarbeiter vom gültigen Bebauungsplan abgewichen ist und die Steuerzahler jetzt für diese Missachtung der Vorgaben zur Kasse gebeten werden." Das sehe für ihn nach einer Amtspflichtverletzung aus. Üblicherweise hätten Bedienstete dafür eine entsprechende Haftpflichtversicherung. "Diese könnte in einem solchen Fall greifen." Doch auf diese Möglichkeit gingen weder der Oberbürgermeister noch Schnurs Stadtratskollegen näher ein.
Auch ein Vorschlag von CSU-Stadträtin Ingeborg Pongratz, die Lärmbelastung der Anwohner durch eine weitere Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von derzeit 30 Kilometern pro Stunde (km/h) zu verringern, erwies sich als unpraktikabel. Bei der Lärmschutzberechnung würden Geschwindigkeiten unter 30 km/h nicht mehr berücksichtigt, sagte Doll. "Außerdem würde sich zumindest in der Nacht kaum einer an eine derartige Regelung halten."
Also bleibt nur die Umgestaltung der Straße: Betroffen ist zunächst die Kleinsteinpflaster-Abschnitt im Bereich der Goethestraße 61. Dafür sind ohne Baunebenkosten etwa 15 000 Euro veranschlagt. Ob auch der Fahrbahnbereich beim Awo-Kinderhaus Meilenstein (Kostenpunkt rund 30 000 Euro) umgebaut werden muss, ist noch nicht abschließend entschieden. Beim dritten Kleinsteinpflasterbereich, dem Zufahrtsbereich Altdorfer Straße, muss laut Thomas Link, Persönlicher Referent des Oberbürgermeisters, dagegen wohl nicht rückgebaut werden. "Hier handelt es sich nicht um ein reines Wohn-, sondern um ein Mischgebiet", sagte Link auf LZ-Nachfrage. "Dort gelten andere Lärmschutz-Richtlinien."