Wie die Saat, so die Ernte
Neue Düngeverordnung wird zum Zankapfel
7. Februar 2019, 10:00 Uhr aktualisiert am 4. April 2023, 22:32 Uhr
Seit 2. Juni 2017 ist die neue Düngeverordnung gültig. Sie regelt die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln. Ziel ist der Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen. Doch so richtig glücklich scheint niemand damit zu sein. Auf der einen Seite ächzen die Landwirte unter mehr Bürokratie und gestiegenen Kosten. Dem gegenüber stehen diverse Umweltverbände, denen die Verordnung nicht weit genug geht.
Es ist zweifelsfrei ein Thema, an dem sich die Geister scheiden: die neue Düngeverordnung. Verschiedene Lobbys, verschiedene Interessen. Dennoch bestellen am Ende alle das gleiche Feld. Es geht um eine nachhaltige Nutzung der ökologischen Ressourcen. Und die muss vernünftig geregelt werden. Dies versucht die neue Düngeverordnung, mit der die Landesregierungen verpflichtet werden, in Gebieten mit einer hohen Nitratbelastung des Grundwassers (sogenannte "rote Gebiete") per Verordnung strenge Auflagen bei der Düngung zu erlassen. Betriebe in wenig belasteten Bereichen ("grüne Gebiete") können dagegen Erleichterungen erhalten.
Die Einteilung der roten und grünen Gebiete Bayerns ist in folgender Karte zu sehen:
Quelle: Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung
Doch bei so manchen Details gibt es Streit. Wie viel Sinn machen Erleichterungen in grünen Gebieten überhaupt? Führt dies das ursprüngliche Ansinnen einer beispielsweise nachhaltigen Landwirtschaft nicht ad absurdum? Dieser Überzeugung ist man zumindest in Reihen des Wasser-Info-Teams Bayern e.V. (WIT) mit Sitz in Aham (Kreis Landshut). Dort macht man sich seit Jahren für den Schutz der Wasser-Ressourcen stark. "Die zumindest in der Düngeverordnung noch eindeutigen Regelungen werden durch die Landesverordnung dahingehend ergänzt, dass eine behördliche Überwachung in der Praxis aufgrund der Vielzahl der Befreiungsregelungen nahezu nicht mehr durchführbar ist", sagt WIT-Vorsitzender Josef Pellkofer gegenüber idowa. Seiner Einschätzung nach werde eine praxisnahe Umsetzung der angestrebten Nitrat-Reduzierung durch diverse Sonderregelungen zusätzlich erschwert. Dazu würden unter anderem auch die jährlich unterschiedlichen Kernsperrfristen zählen, die bestimmen, zu welcher Zeit Gülle ausgefahren werden darf und wann nicht.
"Effektiver Grund- und Naturschutz sieht anders aus!"
Pellkofer fordert: "Ein Einsatz von Düngemitteln sollte grundsätzlich nur bedarfs- und zeitgerecht erfolgen." Die hohen Nitratgehalte in den Grundwässern würden jedoch einen "weit über den jeweiligen Pflanzenbedarf hinausgehenden Einsatz" belegen. "Effektiver Grund- und Naturschutz sieht anders aus", so Pellkofer weiter, der darüber hinaus auch in wirtschaftlicher Hinsicht schwerwiegende Folgen befürchtet: "Aufgrund der äußerst zögerlichen Politik bei der erforderlichen Novellierung der Düngerechte werden voraussichtlich Strafzahlungen von mehreren Milliarden Euro an die EU fällig, die letztendlich alle Steuerzahler begleichen müssen. Das Verursacherprinzip bleibt dabei außen vor."
Wie der Bayerische Bauernverband zur neuen Düngeverordnung steht, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Mehrkosten für die Landwirte
Mit den Verursachern meint Pellkofer in diesem Kontext freilich die jeweiligen Landwirte. Doch auch in deren Reihen steht man der neuen Düngeverordnung alles andere als wohlwollend gegenüber. Der Grund: noch mehr Bürokratie und gestiegene Kosten. "Die neue Düngeverordnung hat enorme Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern und ganz Deutschland. Einer Kostenschätzung des nationalen Normenkontrollrates und einer Studie zufolge, sind damit Gesamtkosten von circa 493 Millionen Euro pro Jahr für die deutschen Landwirte verbunden", bestätigt Markus Peters, Pressesprecher des Bayerischen Bauenverbandes. Für einen durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Bayern mit 35,5 Hektar würden sich daraus Mehrkosten von etwa 1.065 Euro pro Jahr ergeben. Und dann wäre da noch das Ärgernis mit der zusätzlichen Bürokratie. Peters: "Die Düngeverordnung zwingt Bauern zu aufwendigen Dokumentationen und enormem Bürokratieaufwand. Zusätzlich werden Landwirte durch starre Fristen, Termine und Mengenangaben eingeschränkt (...)".
Doch Peters zweifelt auch die Nachhaltigkeit der neuen Düngeverordnung stark an: "Durch die neue Ausbringungstechnik kommt es immer wieder zu Futterverschmutzungen und höheren Zellzahlen in der Milch. Auch wurde uns bereits des Öfteren über Bodenschäden durch die erzwungene Verschiebung der Gülleausbringung vom Herbst ins oft nasse Frühjahr berichtet." Zur Erklärung: Die Zellzahl dient gemeinhin als Bewertungskriterium für die Rohmilchqualität. Durch den Zellzahlgehalt in der Milch kann die Eutergesundheit der Milchkühe beurteilt werden.
Generell würden laut Peters "die Systeme innerhalb der Düngeverordnung nicht zusammenpassen." Denn der Landwirt muss vor der Düngung seinen Düngebedarf errechnen und nach der Düngung mit dem Nährstoffvergleich überprüfen, ob er auch richtig gedüngt hat. "Die Einhaltung der Düngebedarfsermittlung gibt ihm jedoch nicht die Garantie, dass auch der Nährstoffvergleich passt", erklärt Peters.
Erhöhte Nitratwerte nicht immer Folge falscher Düngung
Hinzu kämen laut Peters weitere grundsätzliche Probleme: "Ist das Grundwasser tatsächlich belastet oder eine Region nur aufgrund des Einstufungsschemas (Anm. d. Red.: rote und grüne Gebiete) von zusätzlichen Regulierungen betroffen?" Auch hätten erhöhte Nitratwerte im Grundwasser verschieden Ursachen und wären eben nicht immer automatisch auf falsche Düngung zurückzuführen. Peters macht dies an einem Beispiel fest: "In Unterfranken sind hohe Werte feststellbar. Sie haben ihren Ursprung in geringeren Verdünnungseffekten durch fehlende Niederschläge." Seitens des Bauernverbandes hätte man sich ohnehin vielmehr stärkere Kooperationen anstatt "ordnungsrechtlicher Regeln" gewünscht. Das wäre grundsätzlich auch im Interesse des WIT: "Wir wollen die Landwirte mitnichten diskreditieren. Im Gegenteil, wir haben absolutes Verständnis dafür, dass auch die Landwirte natürlich ihre Interessen vertreten. Es geht nur miteinander."
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Lösungsansatz eines Wissenschaftlers
Betrachtet man die Argumente beider Seiten, dann wird klar, dass man bei der neuen Düngeverordnung scheinbar noch weit von einer Ideallösung entfernt ist. Wie sieht nun ein Wissenschaftler den Sachverhalt? Prof. Dr. Hauke Heuwinkel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf lehrt und forscht in den Bereichen "Bodenkunde, Pflanzenernährung und Agrarökologie". Er erläutert: "Meine Vision wäre eine Düngeverordnung, die ausschließlich fachliche Aspekte berücksichtigt, kaum Vorschriften macht, aber dafür auf nachprüfbarer Basis einen definierten Grenzwert scharf kontrolliert. Deutliche Unterschreitungen sind dann zu honorieren, Überschreitungen empfindlich zu sanktionieren. Dieser Grenzwert kann für Nährstoffe nur auf Basis einer Hoftorbilanz definiert werden, um keine Schlupflöcher zu bieten." Im Rahmen einer Hoftorbilanz werden die Stickstoffmengen gemessen, die über den Dünger oder das Tierfutter in einen landwirtschaftlichen Betrieb gelangen.
Die fachlichen Kenntnisse hierzu würden laut Heuwinkel bereits seit Jahrzehnten existieren. "Das Ziel der Düngeverordnung wäre dann nicht nur der Wasserschutz, sondern grundsätzlich eine hohe Effizienz im Umgang mit Nährstoffen zu erzielen", schildert Heuwinkel seinen Ansatz. Auch wirtschaftlich hätte Heuwinkel einen Lösungsansatz parat, um den Zukauf an mineralischem N-Dünger weniger lukrativ zu gestalten: "Grundsätzlich ist die alte Diskussion zur Einführung einer N-Steuer in meinen Augen weiterhin eine attraktive Lösung, um den Nährstoffimport besser in den Griff zu bekommen und so den regional erzeugten, organischen Dünger attraktiver werden zu lassen."
Laut Heuwinkel sollte "eine flächenlose Tierhaltung nicht zugelassen werden". Im Klartext: keine Ställe ohne Felder. Dies hätte zur Folge, dass ein Betrieb, der Tiere produziert, zum Beispiel zwingend eine gemeinsame Aufstellung der Nährstoffbilanz mit dem nährstoffabnehmenden Betrieb durchzuführen hat. Ein weiterer Aspekt: unter Berücksichtigung neuer Kenntnisse und Techniken wären nach Auffassung Heuwinkels "die Grenzwerte regelmäßig auf ihr Potenzial zur Anpassung hin zu prüfen."
Immerhin: kürzlich wurde bekannt, dass die EU den Druck auf die deutschen Landwirte erneut verschärft. Demnach soll es zu weiteren strengeren Vorgaben kommen.
Lesen Sie hierzu: Schärfere Dünge-Regeln geplant
Günstigste Lebensmittel in der gesamten EU
Den Markt als solchen begutachtet Heuwinkel aber auch durchaus kritisch: "Dort schmücken sich Händler allzu gerne mit Nachhaltigkeitsprojekten, die einer kritischen Betrachtung kaum standhalten. Vor dem Hintergrund, das nirgendwo sonst in der EU Lebensmitel so günstig angeboten werden wie bei uns, sollten wir alle innehalten und unser tägliches Kaufverhalten hinterfragen." Insgesamt brauche es "zwingend eine Anpassung der Förderungssysteme an sich, damit sich unsere Kulturlandschaft in der Folge nicht drastisch verändert".