Landkreis Landshut

Grill im Schlafzimmer: Claudia H. (40) wollte ihren kleinen Sohn (5) mit in den Tod nehmen


Symbolbild: dpa

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Von kö

"Mit Logik kommt man da nicht weiter." Selbst der psychiatrische Sachverständige Lang scheiterte letztlich an dem Versuch, eine Erklärung dafür zu finden, warum eine scheinbar mit beiden Beinen im Leben stehende Frau einen Holzkohlegrill manipuliert, um ihren fünfjährigen Sohn mit sich in den Tod zu nehmen. Seit Dienstag muss sich die 40-jährige Claudia H. vor der ersten Strafkammer des Landgerichts wegen versuchten Totschlags verantworten. Vorsitzender Richter Markus Kring erteilte zu Prozessbeginn jedoch den rechtlichen Hinweis, dass eine Verurteilung wegen versuchten Mordes ebenso in Betracht kommt: Das Mordmerkmal der Heimtücke sei zu prüfen.

Laut Anklage zündete Claudia H. am 9. Januar 2015 gegen 21 Uhr im Schlafzimmer ihres Hauses in Freising einen Holzkohlegrill an und verklebte das Belüftungsrohr der Lüftungsanlage mit einem Klebeband. Anschließend holte sie ihren bereits schlafenden Sohn aus seinem Zimmer und legte sich mit ihm ins Ehebett, nachdem sie die Zimmertür noch mit Klebeband isoliert hatte. Die Fenster waren geschlossen. Durch die Rauchentwicklung des Grills wollte die Angeklagte erreichen, dass ihr schlafender Sohn durch das austretende Kohlenmonoxid vergiftet wird. Dies hätte - wie Claudia H. laut Staatsanwaltschaft gewusst und beabsichtigt hat - einen schnellen, innerhalb weniger Sekunden eintretenden und schmerzlosen Tod ihres Sohnes zur Folge gehabt.

Dem Tatplan entsprechend schlief der Junge ein, nachdem er durch das Umbetten kurzzeitig aufgewacht war.

Wie Claudia H. in ihrem Geständnis bestätigte, wachte der Fünfjährige allerdings gegen 3 Uhr wider Erwarten auf und klagte, dass er es in dem Zimmer wegen des Rauches und der Wärme nicht aushalten würde. H. brachte ihn daraufhin zurück in sein Zimmer und legte ihn ins Bett - "ich wollte ihn ja nicht zwingen, zu bleiben". Sein Vater fand den Jungen dort gegen 15 Uhr schwer verletzt. Er war nicht ansprechbar und reagierte auch auf Schütteln nicht. Kurze Zeit später erlitt er einen kurzzeitigen Herz-Kreislauf-Stillstand und musste reanimiert werden. Wie sein Vater vor Gericht sagte, hat der Junge keine bleibenden Schäden davongetragen. Er habe aber zunächst künstlich beatmet werden müssen und es seien viele bange Stunden vergangen, bis klar gewesen sei, dass das Gehirn keinen Schaden genommen habe. Sein Sohn gehe heute zum Psychotherapeuten genau wie er selbst, so der 39-Jährige, der die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes nur noch unter Tränen schildern konnte. Eine Kinderpsychologin habe ihm erklärt, dass seine Mutter im Gefängnis sitzt, aber nicht, dass sie ihn töten wollte. Er selbst habe zwei Briefe von seiner Noch-Frau aus der Haft heraus erhalten: "Ich hatte schon den Eindruck, dass es sich um Entschuldigungen handelt."

Vor Gericht kamen Claudia H. keine Worte der Entschuldigung über die Lippen, obschon ihr die Verhandlung sichtlich zusetzte. Sie habe sich überfordert gefühlt, habe immer funktionieren müssen, innerlich habe sie eine tiefe Leere empfunden, so die Erklärungsversuche der 40-Jährigen mit tränenerstickter Stimme, die nach eigenen Angaben zufrieden und erfolgreich bei einem Fernsehsender gearbeitet hat. Finanziell war sie abgesichert, ihr Sohn war ein Wunschkind, gemeinsam mit ihrem Mann, der ihre "erste ernsthafte Beziehung" war, bewohnte sie ein schickes Haus und ging Tennis spielen. 2012 habe es jedoch einen "Wendepunkt" gegeben, so die Angeklagte. Ihr Mann habe sich nach dem Tod ihres Schwiegervaters zurückgezogen, während ihr Sohn und sie eine immer stärker werdende Einheit gebildet hätten. Im Mai 2014 habe ihr Mann ihr dann gestanden, dass er eine andere habe und die Trennung wünsche. Nach einem Versöhnungsversuch sei dann das endgültige Aus gekommen und sie habe sich "im psychischen Fall" befunden. Zum Jahreswechsel habe sie dann begonnen, im Internet nach Selbstmordmöglichkeiten zu recherchieren. Ihren Sohn habe sie "mitnehmen" wollen, um ihm das seelische Leid zu ersparen, ohne seine Mutter, die Selbstmord begangen hat, weiterleben zu müssen. "Jetzt ist er auch ohne mich und alles ist noch viel schlimmer." Sie komme sich vor, "wie in einem schlechten Film", sagte H. mehrmals. Auf die Frage, ob sie sich mit der Tat auch an ihrem Mann habe rächen wollen, antwortete sie mit einem strikten Nein. Nach Aktenlage hatte H. am Nachmittag des Tattages im Verlauf eines Streites mit ihrer Mutter und ihrem Mann gedroht, "Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt".

Auf Vorhalt von Richter Kring, dass ihr Entschluss, ihren Sohn mit in den Tod zu nehmen, nicht nachvollziehbar sei, räumte Claudia H. ein: "Es war keine rationale Überlegung." Der psychiatrische Sachverständige konnte in diesem Punkt auch nicht weiterhelfen. Die Voraussetzungen für die Paragraphen 20 und 21 - die im deutschen Strafgesetzbuch die Schuldunfähigkeit regeln - seien bei Claudia H. nicht gegeben, sagte der Psychiater, und dennoch: "Sie hat gedacht, sie handelt richtig." Die 40-Jährige habe sich und ihr Kind als Einheit gesehen. Sie sei gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass sie damit einer anderen Person Schaden zufüge. Dennoch könne er weitere Motive nicht ausschließen, wie etwa Rache an dem Ehemann. Er wisse bei einer Exploration ja nicht, ob nicht etwas verschwiegen oder ob er angelogen werde: "Über einen gewissen Punkt kommt eben auch der Sachverständige nicht hinaus."

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.