Ergolding

Die weiße Löwin: Eine Frau kämpft für die Zukunft Gambias


Bettina Schmidt aus Ergolding bei ihrem ersten Aufenthalt in Gambia 2015. Hier besuchte sie eine Vorschule in Serekunda.

Bettina Schmidt aus Ergolding bei ihrem ersten Aufenthalt in Gambia 2015. Hier besuchte sie eine Vorschule in Serekunda.

Von Matthias Jell und Redaktion idowa

Gambia im Westen Afrikas ist mit seinen knapp 1,35 Millionen Einwohnern eines der ärmsten Länder weltweit. 21 Jahre litt das Land insbesondere unter der Schreckensherrschaft von Diktator Yahya Jammeh. Dies hatte weitreichende Folgen: Sowohl die EU als auch die USA froren ihre wirtschaftlichen Förderprogramme für Gambia ein. Erst seit der Entmachtung Jammehs im Januar 2017 erlebt das Land zumindest einen kleinen Aufschwung. Die EU engagiert sich seither wieder in Gambia. Doch auch aus dem Landkreis Landshut erfährt das kleine Land an der Küste Westafrikas Hilfe. Initiiert wird dies von Bettina Schmidt, die kurzerhand den Verein "Zukunft für Gambia e. V." ins Leben rief.

Die 51-Jährige entdeckte im Oktober 2015 ihre Liebe für Land und Leute Gambias. "Ich hatte eigentlich schon seit meiner Kindheit den Traum, mich für Afrika zu engagieren, doch ich wusste nie so recht, wie ich das in die Tat umsetzen könnte", erinnert sich Bettina Schmidt. Das sollte sich erst 2015 ändern. Durch einen Bekannten wurde sie damals auf Gambia aufmerksam. Er war Inhaber eines Restaurants in Senegambia. Im Oktober 2015 folgte die 51-Jährige aus Ergolding bei Landshut seiner Einladung. Und diese Reise sollte ihr Leben verändern.

Schon die Ankunft am Flughafen in Gambias Hauptstadt Banjul war ein erster Augenöffner für Bettina Schmidt: "Das war ein böses Erwachen. Natürlich weiß man als Europäer von der Armut in Afrika, aber der Moment, in dem man dann zum ersten Mal so direkt damit konfrontiert wird, ist dann noch einmal ein ganz anderer." Sie habe auf dem Weg vom Flughafen zu ihrer Unterkunft die Armut nicht nur gesehen, sondern auch gerochen. "Ich habe da Kinder gesehen, die auf Müllbergen nach Essbarem oder Gegenständen, die von irgendeinem Wert sein könnten, gesucht haben", erinnert sich Schmidt.

"Ich habe Demut gefühlt"

Eine prägende Erfahrung. Bei der 51-Jährigen flossen Tränen. "Ich habe Demut gefühlt. Eine Art Fremdschämen hat da bei mir eingesetzt", erinnert sich die Ergoldingerin. Vor allen Dingen eines hatte ihr stark imponiert: die Lebensfreude der Menschen in Gambia. Schmidt: "Die Menschen dort wissen meist nicht, wie sie den nächsten Tag überleben sollen. Trotzdem haben sie immer ein Lächeln im Gesicht und unterstützen einander bedingungslos. Das ist gelebte Menschlichkeit." Umso heftiger war für Bettina Schmidt dann der Kontrast bei ihrer Rückkehr nach Deutschland. "Ich habe plötzlich wieder diese emotionale Kälte gespürt. Und mir wurde bewusst, wie gut es uns hier eigentlich geht", so Schmidt. Für die dreifache Mutter war klar: "Ich muss mich für Gambia engagieren."

Keine Sicherheitsbedenken

Die Ergoldingerin fackelte nicht lange und machte Nägel mit Köpfen. Gemeinsam mit einem alten Schulkameraden gründete sie im Januar 2016 den Verein "Zukunft für Gambia e. V.". Knapp vier Wochen später machte sie sich zum zweiten Mal alleine auf den Weg nach Westafrika. Auch wenn das Auswärtige Amt vor Aufenthalten in Gambia warnte, Sicherheitsbedenken hatte Bettina Schmidt zu keinem Zeitpunkt. "Mir wurde sowohl von Einheimischen, als auch von Auswärtigen immer wieder gesagt, dass Gambia für Touristen eines der sichersten Länder Afrikas sei, und das kann ich anhand meiner Erfahrungen nur bestätigen", berichtet die 51-Jährige.

Bei ihrem zweiten Aufenthalt in Gambia machte sich Bettina Schmidt auch erstmals konkret ein Bild, wo und in welcher Form am dringendsten Hilfe benötigt wird. Zudem spendete sie Nahrungsmittel wie Reis, Speiseöl und Medikamente. Und mit jedem weiteren Tag beeindruckte sie die Offenherzigkeit und der unbeirrbare Optimismus der Menschen in Gambia.

Die Schule des Kellners



Eines Tages kam die Ergoldingerin mit dem Kellner eines Restaurants ins Gespräch. Er lud sie ein, am Folgetag seine Schule zu besuchen. Zunächst reagierte die 51-Jährige etwas verwirrt: "Ich konnte mir erst nicht erklären, in welcher Verbindung ein Kellner und eine Schule stehen würden." Umso überraschender war dann auch die Erklärung des Obers. Er war gleichzeitig Schulleiter in Serekunda. Von dem Trinkgeld, das er in dem Restaurant bekam, bezahlte er die Gehälter der dort angestellten drei Lehrer.

Bettina Schmidt folgte seiner Einladung und wurde einmal mehr Zeuge der Armut Gambias. "Auf den ersten Blick hätte man nicht gedacht, dass es sich hierbei um eine Schule handelt", erinnert sich die 51-Jährige. Das Wellblechdach war zerfetzt, es regnete in die Klassenzimmer, Stühle und Tische waren kaputt. Insgesamt gab es zwei Klassenzimmer für 105 Schüler. Dazu drei Lehrer, die selbst direkt von der Armut betroffen sind. Auch hier ergriff Bettina Schmidt sofort die Initiative. Durch die vom Verein zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel konnte ein drittes Klassenzimmer gebaut und das Dach abgedichtet werden. Zudem finanzierte die 51-Jährige von Spendengeldern drei Monate lang die Gehälter der Lehrer und ließ neue Toiletten bauen, um eine drohende Schließung der Schule zu verhindern.

Hilfe zur Selbsthilfe

Generell wurde für Bettina Schmidt immer klarer: die Menschen Gambias brauchen Hilfe zur Selbsthilfe. "Die klimatischen Bedingungen wären günstig, um sich durch entsprechende Landwirtschaft selbst zu versorgen. Doch es fehlt in nahezu allen Belangen an der Ausstattung", berichtet die Ergoldingerin. Viele Dörfer in Gambia waren noch nie ans Stromnetz angebunden, die Wasserversorgung ist schlecht, chronische Unterernährung macht jeden Tag für die Menschen Gambias zum Überlebenskampf. Eines dieser Dörfer ist Keneba. Dort liegt das nächste Projekt von Bettina Schmidt. In Keneba existieren nur sehr wenige Brunnen. Der Wassertransport über teils mehrere Kilometer stellt die Bewohner tagtäglich vor schier unüberwindbare Hürden. Daher sollen mit Hilfe der Spendengelder von "Zukunft für Gambia e. V." in Keneba mehrere "Boreholes" entstehen. Dabei handelt es sich um einen schmalen Schacht, dessen Konstruktion die Wassergewinnung deutlich erleichtert.

Deutsche Fachärzte gesucht

Ein weiteres Problem in Gambia ist der Fachärztemangel. "Es gibt dort nur wenige Ärzte, und die haben meist nur minimalistische Ausbildungen", berichtet Bettina Schmidt. Es komme ohnehin nur selten vor, dass sich die Menschen dort überhaupt medizinische Versorgung leisten könnten. "Dann reichen aber Ausbildung und Ausstattung meist nur dazu, wenigstens eine Diagnose zu stellen. Operationen können meist nicht durchgeführt werden", erzählt die 51-Jährige. Auch das möchte sie nun ändern. Hierfür hofft sie auf die Mithilfe von Fachärzten aus Deutschland. Ähnlich wie bei dem Modell "Ärzte ohne Grenzen" sucht sie Fachärzte, die den einen oder anderen Urlaub dafür opfern würden, um in Gambia zu operieren.

EU engagiert sich wieder in Gambia

Unermüdlich kämpft Bettina Schmidt wie ein Löwe dafür, die Lebensbedingungen in Gambia für die Menschen zu verbessern. Ihr Optimismus ist dabei ungebrochen. Zumal seit der politischen Machtablösung im Januar 2017 ein Aufschwung erkennbar ist. "Die EU hat 75 Millionen Euro Ersthilfe bereitgestellt. Zudem hat man für insgesamt elf Millionen Euro eine Jugendkampagne gestartet, um die jungen Menschen dort gezielt aufzuklären, was es bedeutet, zu flüchten", berichtet Bettina Schmidt. Im Rahmen dieser Kampagne werde verdeutlicht, dass eine Flucht nach Europa zwecklos sei. Denn Gambia gilt als sicheres Herkunftsland, eine Aufenthaltserlaubnis in Europa würde somit nicht erteilt werden. "Man beginnt jetzt, den Menschen in Gambia eine Perspektive zu schaffen. Eine Perspektive, die sie insbesondere unter dem Regime von Jammeh nicht hatten. Auch bereits geflüchtete Jugendliche möchte man dadurch wieder ins Land zurückholen, um gemeinsam eine Zukunft für Gambia zu schaffen", zeigt sich die 51-jährige Ergoldingerin optimistisch.

So kann man helfen

Wer den Verein in welcher Form auch immer unterstützen möchte, kann sich unter der Mailadresse info@zukunft-fuer-gambia.de direkt an Bettina Schmidt wenden. Die Kontodaten für Geldspenden lauten: Raiffeisenbank Ergolding, Zukunft für Gambia, IBAN: DE 2274 3626 63 00000 25 453.

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Eine Müllhalde in Gambias größter Stadt, Serekunda. Immer wieder durchsuchen von der Armut geplagte Kinder diese Abfallberge auf der Suche nach Essbarem.

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Bettina Schmidt bei ihrem ersten Besuch an der Vorschule in Serekunda.

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Schulkinder in Serekunda bedanken sich bei Bettina Schmidt für ihren unermüdlichen Einsatz.

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Diese neuen Bänke und Tische konnten durch die Hilfe von "Zukunft für Gambia e. V." für eine Schule in Serekunda gekauft werden.

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Der Toilettenbau an der Schule in Serekunda. Möglich wurden diese Arbeiten durch die Spendengelder von "Zukunft für Gambia e. V."

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Mit Hilfe der Spendengelder des Vereins "Zukunft für Gambia e. V." konnte diese neue Toilettenanlage in einer Schule in Serekunda gebaut werden. Auf Grund des menschenunwürdigen Zustands der alten Toiletten war die Schule zuvor von einer Schließung bedroht. Diese Schließung konnte nun abgewendet werden.

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Bettina Schmidt bei einem Arztbesuch in Serekunda. Den Ärzten in Gambia fehlt es meist sowohl an Ausbildung, als auch an der nötigen Ausstattung in den Praxen. Dringend notwendige Operationen können deshalb meist nicht durchgeführt werden. Bettina Schmidt hofft deshalb auf die Hilfe von Fachärzten aus Deutschland.

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Gambia benötigt dringend mehr Touristen. Weil die alten Fahrräder in einem äußerst schlechten Zustand waren, spendierte Bettina Schmidt mit ihrem Verein "Zukunft für Gambia e. V." kurzerhand vier nagelneue Fahrräder für einen Fahrradverleih.

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Keneba ist ein Dorf in Gambia, das noch nie ans Stromnetz angeschlossen war. Zudem ist die Wasserversorgung denkbar schlecht. Die Menschen in Keneba leiden an chronischer Unterernährung. Bettina Schmidt versorgte die Menschen daher mit Reis, Speiseöl und Medikamenten.

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So leben die Menschen in Keneba.

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Ein sogenanntes Borehole. Diese Konstruktion würde den Menschen in Gambia nicht nur die Wasserversorgung erleichtern, sondern damit auch die Selbstversorgung in Form von Landwirtschaft.

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Die klimatischen Bedingungen in Gambia wären günstig für landwirtschaftlichen Anbau. Das große Problem ist jedoch die mangelhafte Wasserversorgung. Bettina Schmidt machte sich deshalb selbst ein Bild, was mit Hilfe der Errichtung von sogenannten "Boreholes" in Gambia möglich wäre, wie diese Aufnahme zeigt.

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Bettina Schmidt setzt sich intensiv mit Land und Leuten Gambias auseinander. Hier nahm sie an einem Kochkurs bei Einheimischen teil.

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Gambia an der Westküste Afrikas hat landschaftlich eine Vielzahl an atemberaubenden Aussichten zu bieten, wie diese Aufnahme zeigt. Nicht zuletzt deshalb hofft man in Gambia auf einen Anstieg der Tourismuszahlen. Insbesondere jetzt, da sie das Land nach dem Ende der Diktatur im Aufschwung befindet.

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Sonnenuntergang am Kololi Beach in Gambia.