Trainer der U23 des FC Augsburg
Sepp Steinberger: "Ganz wichtig: nie zufrieden sein"
15. Juni 2019, 9:47 Uhr aktualisiert am 15. Juni 2019, 9:47 Uhr
Der Dingolfinger Fußballlehrer Sepp Steinberger hat in der Winterpause die U23-Mannschaft des FC Augsburg übernommen und sie zum Klassenerhalt in der Regionalliga Bayern geführt. Im idowa-Interview spricht der 46-Jährige über das zurückliegende halbe Jahr, über die Arbeit mit einer U23 und erklärt, wie ihm die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren nun helfen.
Herr Steinberger, nachdem Sie im Winter den Trainerposten der U23 des FC Augsburg übernommen hatten, konnten Sie am Ende der Saison den Klassenerhalt feiern. Wie blicken Sie auf das halbe Jahr zurück?
Sepp Steinberger: Es war eine aufregende Zeit. Wir standen vom ersten bis zum letzten Tag mit dem Rücken zur Wand, deshalb war es auch mental sehr anstrengend. Aber die Zusammenarbeit war vom ersten Tag an richtig gut und die Chemie mit dem Trainerteam hat gepasst. Das war auch sehr wichtig, gerade wenn man - wie wir - mit vier Niederlagen startet. Dann ist es nicht selbstverständlich, dass man ruhig und gelassen weiterarbeitet. Im Fußball ist es inzwischen ja durchaus üblich, dass sich schnell Aktionismus breit macht.
Was haben Sie nach dem Start mit vier Niederlagen gedacht?
Steinberger: Man muss auch sehen, gegen wen wir zu Beginn gespielt haben. Da waren zweimal die "kleinen" Bayern dabei und mit Schweinfurt und Eichstätt zwei weitere Topteams. Da war schon zuvor klar, dass es schwierig wird. Dennoch hofft man natürlich, dass man auch gegen einen solchen Gegner etwas holt. Aber es war von Beginn an ein realistisches Szenario, dass es bis zum letzten Spieltag dauern kann. Mit sieben Punkten aus den letzten drei Spielen war es letztlich eine Punktlandung von uns.
Welche Mannschaft haben Sie im Winter vorgefunden?
Steinberger: Es ist eine ganz junge Mannschaft. Mit Markus Feulner hatten wir nur einen wirklich erfahrenen Spieler, der durch seine Erfahrungen aber ganz wichtig war, auch wenn er nicht mehr voll belastbar war.
Wo haben Sie angesetzt?
Steinberger: Da gab es verschiedene Punkte. Die Gegentore sind oft sehr billig gefallen, die Mannschaft war bei Standards und Kontern anfällig. Wir konnten das zwar nicht komplett abstellen, sind in diesen Bereichen aber auf jeden Fall besser geworden. Im Laufe der Rückrunde konnten wir uns auch im Spiel bei eigenem Ballbesitz steigern. Wir haben, außer zu Hause gegen Greuther Fürth II, immer ordentliche bis gute Leistungen gebracht - auch wenn es die Ergebnisse nicht immer widergespiegelt haben.
War es für die junge Mannschaft auch mental eine große Belastung, bis zum Schluss gegen den Abstieg zu spielen?
Steinberger: Ja, das hat man vor allem in den letzten beiden Spielen gespürt. Abstiegskampf spielt sich extrem im Kopf ab und man hat der Mannschaft diesen Druck auch angemerkt. Aber sie haben ihm standgehalten. Wenn du eine solche Situation am Ende gut meisterst, dann bringt das auch den einzelnen Spieler und die Mannschaft weiter.
Sie haben in den vergangenen Jahren immer direkt im Nachwuchsbereich gearbeitet, nun für eine U23. Inwieweit hat sich Ihre Aufgabe dadurch verändert?
Steinberger: Das Training und die Inhalte unterscheiden sich nicht wesentlich. Ein großer Unterschied ist, dass man zeitlich flexibler agieren kann und unter dem Tag trainiert. Dadurch hat man auch mehr Möglichkeiten, um mit den Spielern zu kommunizieren, sei es individuell oder in Gruppen. Dazu kommt, dass Spieler mit 20, 21 Jahren auch im Kopf schon ein bisschen weiter sind und besser reflektieren können. Dadurch kann man manche Dinge ein bisschen schneller vorantreiben.
Zudem müssen Sie die Spieler, die gerade aus dem Jugendfußball kommen, an die Härte des Herrenbereichs heranführen.
Steinberger: Richtig. Das ist ein entscheidender Unterschied. Selbst die kleineren Vereine in dieser Liga haben ausgebuffte Spieler dabei. Auch taktisch ist die Herangehensweise ein bisschen anders. Viele Teams stehen eher tief, während in der Junioren-Bundesliga die meisten Mannschaften den Ball haben wollen. Zudem ist der Sprung im körperlichen Bereich und in der Zweikampfführung riesig. Das wird von vielen auch unterschätzt.
Sie haben nun als Trainer die dritte Saison in Folge Abstiegskampf gespielt. Inwieweit hat Ihnen die Erfahrung aus solchen Situationen geholfen?
Steinberger: Ich habe im Fußball inzwischen von Aufstiegen über ein Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft, einen BFV-Pokalsieg, eine bayerische Meisterschaft bis zu Abstiegen und einer Entlassung schon alles erlebt. Diese Erfahrung hat mir extrem geholfen. Denn diese Unaufgeregtheit und Ruhe, die wir bewahrt und der Mannschaft vorgelebt haben, war ganz entscheidend. Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass man mit einer jungen Mannschaft auch mal Rückschläge hinnehmen muss und es Schwankungen gibt. Entscheidend war, dass die Jungs immer Gas gegeben und an sich geglaubt haben.
Der FCA ist nach Jahn Regensburg, 1860 München und Greuther Fürth der vierte Profiverein für den Sie arbeiten. Was unterscheidet ihn von den anderen?
Steinberger: Es ist schwierig, die einzelnen Vereine zu vergleichen und ich möchte auch keine Erfahrung missen. Was man in Augsburg aber schon merkt ist, dass der Verein nun in sein neuntes Jahr in der Bundesliga geht. Man hat dadurch infrastrukturell gute Voraussetzungen und eine gewachsene Struktur im Verein. Auch der hohe Stellenwert der Jugend ist zu spüren. Gerade entsteht wieder ein neues NLZ-Gebäude mit Internat. Der Verein ist in den vergangenen Jahren ruhig und konsequent seinen Weg gegangen und ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg auch noch nicht zu Ende ist.
Von außen hat man das Gefühl, dass der FCA in den vergangenen Jahren, gerade auch im Nachwuchs, extrem aufgeholt hat. Haben Sie den gleichen Eindruck?
Steinberger: Das klingt vielleicht blöd, aber in meinen ersten Jahren bei 1860 hat man vor den Spielen gegen den FCA gedacht: Die hauen wir weg. Inzwischen ist der Verein ganz klar die Nummer zwei in Bayern - bei den Profis und im Nachwuchs. Präsident Klaus Hoffmann hat einmal gesagt, er wolle einmal ein Spiel erleben, bei dem in der Startelf der Profis vier Spieler sind, die seit der D-Jugend im Verein sind. Das sagt viel über den eingeschlagenen Weg aus. Und man muss sich auch hohe Ziele setzen. Wenn es irgendwann drei solcher Spieler sind, dann können auch alle zufrieden sein (schmunzelt).
Sehen Sie aktuell Spieler, die das Potenzial haben, den Sprung in die Bundesliga zu schaffen?
Steinberger: Es gibt sicher interessante Spieler und der FCA hat gute Jahrgänge im Nachwuchs. Da kann es sicher der eine oder andere schaffen. Das ist auch das, was jeden einzelnen Mitarbeiter im Nachwuchsbereich tagtäglich antreibt.
Nun stehen Sie vor einer neuen Saison. Inwieweit hilft es, wenn man von Beginn an dabei ist und dadurch vielleicht auch mehr Einfluss auf die Mannschaft nehmen kann?
Steinberger: Natürlich war ich jetzt in dem halben Jahr schon in die Kaderplanung eingebunden. Viele externe Zugänge wird es allerdings nicht geben, es kommen einige aus der U19 nach. Auch die Vorbereitung ist mit vier Wochen relativ kurz. Deshalb wird es nicht möglich sein, in vier Wochen Wunder zu vollbringen. Aber natürlich haben wir uns spezielle Punkte vorgenommen, in denen wir uns verbessern wollen. Das Spiel mit dem Ball und Standards zum Beispiel.
Sind Sie in Ihrer Spielidee frei oder müssen Sie sich an vorgegebenen Richtlinien orientieren?
Steinberger: Natürlich hat der Verein eine Spielidee und Spielphilosophie, an der man Mannschaften des Vereins erkennen soll. Aber dennoch hat man auch noch Freiheit innerhalb von gewissen vorgegebenen Leitplanken.
Wie sieht die grobe Spielidee aus?
Steinberger: Wir wollen, kurz zusammengefasst, einen aktiven, zielstrebigen und schnellen Fußball spielen.
Sie arbeiten nun auch in einem Bereich, in dem für viele Spieler der Traum von der großen Profikarriere platzt. Wie schwierig ist der Umgang damit?
Steinberger: Ich kenne diese Situationen schon aus meiner Arbeit im Bereich U19 und U17. Es gibt Jahr für Jahr Spieler, die nicht mehr übernommen werden. Hier ist mir immer besonders wichtig, dass ich mit den Spielern ehrlich umgehe. Das mag im ersten Moment auch manchmal hart sein, aber auf Dauer wissen es die Spieler schon zu schätzen, wenn sie ehrliche Aussagen erhalten. Man hat ihnen gegenüber auch eine menschliche Verantwortung, denn nur die wenigsten können am Ende in der Bundesliga spielen. Deshalb ist es wichtig, dass man sie auch für den anderen Fall vorbereitet.
Was ist für Spieler, die es bis in die Regionalliga geschafft haben, wichtig, um auch den letzten Schritt nach oben noch zu schaffen?
Steinberger: Ganz wichtig ist: Nie zufrieden sein. Sie müssen immer fokussiert sein, im Training von der ersten bis zur letzten Sekunde voll da sein. Man muss bereit sein, mehr zu machen als andere. Man muss die Stärken kennen, aber auch an Defiziten arbeiten. Ein wichtiger Punkt ist auch die Entwicklung der Persönlichkeit, dass man mental stark ist, um im richtigen Moment die bestmögliche Leistung zu bringen.