Further erneuern damit ihr Gelöbnis
Leonhardiritt: Geschichte eines Brauchtums
9. April 2020, 17:00 Uhr aktualisiert am 9. April 2020, 17:00 Uhr
Wegen der noch andauernden Corona-Pandemie musste heuer der traditionelle Leonhardiritt ausfallen. Bei der kirchlichen Traditionsveranstaltung, die seit 269 Jahren alljährlich am Ostermontag stattfindet, wären in diesem Jahr am 13. April wieder viele Reiter mit ihren Pferden und Kutschen durch die Straßen der Grenzstadt gezogen. Das letzte Mal wurde der Osterritt im Jahr 2001 wegen der Gefahr durch die Maul- und Klauenseuche verschoben. Es wird überlegt, die Veranstaltung im Herbst nachzuholen.
Diese Absage beziehungsweise Verschiebung nimmt der ehemalige Stadtarchivar Werner Perlinger zum Anlass, einen Blick in die Geschichte dieses Brauchtums zu werfen und dabei auch an wenig bekannte Geschehnisse vor gut 270 Jahren zu erinnern.
Er schreibt: Wir nähern uns der Mitte des 18. Jahrhunderts, in der Zeit des Barock und beginnenden Rokoko - eine Epoche, in der in Bayern herrliche Kirchen und Paläste entstehen und die Heiligenverehrung einen hohen Stellenwert einnimmt. Doch die Zeiten gestalteten sich für den ostbayerischen Raum alles andere als friedlich und aufbauend.
Denn in den Jahren 1741 bis 1748 entstand nach dem Tod von Kaiser Karl VI. im Oktober 1740 aus der folgenden Anfechtung der "Pragmatischen Sanktion" durch den bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht (1726 bis 1745) aus dem Hause Wittelsbach, der unbedingt selbst die kaiserliche Nachfolge im Deutschen Reich und in Österreich antreten wollte, der sogenannte "Österreichische Erbfolgekrieg". - Eine Auseinandersetzung in die letztlich alle damaligen europäischen Mächte eingebunden waren. Die genannte Sanktion, gesetzlich erlassen von Kaiser Karl VI. bereits im Jahr 1713, hatte die Unteilbarkeit des Hauses Habsburg und so auch die Monarchie für eine weibliche Thronfolge, in diesem Fall für seine Tochter Maria Theresia, im habsburgisch-kaiserlichen Hause in Wien zum Inhalt.
Nachdem Karl Albrecht in diesem Begehren von den Gegnern Habsburgs, damals Frankreich, Spanien, Preußen, Sachsen und Neapel unterstützt wurde, konnte er einen Krieg gegen die Tochter Kaiser Karl VI., Maria Theresia, auf deren Seite zunächst allein England stand, natürlich wagen.
Karl Albrecht besetzte mit seinen bayerischen Truppen am 31. Juli 1741 Passau und die dortige Festung Oberhaus und stieß im September mit Hilfe sächsischer und französischer Truppen nach Oberösterreich vor, ohne jedoch Wien direkt zu bedrohen. Am 26. November fiel die Stadt Prag im habsburgischen Kronland im Handstreich. Maria Theresia aber gab nicht nach und ließ den Feldmarschall Khevenhüller mit einer Armee in Bayern einmarschieren. Für Bayern kamen nun die sogenannten Pandurenjahre, für die Stadt Furth an der Grenze eine Zeit der Truppendurchzüge und verschiedener Plünderungen.
Scharen Trencks wüten und schleppen Tierseuche ein
Im besagten Jahr 1741 muss es auch in Furth im Wald schon zu ersten Feindberührungen gekommen sein, denn feindliche Truppen hatten verschiedene städtische Weiher abgegraben und so ihren Pächtern großen Schaden verursacht. Kurfürst Karl Albrecht wurde schließlich am 12. Februar 1742 unter größter Prunkentfaltung in Frankfurt zum Kaiser gewählt, doch noch in diesem Unglücksjahr Bayerns zog der Pandurenführer, Oberstleutnant Franz Freiherr von der Trenck, in die Waldgegenden und bemächtigte sich des Marktes Viechtach und der Stadt Cham. Dabei wurde die Nachbarstadt niedergebrannt, drei Tage geplündert - wobei 42 Bürger ihr Leben verloren.
Zugleich wüten die Scharen Trencks auch im Further Winkel, und dadurch wird eine Tierseuche eingeschleppt. Diese schädigt empfindlich den Viehbestand der Further Ackerbürger. Hart für die Ökonomiebürger früherer Zeit, manchmal die bäuerliche Existenz gänzlich gefährdend, war das Auftreten von Tierseuchen - wie die Maul- und Klauenseuche, aufgetreten zum Beispiel in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts oder BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie) ab dem 16. Dezember 2000. Aber damals war man gegen Tierseuchen hilflos - es gab nicht einmal in Ansätzen die heilenden Möglichkeiten der Tiermedizin von heute. Es blieb einzig nur das Vertrauen auf Gott und seine Heiligen, um so höhere Hilfe zu erhalten.
Mit Bau einer Kapelle das Gelübde erfüllen
Es herrscht existentielle Not und die Bürger legen ein Gelübde ab. Acht Jahre später wollen sie dann dieses Gelübde erfüllen und zu Ehren des heiligen Leonhard, des Patrons für die Pferde und das Hornvieh, im Stadtbereich eine Kapelle erbauen. Daher schreiben die Further am 3. Mai 1750 an den Bischof von Regensburg, Johann Theodor, dass die gesamte Bürgerschaft willens sei, sich wegen einer vor acht Jahren (eben 1742) "ungemein grassierenden Viechfahl (Viehseuche) .... aus eigenen Mitteln eine Capellen aufmauern und darinnen einen Hochaltar mit der Bildtnuß des Heyl. Leonhardi setzen zu lassen, damit durch dessen Vorbitt der allguettige Gott uns von fehrner dergleichen schädlichen Übel gnädiglich bewahren wolle".
Nach weiterem Briefwechsel erteilt das bischöfliche Konsistorium am 6. Oktober 1751 die Erlaubnis zum Kapellenbau. Die durch die Panduren eingeschleppte Seuche, der Name ist nicht bekannt, war also der Anlass zum Bau der ersten Leonhardikapelle am Bayplatz. Diese und folgende Vorgänge sind die Basis für den Leonhardiritt von heute.
Nicht erklärbar ist, warum die Further Bürger als Termin für den Leonhardiritt gerade den Ostermontag wählten, obwohl das Fest des Heiligen erst am 6. November begangen wird. Es könnte sein, dass die Ackerbürger wegen der einsetzenden Feldarbeit ausnahmsweise diesen Feiertag wählten, um so den Schutz des Heiligen für gesunde und kräftige Tiere zu erflehen. Vielleicht kann die diesjährige Reiterprozession im November nachgeholt werden.
Furth im Wald kommt nicht ganz ungeschoren davon
Was bisher auch in Kreisen der Lokalhistoriker nicht so bekannt war: Ganz ungeschoren ist die Stadt in diesem Erbfolgekrieg nicht davon gekommen. Laut Inhalt der Stadtkammerrechnung vom Jahr 1742 mussten die Bürger unter schärfsten Androhungen gegen die Stadt durch den österreichischen Feldmarschall-Leutnant, Baron von Pernklau, eine "Branndtsteur: oder Contribution" in Höhe von 687 Gulden und 30 Kreuzer zahlen und blieben im Gegensatz zur Stadt Cham wenigstens so vor noch schlimmeren Unheil verschont. Die Geldforderung ist als eine "Brandschatzung" zu werten: Also eine Erpressung von Geld gegen Androhung der Niederbrennung eines Ortes.
Ungeachtet dessen entwendeten feindliche Husaren mit Gewalt den Bürgern vereinzelt Vieh aus den Ställen und trieben es als Beute in die "Falbenau" (Vollmau), wo es als gesetzlich ungerechtfertigter Rückkauf teils nur mühsam wieder zurückgeführt werden konnte. Da es aber die "Panduren und Croaten und anderes Raubersgesündl" nicht unterließen, zusätzlich auch in der Stadt zu rauben, erkaufte diese von dem Rittmeister der Husaren, von Rittberg, für 212 Gulden einen sogenannten "Salva Guardia Brief" - einen Schutzbrief gegen feindliche Übergriffe.
In der Kammerrechnung von 1744 wurde vermerkt, dass keinerlei Gelder vorhanden seien, da sämtliche Steuern und Anlagen an die königliche "Kriegs Cassa" geliefert worden seien. Die Stadt verfügte demnach über keinerlei Steuereinnahmen mehr, um damit auch nur die dringendsten kommunalen Aufgaben erfüllen zu können.