Plötzlich ganz oben

Wie geht es weiter für Söder und die CSU?

Das Jahr 2018 ist für Markus Söder sicher unvergesslich: Zwei Mal wird er zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. Die absolute Krönung steht aber noch aus und soll Anfang 2019 folgen.


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Nach dem angekündigten Rücktritt von Horst Seehofer (r.) deutet alles auf Markus Söder als dessen Nachfolger als Parteichef.

Von Marco Hadem und Christoph Trost, dpa

München - Nein, ausgerechnet um den Posten des CSU-Chefs hat sich der für seinen Ehrgeiz berühmt-berüchtigte Markus Söder nie gerissen. Doch nach nicht mal einem Jahr im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten wird der 51-jährige Franke wohl bald auch in der Partei das Erbe von Horst Seehofer antreten. Obwohl sich Söder bislang noch nicht persönlich geäußert hat, gibt es in der CSU weder Zweifel an dessen Wahl noch einen chancenreichen Gegenkandidaten.

Es ist eine paradoxe Entwicklung, die die CSU seit knapp eineinhalb Jahren durchläuft. Angefeuert durch zwei historische Pleiten bei der Bundestags- und der Landtagswahl hat Seehofers Machtfundament so massive Risse, dass sein Untergang nicht zu verhindern ist. Nutznießer in beiden Fällen ist ausgerechnet der Mann, den Seehofer jahrelang für beide Spitzenämter verhindern wollte. Erst zum Ende seiner Karriere müht sich Seehofer um gute Worte für Söders Arbeit.

Und Söder? Wenn er den Posten übernimmt, wovon jeder in der CSU ausgeht, steht der Franke vor zwei schweren Aufgaben, die ein wenig an die ersten Jahre von Seehofer als Ministerpräsident und Parteichef erinnern. In Bayern ohne absolute Mehrheit, im Bund in einer wahrlich nicht einfachen großen Koalition und vor den Augen eine Europawahl, die für die Volksparteien nicht viel Gutes erwarten lässt. So schwer die Lage 2008/2009 für die CSU war, vermutlich würden sie viele gegen die aktuelle Situation eintauschen, immerhin gab es damals noch keine AfD und einen europaweiten Siegeszug der Rechtspopulisten.

Für die Mehrheit in der CSU ist klar: Wenn jemand die Partei durch die Untiefen steuern kann, dann Söder. Seit 1983 ist der Jurist CSU-Mitglied. Seit 1994 ist er Landtagsabgeordneter, seit 1995 Teil des Präsidiums, von 2003 bis 2007 war er Generalsekretär, bis März Minister - nacheinander zuständig für Europa, Umwelt, Finanzen, Landesentwicklung und Heimat.

Auch wenn Söder sich mit einem klar formulierten Machtanspruch noch zurückhält und in den vergangenen Monaten nur an seiner Wiederwahl als Regierungschef gearbeitet hat, deutet längst manche Aussage auf den nächsten Karriereschritt hin: «Ich habe im Wahlkampf viel gelernt und mich hoffentlich auch weiterentwickelt», sagte Söder etwa soeben bei seiner Vereidigung. Egal an welcher Stelle, im Freistaat wie in der Partei, werde er seinen Beitrag leisten.

Keine Frage, der Söder im Spätherbst 2018 will ein anderer sein als der, dem Seehofer Ende 2012 noch einen «pathologischen Ehrgeiz» und «Schmutzeleien» vorwarf. Zigmal hat sich Söder seither verändert, oder es zumindest versucht. Bereits im März, vor seiner ersten Wahl zum Regierungschef, wurde Söder leiser und bedachter. Es war sein erster Versuch, sich vom Scharfmacher, der er für viele (vor allem außerhalb Bayerns) noch immer ist, hin zum Landesvater zu wandeln.

Doch Söder hielt die selbstverordnete Zurückhaltung nicht durch: Auf dem Höhepunkt des Asylstreits von Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommer blitzte sein altes Ego wieder durch. Er sprach von «Asyltourismus» und machte die Entscheidung zu einem «Endspiel um die Glaubwürdigkeit». Erst als er merkte, dass die Stimmung kippte, Merkel hart blieb und er nicht auf der Seite der Gewinner stand, gab sich Söder geläutert und konzentrierte sich fortan nur noch auf Bayern. Trotzdem wurde er kurz darauf per Umfrage zum unbeliebtesten Ministerpräsidenten in ganz Deutschland gekürt.

Im Wahlkampf vollzog sich bei Söder auch ein optischer Wandel: Sein Haar wurde fast wöchentlich grauer. Und wer Söder nach dessen zweiter Vereidigung vor wenigen Tagen zuhört, der merkt, dass der Jurist und vierfache Vater längst einen erneuten Wandel eingeleitet hat: Da ist nun immer wieder die Rede von Reife- und Lernprozessen, davon, dass er auch der Opposition mehr zuhören will, und davon, dass er ein Ministerpräsident für alle Bayern sein will. «Keiner hat die Wahrheit von vorneherein gepachtet», sagt er.

Egal ob Söders neuste Metamorphose aus eigener Überzeugung oder nur aus taktischen Gründen erfolgt: Fakt ist, Söder ist ein wahrlich wandelbarer Mann, ganz anders als es seinem großen Vorbild Franz Josef Strauß nachgesagt wird. Als CSU-Chef werde Söder wohl eher in die Fußstapfen seines Ziehvater Edmund Stoiber treten, sagen ihm Weggefährten voraus. Stoiber war anfangs als CSU-Chef und Ministerpräsident ein durch und durch auf Bayern konzentrierter Mann. «Selbst Berlin war ihm schon zu weit weg», sagt ein CSU-Vorstand, der beide gut kennt. «So wird es auch der Markus machen.»

Doch Söder ist auch längst so erfahren, dass er seine Arbeitsweise nicht nur durch Beobachtungen bei seinen Vorbildern und Vorgängern ableitet. Der bekennende Anhänger des 1. FC Nürnberg will eigene Impulse setzen und sagt deshalb schon jetzt voraus, dass er nach zehn Jahren sein Amt als Ministerpräsident an den Nagel hängen wird. Ob das dann auch für das Spitzenamt des Parteichefs gilt?