Lage im Überblick
Scholz lehnt Taurus-Lieferung erneut ab
15. September 2024, 4:58 Uhr
In seinen Bemühungen um hochpräzise Waffen mit großer Reichweite kann Kiew weiterhin nicht auf Bundeskanzler Olaf Scholz hoffen. Bei einem Bürgerdialog im brandenburgischen Prenzlau schloss der SPD-Politiker eine Lieferung weitreichender Präzisionswaffen an die Ukraine auch für die Zukunft und unabhängig von Entscheidungen der Bündnispartner aus.
Scholz bekräftigte sein Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus mit einer potenziellen Reichweite von der Ukraine bis nach Moskau (etwa 500 Kilometer) mit der Begründung, dass dies "eine große Eskalationsgefahr" mit sich bringen würde.
"Da habe ich Nein gesagt. Und das gilt natürlich auch für andere Waffen, wenn wir sie geliefert hätten, die in dieser weiten Distanz dort hineinschießen könnten", sagte Scholz. "Das bleibt so. (…) Auch wenn andere Länder anders entscheiden."
Der frühere britische Premier Boris Johnson bat Scholz unterdessen, seine Haltung zu überdenken. "Wir brauchen definitiv auch eine Taurus-Lieferung, definitiv", sagte Johnson der "Süddeutschen Zeitung" bei einer Sicherheitskonferenz in Kiew. Mit blick auf die deutsche Geschichte könne er Scholz zwar verstehen, aber es gehe nun um eine klare Haltung in einer ganz entscheidenden Phase.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bittet die Verbündeten immer wieder um weitreichende Waffen, um russische Logistik und Militärflugplätze der Luftwaffe weit hinter der Frontlinie auch auf russischem Territorium angreifen zu können.
Selenskyj berichtete in seiner abendlichen Videoansprache von einem Treffen mit US-Kongressabgeordneten in Kiew. "Es ist wichtig, dass unsere Partner auf allen Ebenen umfassend über unsere Bedürfnisse und unsere Positionen informiert werden", sagte er. Bei den Unterredungen habe er die Abgeordneten "über die aktuelle Lage und die Aussichten informiert".
Die Nato-Partner USA, Großbritannien und Frankreich haben der Ukraine bereits Marschflugkörper mit Reichweiten bis zu 300 Kilometern geliefert. Derzeit läuft eine Diskussion darüber, ob der Einsatz dieser Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium grundsätzlich erlaubt werden soll. US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Keir Starmer waren bei einem Treffen am Freitag in Washington zu keiner Entscheidung gekommen.
Kremlchef Wladimir Putin hatte zuvor erklärt, dass er den Einsatz weitreichender westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief auf russischem Territorium als Kriegsbeteiligung der Nato werten würde. "Das wird bedeuten, dass die Länder der Nato, die USA, die europäischen Länder mit Russland kämpfen."
Nach Berichten über die Lieferung iranischer Raketen an Russland haben die wirtschaftsstarken westlichen Demokratien der G7 die Bereitstellung dieser Waffen scharf verurteilt. Dass Teheran trotz wiederholter internationaler Aufforderungen, die Lieferungen einzustellen, Moskau weiterhin mit Waffen versorge, stelle eine weitere Eskalation der militärischen Unterstützung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine durch den Iran dar, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Außenminister von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien und der USA sowie des Außenbeauftragten der EU.
Russland setze iranische Waffen ein, um ukrainische Zivilisten zu töten und kritische Infrastruktur anzugreifen, hieß es. Zuletzt hatten Großbritannien und die USA mitgeteilt, Russland habe ihren Informationen zufolge ballistische Raketen aus dem Iran erhalten. Die Regierung in Teheran wies die Vorwürfe zurück.
"Der Iran muss unverzüglich jegliche Unterstützung für Russlands illegalen und ungerechtfertigten Krieg gegen die Ukraine einstellen und die Lieferung von ballistischen Raketen, Drohnen und damit zusammenhängender Technologie, die eine direkte Bedrohung für das ukrainische Volk sowie die europäische und internationale Sicherheit darstellen, beenden", hieß es in der von der italienischen G7-Präsidentschaft veröffentlichten Mitteilung.
Die russische Luftabwehr fing unterdessen offiziellen Angaben zufolge in der Nacht erneut mehrere ukrainische Drohnenangriffe ab. Mindestens neun Drohnen seien in der Grenzregion Brjansk abgeschossen worden, teilte der Gouverneur des Gebiets, Alexander Bogomas, bei Telegram mit.
Auch in der westlich von Moskau gelegenen Region Smolensk wurden laut Gouverneur Wassili Anochin zwei Drohnen abgefangen. In beiden Gebieten soll es ersten Erkenntnissen zufolge weder Verletzte noch größere Schäden gegeben haben. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.
Die ukrainischen Streitkräfte erzielten derweil bei ihrem Vorstoß in die westrussische Region Kursk neue Gebietsgewinne, verloren aber auch Gebiete bei russischen Gegenangriffen. Wie der regierungsnahe ukrainische Militärblog "Deep State" berichtete, eroberten die ukrainischen Einheiten drei weitere Siedlungen.
Russische Gegenangriffe wiederum drängten demnach die ukrainischen Truppen in der Umgebung der Ortschaft Snagost zurück. Auf einer bei "Deep State" veröffentlichten Karte ist ein tiefer Einbruch in die ukrainischen Verteidigungslinien zu erkennen. Die Angaben konnten unabhängig nicht überprüft werden.
Anfang August waren ukrainische Truppen ins russische Grenzgebiet bei Kursk eingedrungen und brachten nach eigenen Angaben rund 1.300 Quadratkilometer und etwa 100 Ortschaften, darunter die Kleinstadt Sudscha, unter ihre Kontrolle. Beobachter gehen von geringeren Geländegewinnen aus. In dieser Woche hat das russische Militär den ersten ernsthaften Versuch zur Vertreibung der ukrainischen Truppen unternommen.
An den Kriegsschauplätzen der Fronten innerhalb der Ukraine blieb die Umgebung von Pokrowsk am Rande des Donbass weiterhin Schauplatz schwerer Gefechte. Ukrainische Medien berichteten, dass im Verlauf eines russischen Artillerieüberfalls eine wichtige Brücke über Bahngleise zerstört wurde.
Nach Darstellung des Generalstabs in Kiew versuchten russische Einheiten im Tagesverlauf die ukrainischen Abwehrlinien mit 23 Sturmangriffen zu überwinden. Die Angriffe seien abgeschlagen worden, ebenso wie die 37 russischen Vorstöße bei der nahe gelegenen Ortschaft Kurachowe. "Wir halten unsere Positionen, egal wie schwierig es ist", sagte Selenskyj zu der Lage.
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