Neue Positionierung der CDU
Röttgen erklärt Kandidatur
18. Februar 2020, 9:22 Uhr aktualisiert am 18. Februar 2020, 16:39 Uhr
Friedrich Merz, Jens Spahn, Armin Laschet - sie alle gelten als Aspiranten auf den CDU-Vorsitz. Richtig aus der Deckung gewagt hat sich bislang keiner von ihnen. Nun ist ein vierter Bewerber vorgeprescht, der bislang noch nicht gehandelt wurde.
Als erster Bewerber für den CDU-Vorsitz hat der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen offiziell seine Kandidatur angekündigt. Er habe diese der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer am Dienstagmorgen in einer Mail mitgeteilt und später mit ihr darüber gesprochen, sagte der heutige Außenpolitiker anschließend in Berlin. Er mahnte eine Entscheidung über den Parteivorsitz bis zum Sommer und eine Klärung der Kanzlerkandidatur zusammen mit der CSU bis zum Jahresende an. Angela Merkel solle bis zum Ende der Wahlperiode im kommenden Jahr Kanzlerin bleiben.
Es gehe jetzt nicht allein um eine Personalentscheidung für den Parteivorsitz. "Es geht um die politische - also personelle und inhaltliche - strategische Positionierung der CDU", betonte Röttgen. "Es geht um die Zukunft der CDU. Und es geht um die christlich-demokratische Idee von der Zukunft unseres Landes." Davon habe er seit der Rückzugsankündigung von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wenig gehört. "Und darum kandidiere ich."
Gefragt nach der Dauer der Kanzlerschaft von Merkel sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags: "Die Bundeskanzlerin ist gewählt, und wird nach meiner Einschätzung, übrigens auch nach meinem Willen bis zum Ende der Legislaturperiode Bundeskanzlerin bleiben."
Für den Parteivorsitz will nach inoffiziellen Angaben aus dessen Umfeld auch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz kandidieren, als potenzielle Anwärter für die Kanzlerkandidatur werden außerdem Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehandelt.
Auf die Frage, ob er für die zuletzt in CDU-Kreisen diskutierte Teamlösung sei, antwortete Röttgen: "Alle sind immer für Team, ich auch - wie sollte man auch dagegen sein." Er habe aber den Verdacht, dass in diesem Falle das Team dazu dienen solle, wie man die Interessen Einzelner unter einen Hut bringen könne. Zugleich betonte er, das bisherige Verfahren der Kandidatensuche habe ihn "nicht überzeugt".
Er halte es für unvorstellbar, dass sich die CDU des Jahres 2020 ungeachtet aller drängenden Probleme auf nationaler und internationaler Ebene bis Dezember nur mit ihrer Personalfrage beschäftige. "Darum ist meine Meinung, dass wir das bis zur Sommerpause - ich finde sogar ein bisschen: deutlich vor der Sommerpause - auf einem Sonderparteitag zu entscheiden haben."
Röttgen betonte, die CDU sei eine Partei der Mitte, die klare Grenzen zur AfD und zur Linkspartei ziehen müsse. Beide Parteien seien aber nicht gleichzusetzen. Die AfD sei eine Partei, die mit ihrem "nationalistischen Denken" Unfrieden in die Gesellschaft trage. Die Linke habe noch nicht begonnen, das Erbe der SED-Vergangenheit aufzuarbeiten. Sie distanziere sich nicht eindeutig vom Linksextremismus. Und sie sei außenpolitisch eine treue Unterstützerin der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Röttgen kritisierte indirekt die aktuelle Parteiführung und Regierung Merkels. Die CDU müsse ökologische Glaubwürdigkeit im allgemeinen und klimapolitische Glaubwürdigkeit im besonderen zurückgewinnen. "Wenn wir das nicht tun, droht uns als Partei mindestens eine ganze Generation verloren zu gehen", warnte er. "Wahlentscheidend für die CDU wird sein, dass wir über Zukunftskompetenz verfügen. Und es ist ganz einfach: Ohne ökologische Kompetenz gibt es keine Zukunftskompetenz."
Der Außenpolitiker forderte auch, frühzeitiger auf absehbare Krisen - wie aktuell die Vertreibung von fast einer Million Syrer in der Provinz Idlib - zu reagieren. "Das ist ein akutes Geschehen, über das wir kaum sprechen", monierte er. Zwischen Ost- und Westdeutschen wolle er, sollte er CDU-Chef werden, einen Dialog auf Augenhöhe über das Funktionieren der Demokratie in Gang bringen.
Auch für Steuersenkungen für die Mittelschicht setzte sich Röttgen ein: "Wenn Normalverdiener bei zweistelligen Steuerüberschüssen den Spitzensteuersatz zahlen, stimmt etwas nicht im System."
Röttgen war von Oktober 2009 bis Mai 2012 Bundesumweltminister. 2010 setzte er sich in Nordrhein-Westfalen im Ringen um den CDU-Landesvorsitz in einer Mitgliederbefragung gegen Armin Laschet durch. Dann trat er als CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2012 an und verlor gegen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Merkel warf ihn aus ihrem Kabinett, als er sich weigerte, als Oppositionsführer nach Düsseldorf zu wechseln.