Kölner Übergriffe
NRW-Innenminister zieht Notbremse: Kölns Polizeichef muss gehen
8. Januar 2016, 9:16 Uhr aktualisiert am 8. Januar 2016, 9:16 Uhr
Schleiferfahndung, Verlust der Asylberechtigung, Haftstrafe in der Heimat: Debatte um schärfere Gesetze spitzt sich zu.
Der nach den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof in die Kritik geratene Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers ist in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Das erfuhren der "Kölner Stadt-Anzeiger" und die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Kreisen der Landespolitik. Zuletzt waren zunehmend Rücktrittsforderungen gegen Albers laut geworden. Unter anderem war Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker deutlich auf Distanz gegangen.
Dem Polizeipräsidenten wurde unter anderem vorgeworfen, die Öffentlichkeit nach den Übergriffen nicht rechtzeitig informiert zu haben und Informationen unter anderem über die Herkunft der Verdächtigen zurückgehalten zu haben.
Aus einer Gruppe von 1000 Männern heraus hatten sich in der Silvesternacht kleinere Gruppen gebildet, die Frauen umzingelt, sexuell bedrängt und bestohlen haben sollen. Der Polizeieinsatz war von vielen Seiten scharf kritisiert worden, unter anderem von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Informationen über den Einsatzablauf kamen nur stückchenweise ans Licht.
Gabriel fordert: Kriminelle Ausländer sollen Haft im Heimatland verbüßen
Nach den Übergriffen auf Frauen in Köln werden Forderungen nach härteren Strafen und schärferen Sicherheitsvorkehrungen laut. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte laut Medienberichten ein hartes Vorgehen des Staates gegen die Straftäter von Köln. Es gehe nun darum, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuloten, um kriminelle Asylbewerber in ihre Heimat zurückzuschicken. Zu prüfen sei auch, wie der Grundsatz "Haft im Heimatland" wieder verwirklicht werden könne. "Warum sollen deutsche Steuerzahler ausländischen Kriminellen die Haftzeit bezahlen?", fragte er. Die Androhung, in der Heimat hinter Gitter zu kommen, schrecke die Täter zudem weit mehr ab als eine Haftzeit im deutschen Gefängnis.
Gabriel sagte, es müsse insgesamt schneller und effizienter abgeschoben werden. Wenn Staaten etwa aus Afrika sich weigerten, abgeurteilte und abgelehnte Asylbewerber zurück zu nehmen, dann müsse Deutschland sie vor die Wahl stellen: "Entweder ihr stellt euch der Verantwortung für eure Bürger oder wir kürzen euch die Entwicklungshilfe." Hinzu komme, dass es mehr Sicherheit nur mit mehr Polizei und mehr Staatsanwälten gebe.
Auch die CDU-Spitze hatte bereits deutliche Gesetzesverschärfungen gefordert. Sie verlangt etwa, dass bei "erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" verdachtsunabhängige Personenkontrollen eingeführt werden sollen - die sogenannte "Schleierfahndung". Das geht aus dem Entwurf für die "Mainzer Erklärung" hervor, die bei einer Klausur des Vorstands am Freitag und Samstag verabschiedet werden soll.
Asylberechtigte, Flüchtlinge und Asylbewerber, die zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden, sollen ihre "Asylberechtigung" verlieren. Die Formulierung geht über den Parteitagsbeschluss von Dezember hinaus. Dort hieß es einschränkend, der Aufenthaltsstatus solle bei einer rechtskräftigen Verurteilung "zu einer Freiheitsstrafe von deutlich unter drei Jahren" verloren gehen. Diese zeitliche Einordnung will die CDU nun wegfallen lassen.
In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof nach Angaben der Polizei aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Bis Donnerstagmittag wurden 121 Strafanzeigen gestellt. Bei etwa drei Viertel der angezeigten Taten hätten die Opfer angegeben, sexuell bedrängt worden zu sein. Bislang wurden zwei Vergewaltigungen angezeigt.
Nach Polizeiangaben vom Donnerstag sind inzwischen 16 Verdächtige ausfindig gemacht worden. Die meisten seien noch nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar, sagte ein Polizeisprecher. Einige Verdächtige - alle nordafrikanischer Herkunft - seien vorübergehend festgenommen worden, jedoch vor allem wegen Diebstählen, teils außerhalb von Köln.
Nach Gewerkschaftsangaben kontrollierte die Polizei in der Silvesternacht am Kölner Bahnhof Dutzende auffällige Männer, von denen ein Teil Flüchtlinge gewesen sein sollen. "Nach meiner Kenntnis wurden mindestens in 80 Fällen Personalien kontrolliert, Menschen festgenommen oder in Gewahrsam genommen", sagte der nordrhein-westfälische Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, der "Welt am Sonntag". "Den Kollegen zufolge wurden von mehreren der kontrollierten Männer Meldebescheinigungen des Bundesamts für Migration vorgelegt. Da waren ganz sicher Flüchtlinge unter den Tätern."
Die Kölner Polizeiführung war bereits zuvor unter Druck geraten. Sie muss sich des Vorwurfs erwehren, Informationen nicht frühzeitig veröffentlicht zu haben. Unter anderem geht aus einem Protokoll eines leitenden Bundespolizisten hervor, dass die Verantwortlichen Ausmaß und Dramatik der Lage in Köln frühzeitig gekannt haben müssen.