Türkisch-deutsche Beziehungen
Migration und Waffenexporte: Scholz besucht Erdogan
19. Oktober 2024, 8:01 Uhr
Migration, die Kriege gegen die Ukraine und im Nahen Osten sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit: Diese Themen werden im Mittelpunkt stehen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am Nachmittag in Istanbul vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan empfangen wird. Der Kanzler will verstärkt abgelehnte Asylbewerber in die Türkei abschieben. Aber auch Erdogan geht mit Wünschen in das Gespräch. Er will unter anderem die deutsche Zustimmung zur Lieferung von 40 Eurofighter Kampfjets. Konfrontativ könnte es beim Thema Nahost werden.
Scholz hat versprochen, Migranten ohne Bleiberecht "in großem Stil" abschieben zu wollen. Die Türkei zählt neben Syrien und Afghanistan zu den Ländern, bei denen es um die größten Zahlen geht. Ende September waren laut Bundesregierung 15.789 türkische Staatsangehörige ausreisepflichtig, 1200 mehr als 5 Monate zuvor. Dem stehen 441 Abschiebungen in der ersten Jahreshälfte gegenüber. Jetzt soll mehr Tempo gemacht werden. "Wir haben jetzt erreicht, dass Rückführungen in die Türkei schneller und effektiver erfolgen können und die Türkei Staatsbürger, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, schneller zurücknimmt", kündigte Innenministerin Nancy Faeser im September in einem Interview der Funke-Mediengruppe an.
Die Türkei könnte auch bei einem anderen Thema hilfreich sein. Die Bundesregierung will nicht nur nach Afghanistan, sondern auch nach Syrien wieder Straftäter abschieben. Dafür sucht sie Kooperationspartner in der Nachbarschaft. Die türkische Regierung hat Kontakte zum syrischen Machthaber Baschar al-Assad und hält Gebiete im Norden des Landes besetzt. Menschenrechtler halten der Türkei vor, bereits jetzt illegal dorthin abzuschieben. Die türkische Regierung weist das zurück.
Beim Thema Rüstungsexporte zeichnet sich ein Kurswechsel Deutschlands ab. 2016 verhängte die Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Reaktion auf den türkischen Einmarsch in Nordsyrien einen teilweisen Rüstungsexportstopp. Seitdem wurden nur noch sehr sporadisch Genehmigungen für den Nato-Partner erteilt. Ende September wurde aber bekannt, dass der Bundessicherheitsrat drei deutschen Rüstungsunternehmen die Lieferung von mehr als hundert Lenkflugkörpern, 28 Torpedos und weiteren Rüstungsgütern für die türkische Marine genehmigt hat.
Der Politikwissenschaftler Yasar Aydin von der Stiftung Wissenschaft und Politik nennt das eine logische Konsequenz aus der aktuellen geopolitischen Lage. Es sei schwer, der Türkei Waffenlieferungen zu versagen, wenn es um den Aufbau der türkischen Marine gehe, die im Schwarzen Meer ein Gegengewicht zur russischen bilde, sagt er.
Es gibt aber auch türkische Wünsche für die Luftwaffe. Derzeit verhandeln die Türkei und Großbritannien über die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets. Deutschland ist an der Produktion beteiligt und müsste seine Zustimmung erteilen. Beim EU-Gipfel in Brüssel zeigte sich Scholz zumindest damit einverstanden, dass verhandelt wird. Eine Zustimmung ist das aber noch nicht. "Wir sind aber natürlich auch klar in der Frage, ob wir das aufhalten würden oder nicht", sagte der Kanzler. "Das ist aber ganz früh am Anfang, und deshalb haben wir gesagt: Verhandelt einmal."
Bundeskanzler Olaf Scholz wirbt seit einigen Wochen verstärkt für eine weitere Ukraine-Friedenskonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen soll. Erdogan könnte da hilfreich sein. Er führt regelmäßig Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und war auch in der Vergangenheit Ausrichter indirekter Verhandlungen der Ukraine und Russlands. Die Türkei hat auch bei dem nun aufgegebenen Korridor zur Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer vermittelt.
Größeres Konfliktpotenzial birgt das Thema Nahost. Während Deutschland fest an der Seite Israels steht, nennt Erdogan das Land einen "Terrorstaat". Die Hamas betitelt er dagegen als "Befreiungsorganisation" und unterhält enge Kontakte zu der Terrororganisation, die auch in der Türkei Netzwerke unterhält.
Der türkische Präsident warf Deutschland zuletzt Doppelmoral vor. Die Forderung nach einer Feuerpause und die gleichzeitige Lieferung von Waffen an Israel sei nicht miteinander vereinbar. Scholz hat angekündigt, Israel weiter Waffen bereitstellen zu wollen. Zwischen März und August hat es aber keine Kriegswaffenexporte aus Deutschland mehr gegeben.
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