Spitzenkandidat für Brüssel
Manfred Weber muss die CSU und Europa retten
26. November 2018, 7:06 Uhr aktualisiert am 26. November 2018, 7:06 Uhr
Manfred Weber wird mit großer Mehrheit zum Spitzenkandidaten der CSU für Brüssel gewählt - der Niederbayer steht mächtig unter Druck.
Brüssel - Die CSU hat am vergangenen Wochenende Geschichte geschrieben. So wenigstens sieht es ihr scheidender Parteichef Horst Seehofer, der damit auf die Nominierung von Parteivize Manfred Weber Bezug nahm.
Denn Weber ist kein CSU-Spitzenkandidat wie üblich. Wenn die Europawahl 2019 für die konservativen Parteien der EU nicht völlig schiefgeht, könnte er sich bald im Chefbüro der EU-Kommission als Nachfolger von Präsident Jean-Claude Juncker wiederfinden. Vor Kurzem war der 46-jährige Niederbayer auch von den Europäischen Volksparteien mit großer Mehrheit zum Spitzenkandidaten gekürt worden.
Manfred Weber: Der Hoffnungsträger der CSU
Weber ist das, was die gebeutelte Partei jetzt braucht: ein Hoffnungsträger. Der, der ihn am Samstag in einer Delegiertenversammlung in München über den grünen Klee genau mit diesen Worten lobte, ist nämlich ein Auslaufmodell: Seehofer will am 19. Januar als Vorsitzender zurücktreten. An diesem Tag soll auf einen Parteitag ein Nachfolger gewählt werden, der nach Lage der Dinge Markus Söder heißen wird. Weber hatte auf eine Kandidatur verzichtet und sich damit noch einmal beliebter gemacht, als er in der Partei schon ist.
Das zeigte das Wahlergebnis, mit dem er auf Nummer Eins der CSU-Europaliste gesetzt wurde. Von 275 Delegierten erhielt Weber 271 Ja-Stimmen. Das sind nicht 100, sondern nur 98,9 Prozent, aber 100-Prozent-Ergebnisse haben seit der Nominierung von Martin Schulz ohnehin einen schalen Beigeschmack.
Mit den "Vorschusslorbeeren" (Weber) hat sich der niederbayerische Europapolitiker hohen Erwartungsdruck aufgeladen. Er weiß das. Von ihm erwartet die CSU, dass er die Serie an Wahlschlappen beendet und - so Weber - diejenigen Lügen straft, die behaupten, die Zeit der Volksparteien sei vorbei. "Ja", sagte Weber, "ich möchte die Trendwende schaffen. Ich möchte Europa führen".
Weber: AfD ist die "deutsche Brexit-Partei"
Vor allem aber muss Weber das vereinte Europa retten. Denn das wird immer mehr durch "Egoismus und Nationalismus" bedroht, analysierte Weber in seiner Rede. Die AfD sei die "deutsche Brexit-Partei". Wer politische und wirtschaftliche Unsicherheit wie derzeit in Großbritannien wolle, der müsse wohl AfD wählen. "Lasst uns gegen diese rechten Typen kämpfen", rief Weber und bekam an dieser Stelle viel Beifall.
"Brücken bauen" statt Mauern, das liege in seiner "DNA", bekannte Weber, zeigte aber auch in verschiedenen Richtungen klare Kante: "Wenn Manfred Weber Kommissionspräsident wird, sichere ich zu, dass die Beitrittsgespräche mit der Türkei beendet werden." Einen Riegel vorschieben will Weber auch dem "Aufkauf von Schlüsselindustrien" durch China: "Ja zu Handel, Nein zu Naivität".
Weber will eine kontrollierte Zuwanderung. Es gehe weder an, die Tür "einfach aufzumachen", wie es die Linken wollten, noch Inhumanität zu praktizieren, wie es die politische Rechte verlange. Auch die notwendigen Verbeugungen vor dem Bauernstand ("Verunglimpfungen werden wir nicht dulden") und dem christlichen Abendland ("Wir müssen klarstellen, was zu Europa gehört") fehlten nicht.
Weber weiß: Der Brüsseler Apparat ist beim europäischen Wahlvolk nicht beliebt. "Ich möchte Europa den Menschen zurückgeben", ist vermutlich ein tragender Satz in Webers Wahlkampf. Die EU dürfe nicht länger als unnahbares "Elitenprojekt" verstanden werden. Dass er selbst nicht "in Hinterzimmern ausgemauschelt" worden sei, wertete Weber als Schritt zur Demokratisierung Europas.
Seehofer freute sich, dass sich die CSU mit Spitzenkandidat Weber als "Europapartei" profilieren kann. Bei der letzten Europawahl hatte es die Partei dem Europa-Skeptiker Peter Gauweiler überlassen, Stimmung gegen die Brüsseler Eurokraten zu machen. Die Kandidatur des überzeugten Europäers beantworte die Frage, ob die CSU europafreundlich sei, tönte Seehofer.