Politik

Hierneis zum schnelleren Abschuss von Bären und Wolf: "Eine Nebelkerze von Söder!"

Gelinde gesagt eine Herausforderung sind die großen Beutegreifer. Das sagt Christian Hierneis, Grüner und Vorsitzender des Bund Naturschutz in München zur Kabinettsentscheidung.


Christian Hierneis.

Christian Hierneis.

Von Heidi Geyer

AZ: Herr Hierneis, soll die Bärin, die den Jogger tödlich verletzt hat, getötet werden?

CHRISTIAN HIERNEIS: Normalerweise geht von Bären kaum Gefahr aus, denn Bären leben meist sehr zurückgezogen. Bei aktuell 17 000 Bären in Europa - ohne den europäischen Teil Russlands - sind nur sehr wenige Fälle von Übergriffen auf Menschen bekannt. Im Bärengebiet im Trentino sind jedes Jahr Zigtausende Wanderer - und sogar ein Wanderschäfer mit 1000 Schafen - unterwegs, ohne dass bisher Vorfälle bekannt wurden. Aber: Auffälliges Verhalten von Bären muss umgehend bewertet werden, und vor allem muss sofort darauf reagiert werden. In diesem konkreten Fall muss die Bärin natürlich entnommen werden, denn Menschenschutz hat oberste Priorität.

War das Bären-Projekt im Trentino sinnvoll?

Braunbären gehören zur ursprünglichen Artenvielfalt in Europa. In vielen Ländern Europas leben Bären. So ein Projekt geht natürlich nicht überall: Es muss der Lebensraum vorhanden sein. In unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft ist ein solches Projekt ausgeschlossen. Im so gut wie nicht besiedelten Nationalpark Parco Naturale Adamello Brenta, dem sogenannten Bärengebiet im Trentino, gibt es diesen Lebensraum für Bären noch.

Muss die dortige Population begrenzt werden?

Man muss eine Begrenzung der Population in Betracht ziehen, wenn die "Tragfähigkeit" des Bärengebietes erreicht ist. Denn dann müssten Bären in größerer Zahl abwandern, um eigene Reviere zu finden. Gerade in diesen dichter besiedelten Landschaften kann es zu Konflikten kommen - diese gilt es von vorneherein zu vermeiden. Andererseits könnte ein Bär auch irgendwohin abwandern, wo es genug Lebensraum und keine Konflikte gibt - das wäre dann unproblematisch. Es handelt sich hier also wie immer um an die Situation angepasste Einzelfallentscheidungen.

Wie stehen Sie dazu, dass sich Bären wieder in Deutschland ansiedeln - wäre das grundsätzlich wünschenswert?

Wir haben den Lebensraum dafür nicht mehr. In dicht besiedelten Kulturlandschaften wie der unseren käme es oft zu Konflikten. Die meisten Bären in Europa leben in weitläufigen, unzerschnittenen und kaum besiedelten Naturräumen. Dass sich auch nur wenige oder einzelne Bären in Deutschland von selbst wieder ansiedeln, halte ich daher für sehr unwahrscheinlich. Eine aktive Ansiedlung durch Menschen ist bei uns in Bayern sowieso ausgeschlossen.

Markus Söder will künftig große Beutegreifer schneller entnehmen - was halten Sie von dieser Entscheidung?

Das ist wieder so eine Nebelkerze Marke Söder, die nur ein Ziel hat: Schlagzeilen bekommen - und von den eigenen Versäumnissen ablenken. Die heutige Ankündigung entbehrt jeder juristischen Grundlage. Dazu müsste erst das EU-Naturschutzrecht geändert werden, das ist nicht auf nationaler Ebene geregelt. Außerdem: Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen in Bayern auffällige Wölfe bereits jetzt entfernt werden - und das passiert auch schon! Söders Aufgabe in Bayern wäre es, dafür zu sorgen, dass die Landwirte in den vom Wolf besiedelten Regionen endlich besser von der Staatsregierung unterstützt werden. Sie sollte die laufenden Kosten für Herdenschutzmaßnahmen komplett übernehmen und eine Förderung der Behirtung in Bayern auf den Weg bringen. Das wäre eine echte Hilfe! Aber wenn es darum geht, wird Markus Söder plötzlich ganz kleinlaut und tut: nichts.