Atomabkommen mit dem Iran
Fragen und Antworten nach dem Trump-Solo
9. Mai 2018, 13:07 Uhr aktualisiert am 9. Mai 2018, 13:07 Uhr
Es ist ein weiterer fulminanter Alleingang von US-Präsident Trump. Er steigt ohne Wenn und Aber aus dem internationalen Atomvertrag mit dem Iran aus. Was hat es mit dem Deal überhaupt auf sich? Fragen und Antworten.
München - Vor drei Jahren verhandelten der Iran, die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats und Deutschland über das Atomprogramm Teherans - das dann verabschiedete Abkommen umfasst mehr als hundert Seiten. Das sind die Kernpunkte.
Stichwort Urananreicherung
Die Anzahl der Gaszentrifugen, mit denen Uran angereichert werden kann, soll laut Abkommen zwei Drittel reduziert werden. 95 Prozent der Bestände an angereichertem Material werden verdünnt oder außer Landes gebracht. So soll sichergestellt werden, dass der Iran mehr als ein Jahr brauchen würde, um das Material für eine Atombombe zusammenzubekommen. Die Regelungen sollen für zehn Jahre gelten.
Irans Präsident Hassan Rohani reagierte in einer Fernsehansprache auf den Rückzug der USA aus dem Atomdeal: Er kündigte Verhandlungen mit anderen Ländern über die Zukunft des Abkommens an. Blieben diese ohne Ergebnis, würde das Land mit der Wiederaufnahme der Urananreicherung "in den nächsten Wochen" beginnen, sagte Rohani. "Wir haben statt eines Abkommens mit sechs Staaten nun eines mit fünf", sagte Rohani. "Wir lassen nicht zu, dass Trump diesen psychologischen Krieg gewinnt."
Die Urananreicherung ist aus Sicht der Chemiker die wichtigste großtechnische Isotopentrennung. Sie dient zur Herstellung der Kernbrennstoffe für Kernreaktoren und für Kernwaffen. Als Nebenprodukt der Anreicherung entsteht abgereichertes Uran. Im Falle der Anreicherung zu zivilen Zwecken fallen etwa 5,5 Tonnen abgereichertes Uran je Tonne Kernbrennstoff an. Das abgereicherte Uran wird unter anderem wegen seiner hohen Dichte in Ausgleichsgewichten für Flugzeugtragflächen und Renn-Yachten, zur Neutronen-Abschirmung und militärisch in Uranmunition verwendet.
Stichwort Transparenz
In dem Abkommen unterwirft sich Iran den Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde auch nach den Regeln des Zusatzprotokolls zum Nichtverbreitungsvertrag, das unter anderem kurzfristig angekündigte Kontrollen vorsieht. Das gilt ohne zeitliche Beschränkung.
Stichwort Arak
Der Schwerwasserreaktor Arak musste so umgebaut werden, dass er nicht zum Erzeugen von waffenfähigem Plutonium genutzt werden kann. Der bisherige, Bedenken hervorrufende Reaktorkern wird ausgebaut und außer Landes geschafft. Neue Schwerwasserreaktoren werden nicht gebaut.
Stichwort Sanktionen
Wenn die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO; englisch International Atomic Energy Agency, IAEA) - das ist eine autonome wissenschaftlich-technische Organisation, die innerhalb des Systems der Vereinten Nationen einen besonderen Status innehat - bestätigt, dass Iran seine Verpflichtungen erfüllt hat, werden als erstes die Wirtschaftssanktionen aufgehoben.
Fragen und Antworten rund um den Atomdeal mit dem Iran
Nach dem Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran wächst die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen sowie einer Eskalation der Spannungen und Kriegsgefahr in Nahost.
Wie ist die rechtliche Lage?
Das Raketenprogramm wurde ebenso wie andere Streitfragen bei den Atomverhandlungen ausgespart, um die Gespräche nicht weiter zu erschweren. Die UN-Sicherheitsratsresolution 2231, mit der das Atomabkommen im Juli 2015 international bindend wurde, ruft den Iran aber auf, keine ballistischen Raketen zu entwickeln, die Atomsprengköpfe tragen können.
Was für Raketen besitzt der Iran?
Nach den traumatischen irakischen Raketenangriffen auf iranische Städte während des Iran-Irak-Kriegs in den 1980-er Jahren begann Teheran, selbst Raketen zur Abschreckung und Verteidigung zu bauen. Mit Hilfe Libyens, Syriens und Nordkoreas entwickelte der Iran seitdem unter Umgehung eines internationalen Waffenembargos Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern. Ihre Zahl, Zuverlässigkeit und Treffgenauigkeit sind umstritten.
Was ist die Haltung Teherans?
Für den Iran ist das Raketenprogramm nicht verhandelbar. Er sieht es als unverzichtbar, um sich gegen militärisch deutlich überlegene Gegner wie Israel und die arabischen Golfstaaten verteidigen zu können, die selbst moderne Raketen besitzen. Es ist ihm auch deshalb wichtig, da wegen des bis heute geltenden Waffenembargos die iranische Luftwaffe völlig veraltet ist. Der Iran will auf jeden Fall vermeiden, wie in den 80-er Jahren feindlichen Raketenangriffen hilflos ausgeliefert zu sein.
Hat das Atomabkommen jetzt ohne die USA noch eine Überlebenschance?
Kurzfristig sicherlich. Der Iran und alle anderen Unterzeichner-Länder wollen an der Verpflichtung festhalten, das haben Teheran, die Europäer und auch Moskau nur Minuten nach Trumps Entscheidung unmissverständlich erklärt. Nur: Der Iran wird um die wirtschaftlichen Früchte gebracht, die er sich durch die Einhaltung des Abkommens erhofft hatte. Wenn die Führung in Teheran merkt, dass sie keinen Nutzen mehr hat, könnte der Deal langsam aber sicher in sich zusammenfallen - schon allein wegen innenpolitischen Drucks der Hardliner im Iran.
Was wollen die USA mit dem Schritt bezwecken?
Donald Trump sieht im Iran eine große Gefahr - seine ganze Nahostpolitik ist von der Auseinandersetzung mit dem Iran geprägt. Ziel ist es, dem Land nicht nur die Mittel zur Entwicklung einer Atomwaffe zu nehmen, sondern den Iran insgesamt zurechtzustutzen, ihm keinesfalls die Vormachtstellung in Nahost zu gewähren. Iranische Einmischungen im Jemen, im Libanon, in Syrien, die von Jerusalem betonte Bedrohung Israels - all das soll möglichst aufhören. Zuletzt kam in Washington auch mehr und mehr die These auf, Trump wolle einen Machtwechsel in Teheran erzwingen. Ob dies mit nicht-militärischen Mitteln möglich wäre, gilt als sehr fraglich.
Sendet Trump Zeichen, was er vorhat?
Nur wenige. Selbst europäische Diplomaten verließen diese Woche kopfschüttelnd das Weiße Haus und wurden mit den Worten zitiert: "Wir würden es gerne verstehen." Trump betont, er habe den von seinem Vorgänger Barack Obama zu verantwortenden Deal beendet, um eine "neue Außenpolitik zu starten, die den Iran tatsächlich vom Erlangen einer Atomwaffe abhält". Ob das konkret heißt, dass die Waffen sprechen werden - das steht in den Sternen. Trumps Vorgänger Obama ist nicht der einzige namhafte Politiker, der eine konkrete Kriegsgefahr sieht. Möglich erscheint aber auch, dass Trump ähnlich wie in Nordkorea eine maximale Drohkulisse aufbauen will, um den Iran letztlich zum Einlenken zu bewegen.
Wie will die EU den Iran trotz der Entscheidung von Trump an Bord halten?
Sie dürfte in den kommenden Wochen versuchen, die wirtschaftlichen Konsequenzen der US-Sanktionen für den Iran so weit wie möglich zu begrenzen. Denkbar ist zum Beispiel, dass ein Abwehrgesetz reaktiviert wird, das bereits 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen worden war. Über das sogenannte "Blocking Statute" könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für möglicherweise entstehende Kosten und Verluste entschädigt werden. Zudem sind eine Unterstützung des Irans durch die Europäische Investitionsbank (EIB) und Hilfen für kleine und mittlere EU-Unternehmen im Gespräch, die sich vorstellen können, im Iran zu investieren.
Kann so ein Abwehrgesetz wirklich funktionieren?
Das ist zumindest zweifelhaft. Wenn zum Beispiel europäische Banken den Zugang zum US-Markt verlieren würden, weil sie Geschäfte mit dem Iran machen, dürfte die finanziellen Konsequenzen auch in der EU kaum jemand tragen wollen. Solche Unternehmen könnten zwar von der Anwendung des Abwehrgesetzes ausgenommen werden, dann würde der Iran die US-Sanktionen aber vermutlich stark zu spüren bekommen.
Gibt es Klagemöglichkeiten?
Theoretisch könnte die EU eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO einreichen. In EU-Kreisen wird allerdings bezweifelt, dass ein solcher Schritt erfolgversprechend ist, da "Sicherheitsinteressen" eine Abweichung von WTO-Regeln erlauben können.
Kann die EU etwas tun, um Trump doch noch zum Umdenken zu bewegen?
In der EU wird erwogen, den Druck auf den Iran in Bereichen zu erhöhen, die nichts mit dem Atomdeal zu tun haben. So setzen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien dafür ein, neue Sanktionen gegen Personen, Organisationen und Unternehmen zu erlassen, die für die aus EU-Sicht konfliktfördernde Politik des Irans verantwortlich sind oder diese federführend umsetzen. Andere EU-Staaten befürchteten bislang jedoch, dass neue Sanktionen gegen den Iran eher eine Gefahr als eine Chance für die Rettungsversuche für das Atomabkommens darstellen.