Politik
Die Lehren nach Eva Kaili: Wer folgt nach dem Korruptionsskandal?
12. Januar 2023, 18:07 Uhr aktualisiert am 12. Januar 2023, 18:07 Uhr
Als sich die Landwirtschaftsexperten des EU-Parlaments am Montag zu ihrer Ausschuss-Sitzung trafen, ging es um spanische Oliven, den Umgang mit US-Zöllen und auch um eine mögliche Aufstockung des Agrarhaushalts. Vordergründig.
Im Hintergrund war die Anwesenheit des belgischen Abgeordneten Marc Tarabella Anlass für Tuscheleien. Denn dass der Sozialdemokrat zur Sitzung des Landwirtschaftsausschusses erschien und zwei Mal das Wort ergriff, sorgte bei einigen dann doch zumindest für Erstaunen.
Reagiert die sozialdemokratische Fraktion (S&D) mit der versprochenen Härte und ausreichendem Fingerspitzengefühl auf die jüngsten Enthüllungen im Korruptionsskandal, der das EU-Parlament seit Dezember erschüttert? Vergangene Woche wurde bekannt, dass die belgische Justiz beim Europaparlament einen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Tarabella gestellt hat.
Der Grund: Tarabella ist mutmaßlich in die Affäre um Katar und Marokko verwickelt, die Europaabgeordnete mit Geld und Geschenken bestochen haben sollen, um Entscheidungen zu beeinflussen. Im Rahmen mehrerer Razzien im Dezember hatte die Polizei auch die Privaträume des 59-Jährigen durchsucht. Laut Behörden wurde kein Geld gefunden - und Tarabella dementiert die Anschuldigungen.
Derweil dauert die Aufarbeitung des Skandals an, in dessen Mittelpunkt die mittlerweile abgesetzte Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili steht. Bei der griechischen Sozialdemokratin hatten die belgischen Ermittler Hunderttausende von Euro in bar entdeckt. Sie sitzt in Untersuchungshaft genauso wie der ehemalige italienische Abgeordnete Pier Antonio Panzeri.
Nächsten Mittwoch soll das Parlament im Plenum darüber abstimmen, wer die Nachfolge von Kaili antreten soll. Gemäß einer Vereinbarung zwischen der christdemokratischen EVP-Fraktion und der S&D wird erwartet, dass abermals die Sozialdemokraten zum Zug kommen.
Der Luxemburger Marc Angel hat gerade seine Kandidatur für den Posten des Vizepräsidenten angekündigt - für die Parteikollegen die richtige Besetzung. Er sei "ein Teamplayer, Menschenrechtskämpfer und ausgewiesener Sozialpolitiker in unserer Fraktion", sagte der SPD-Europaparlamentarier Jens Geier, und stehe "für Transparenz und aktive Korruptionsbekämpfung".
Unterdessen plant Roberta Metsola, die Chefin der Abgeordnetenkammer, die Transparenzregeln nachzuschärfen. Ein 14-Punkte-Plan soll helfen, "das angeschlagene Vertrauen der Bürger" wiederherzustellen, wie sie schrieb. Gestern beriet die Parlamentspräsidentin die Maßnahmen mit den Fraktionschefs. Der laut ihren Worten "erste Reformschritt" sieht unter anderem vor, dass die Volksvertreter alle Treffen mit Interessengruppen deklarieren müssen und ausgeschiedenen Abgeordneten eine Phase zur parlamentarischen Abkühlung aufgezwungen wird.
Sie dürften dann während einer zweijährigen Übergangszeit keine Lobbyarbeit im Hohen Haus betreiben dürfen. Metsola fordert außerdem, dass sowohl Geschenke an die Gesetzgeber transparenter gemacht als auch Details stärker beleuchtet werden, darüber, wen die Parlamentarier dienstlich treffen oder wer sie zu Reisen einlädt.
Die Europäische Volkspartei (EVP) begrüßte die von Metsola präsentierten Vorschläge. "Sie sind wichtige Schritte in die richtige Richtung", sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU) der AZ. Aber weitere Maßnahmen seien notwendig, um "die vollständigen Konsequenzen" aus Katargate zu ziehen. "Es braucht beispielsweise Möglichkeiten, um im Falle eines bestätigten Fehlverhaltens Rentenansprüche von korrupten Abgeordneten zu streichen."
Über die Umsetzung von Metsolas Empfehlungen muss das Parlament entscheiden. Sie zielen auch auf die Freundschaftsgruppen, die immer wieder Anlass zur Kritik sind. Darin pflegen Politiker informelle Beziehungen zu bestimmten Staaten, ohne dass sie aber Regeln unterworfen wären. Metsolas Plan sieht vor, solche bilateralen Vernetzungen mit Nicht-EU-Ländern zu verbieten.
SPD-Mann Geier forderte dagegen, man müsse die Freundschaftsgruppen regulieren. "Sie dürfen nicht das trojanische Pferd für eine Neben-Außenpolitik sein."