Nach den Landtagswahlen

Ampel will durchhalten - Scholz unter Druck


sized

Nach dem Wahldebakel: SPD-Spitzenleute verlassen ihre Pressekonferenz

Von dpa

Trotz ihres Wahldebakels in Thüringen und Sachsen haben sich die drei Ampel-Parteien zur Fortführung ihres Regierungsbündnisses auf Bundesebene bekannt. Die SPD-Führung stärkte ihrem angeschlagenen Kanzler Olaf Scholz den Rücken und forderte von FDP und Grünen mehr Disziplin. Einzelne FDP-Politiker fingen aber schon wieder an zu zündeln und stellten einen Verbleib in der Koalition in Frage. Parteichef Christian Lindner wies sie allerdings in die Schranken.

Die Ampel-Parteien hatten am Sonntagabend bei den Wahlen in den beiden ostdeutschen Bundesländern ein beispielloses Debakel erlitten. Noch nie schnitten die Regierungsparteien im Bund bei Landtagswahlen zusammen so schlecht ab. In Thüringen kamen sie nur noch auf 10,4 Prozent, in Sachsen auf 13,3. In Thüringen sind sie damit gemeinsam sogar schwächer als das gerade erst gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) alleine. Die AfD ist dort mehr als drei Mal so stark wie die gesamte Ampel.

Die SPD reagierte trotzdem mit einer Mischung aus Erschütterung und Erleichterung auf die Wahlergebnisse. Sie hatte befürchtet, sogar unter die 5-Prozent-Hürde zu rutschen. Kanzler Olaf Scholz nannte das Ergebnis deswegen zwar "bitter" für seine Partei, wies aber auch darauf hin, dass sich die "düsteren Prognosen" nicht bewahrheitet hätten. Die SPD habe zusammengehalten und einen guten Wahlkampf geführt. "Es zeigt sich: Kämpfen lohnt. Jetzt geht es darum, stetig um mehr und neue Zustimmung zu werben."

Selbstkritik? Fehlanzeige. Wie schon bei der Europawahl im Mai, als die SPD mit 13,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei nationalen Wahlen seit mehr als 130 Jahren erzielte. Damals ließ sich Scholz im Wahlkampf unter dem Schlagwort "Frieden" plakatieren. Auch bei den Landtagswahlen waren bundespolitische Themen wie der Ukraine-Krieg und Migration wichtig. In beiden Ländern fuhr die SPD ihre schlechtesten Ergebnisse seit 1990 ein, in Thüringen mit 6,1 Prozent sogar das schlechteste bei einer Landtagswahl überhaupt.

Dass auf der anderen Seite das Erstarken der politischen Ränder mit der AfD über 30 und dem BSW mit zweistelligen Werten zu verzeichnen ist, sorgt auch international für Aufsehen. Die Schuld wird überwiegend bei der Ampel gesehen. "Die Wähler haben die Nase voll von Olaf Scholz und einer Koalition, die Migration nicht steuern kann und sich trotz des greifbaren und wachsenden wirtschaftlichen Schadens an Klimazielen festklammert", schreibt etwa das amerikanische "Wall Street Journal". Und die Brüsseler Ausgabe von "Politico" kommentiert: "Das Ergebnis ist ein weiterer Nagel im politischen Sarg von Kanzler Olaf Scholz."

SPD-Chefin Esken nahm den Kanzler gegen alle Zweifler in Schutz. "Olaf Scholz ist unser starker Bundeskanzler und er wird unser starker Kanzlerkandidat sein", sagte sie im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Wie bei der vergangenen Bundestagswahl werde es der SPD auch dieses Mal gelingen, in den letzten Monaten den Wind zu drehen.

Zugleich richtete sie mahnende Worte an die Koalitionspartner von Grünen und FDP. Alle Ampel-Parteien, besonders aber diese beiden, müssten aus dem Wahlergebnis die Motivation ziehen, öffentlichen Streit zu beenden. Zu oft würden gute Beschlüsse am nächsten Tag bereits relativiert. "Das muss aufhören, das müssen die Kolleginnen und Kollegen auch verstehen", sagte Esken.

Als sie es sagte, waren die ersten Querschüsse aus der FDP aber längst gefallen. Der thüringische Spitzenkandidat Thomas Kemmerich forderte den Ausstieg aus der Ampel, und auch Parteivize Wolfgang Kubicki meinte: "Die Ampel hat ihre Legitimation verloren." Linder wies die Forderung Kemmerichs allerdings zurück: "Hier haben wir unterschiedliche Auffassungen." Der FDP-Chef wies darauf hin, dass es noch ausstehende Projekte der Koalition gibt wie die Wachstumsinitiative für die Wirtschaft. "Es ist besser, diese Maßnahmen kommen jetzt, als dass sie nicht kommen", sagte er. Mit anderen Worten: Die Ampel ist immer noch besser als nichts.

Auch das Bekenntnis der Grünen-Chefin Ricarda Lang zur Koalition klingt eher nach Durchhalten als nach einem Aufbruch: "Wir stehen zu unserer Verantwortung, die wir haben. Wir haben Verantwortung für vier Jahre übernommen und sind auch weiterhin bereit, der gerecht zu werden."

Vielleicht reißt sich die Koalition zumindest für die nächsten drei Wochen zusammen. Denn dann steht für sie der nächste Crash-Test in Brandenburg an. Die Landtagswahl dort ist vor allem für die SPD ziemlich wichtig, weil sie in Potsdam seit 1990 alle Ministerpräsidenten gestellt hat. Sollte der jetzige Regierungschef Dietmar Woidke nun nach elf Jahren an der Macht scheitern, könnte sich in der SPD die Diskussion Bahn brechen, ob nicht doch der viel beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Kanzlerkandidat werden sollte.

Ihre Kanzlerkandidatur muss nach der Brandenburg-Wahl auch die Union klären. Friedrich Merz hat die beste Ausgangsposition, aber CSU-Chef Markus Söder läuft sich an der Seitenlinie warm. "Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt. Aber ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen", sagte Söder nach den beiden Wahlen in Ostdeutschland auf der Gillamoos-Festwiese im niederbayerischen Abensberg. Gleichzeitig versprach er erneut, dass ein Hauen und Stechen innerhalb der Union - wie 2021 in seiner Auseinandersetzung mit Armin Laschet - nicht infrage komme. "Damals war es schlicht und einfach der falsche Kandidat."

Die AfD nutzte unterdessen ihre Wahlerfolge in Thüringen und Sachsen, um ihre bundespolitischen Ambitionen zu unterstreichen. "Insgesamt muss es natürlich darum gehen, dass wir irgendwann auch auf Bundesebene stärkste Kraft werden", sagte Parteichef Tino Chrupalla. "Diese blaue Welle muss vom Osten in den Westen kommen, in die alten Bundesländer."


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.