Migration

Ampel-Koalition streitet über Zurückweisungen an Grenzen


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Laut einer Umfrage will eine große Mehrheit eine grundsätzlich andere Flüchtlingspolitik (Archivbild).

Von dpa

Die Unionsforderung nach Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen sorgt für Zwist unter den Ampel-Parteien. Der Grünen-Politiker Erik Marquardt forderte in der Debatte mehr Präsenz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Er muss aufpassen, dass er nicht den Eindruck erweckt, im Sekretariat von Friedrich Merz zu sitzen. Ich würde mir da Führung wünschen", sagte der Europaabgeordnete den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warf dagegen den Grünen eine "Verweigerungshaltung" in der Migrationspolitik vor.

Am Dienstag hatten Bundesregierung, die Union als größte Oppositionskraft und die Bundesländer über Migration und innere Sicherheit beraten. CDU-Chef Merz sagte danach, die Union und die von CDU und CSU regierten Bundesländer wollten nur in weitere Gespräche gehen, wenn Migranten an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden. Am Mittwochabend setzte er eine Frist bis nächsten Dienstag für eine "verbindliche Erklärung" der Bundesregierung.

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Im Streit um Zurückweisungen an den Grenzen fordert der Grünen-Politiker Erik Marquardt den Kanzler zu mehr Führung auf.

Am Donnerstag wiederholte er dieses Ultimatum allerdings nicht: "Wir brauchen hier keine langen Diskussionen mehr. Und deswegen habe ich eine Bitte geäußert, nämlich, dass wir jetzt schnell entscheiden", sagte Merz zum Auftakt einer Klausurtagung der Unionsfraktionsspitze.

Marquardt sagte, Polen mache an der belarussischen Grenze genau das, was Merz an der deutsch-polnischen Grenze wolle. "Es führt nur nicht dazu, dass weniger Menschen kommen." Man müsse Migrationspolitik viel stärker europäisch diskutieren. Die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang sagte "Politico", das "unseriöse Verhalten" von Merz zeige, dass es ihm nicht um ernsthafte Lösungen gehe.

Ähnlich äußerte sich die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg. "Rechtswidrige Forderungen sind kein konstruktiver Beitrag zur Debatte", sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung der "Süddeutschen Zeitung".

Die Grüne Jugend verlangte derweil einen Abbruch der Gespräche mit der Union: "Nach den bisher bekannten Äußerungen gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, diese Gespräche weiterzuführen", sagte die Co-Sprecherin der Jugendorganisation, Katharina Stolla, dem Nachrichtenportal ZDFheute.de. Es sei von Anfang an absehbar gewesen, dass die Union die Ampel nur noch weiter nach rechts treiben wolle.

FDP-Generalsekretär Djir-Sarai kritisierte die Grünen scharf: "Die Grünen sollten sich selbst fragen, ob sie noch fähig dazu sind, den zentralen Herausforderungen des Landes als Regierungspartei entgegenzutreten", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Parteichef Christian Lindner zeigte sich besorgt über die Haltung des Koalitionspartners. "Ich bedauere, dass sich die Grünen jetzt schon öffentlich, obwohl es laufende Gespräche gibt, gegen die Zurückweisung an den deutschen Grenzen ausgesprochen haben. Das ist nicht hilfreich für die Gespräche, die die Regierung mit Ländern und der CDU-Opposition führt", sagte er der ARD.

Im Sender Welt TV kritisierte Lindner die Ansage des CDU-Chefs. "Bei den Ultimaten von Friedrich Merz würde ich mir etwas mehr Demut wünschen. Schließlich gibt es auch Vollzugsdefizite in CDU geführten Ländern wie Nordrhein-Westfalen."

Für eine Begrenzung der Migration nach Deutschland halten einer Umfrage zufolge drei von vier Befragten (77 Prozent) eine grundsätzlich andere Asyl- und Flüchtlingspolitik für notwendig. 18 Prozent finden nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend eine solche Wende unnötig.

Die größte Zustimmung für gravierende Änderungen in der Flüchtlingspolitik gibt es unter Anhängern der AfD (97 Prozent), des BSW (91 Prozent) und von CDU/CSU (86 Prozent). Aber auch unter SPD-Anhängern spricht sich laut der repräsentativen Umfrage von infratest dimap eine klare Mehrheit von 65 Prozent für deutliche Änderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik aus. Die Anhängerschaft der Grünen ist in dieser Frage gespalten: 48 Prozent stimmten zu, 46 Prozent nicht.

Die Umfrage ergab zudem, dass die Themen Zuwanderung und Flucht in der Problemwahrnehmung der Deutschen weiter gestiegen sind. So nennt etwa jeder Zweite (48 Prozent) diesen Komplex als eines der beiden wichtigsten politischen Probleme, um die sich die Politik kümmern muss. Das sind 22 Prozentpunkte mehr als noch im April. Dahinter folgt das Thema Wirtschaft (20 Prozent nach 19 im April).

Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messeranschlag mit drei Toten in Solingen Ende August befürworten 73 Prozent die Einführung dauerhafter Kontrollen an deutschen Grenzen. Fast ebenso viele (72 Prozent) sind dafür, die Sicherheitsbehörden mit mehr Befugnissen auszustatten. Ein noch größerer Anteil (82 Prozent) hält einen Ausbau von Prävention und Aufklärung über radikalen Islamismus, etwa an Schulen und Flüchtlingseinrichtungen für nützlich.

Für die Erhebung wurden von Dienstag bis Mittwoch dieser Woche 1.309 Wahlberechtigte ab 18 Jahren befragt.


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