Interview
Sommerreifen auf Schnee: "Mit Klapperln beim Bergsteigen"
28. April 2017, 17:05 Uhr aktualisiert am 28. April 2017, 17:05 Uhr
Der Wintereinbruch hat so manchen Autofahrer in der vergangenen Woche kalt erwischt. Viele haben schon Sommerreifen auf dem Auto, doch in höheren Lagen, etwa im Bayerischen Wald, blieb der Schnee wieder auf der Fahrbahn liegen. Was sollen Autofahrer in so einer Situation tun? Wir haben bei Thomas Schwarz (53) nachgefragt. Er ist Fahrzeugtechniker beim ADAC und hat in der Vergangenheit auch in der Reifenentwicklung gearbeitet.
Herr Schwarz, was blüht Autofahrern, wenn sie von der Polizei mit Sommerreifen auf schneebedeckter Fahrbahn erwischt werden?
Thomas Schwarz: Die Vorgaben wurden immer wieder geändert. Ende 2005 gab es die Winterreifenverordnung, die zuletzt 2010 präzisiert wurde. Vorgesehen ist eine Strafe von 60 Euro und einem Punkt, bei Behinderung des Verkehrs sind es 80 Euro.
Ist es denn wirklich so gefährlich, mit Sommerreifen auf Schnee zu fahren?
Thomas Schwarz: Das ist klipp und klar so. Es ist ein großes Risiko und unverantwortlich, mit den falschen Reifen auf schneebedeckter Fahrbahn unterwegs zu sein. Der Bremsweg verlängert sich stark, das Auto kann ins Schleudern kommen, weil die Hinterachse keine Haftung hat. Ein Laie kann das Auto dann nicht mehr kontrollieren. Und selbst ein Profi kann ein Fahrzeug in so einer Situation nur mehr bedingt unter Kontrolle bringen. Mit Sommerreifen auf Schnee zu fahren ist wie Bergsteigen mit Klapperl.
Was sollen dann diejenigen machen, die schon auf Sommerreifen umgestiegen sind, und nun wieder vereinzelt mit schneebedeckten Straßen konfrontiert sind? Sollen die denn wieder auf Winterreifen wechseln?
Thomas Schwarz: Vielleicht kann man in so einer Situation auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen oder sich mit Fahrgemeinschaften behelfen. Für diejenigen Familien, in denen es zwei Autos gibt, empfielt es sich eventuell, an einem der Fahrzeuge erst später die Sommerreifen aufziehen zu lassen. Aber wenn es gar nicht anders geht, dann müssen eben wieder die Winterreifen drauf - oder man nimmt sich nach Möglichkeit einen Tag Auszeit. Eine Kollegin hat zuletzt beispielsweise einen Tag Urlaub genommen, weil sie nur ein Auto zur Verfügung hatte, auf dem bereits Sommerreifen waren. Man muss sich immer vor Augen führen, was passieren kann. Wenn man die Kontrolle über das Auto verliert, dann hat man ganz andere Probleme, wirkliche Probleme.
Ist denn die Kombination aus Schneeketten und Sommerreifen eine Option?
Thomas Schwarz: Nein, das ist keine Option. Zum einen ist man im Hinblick auf eine Strafe dann genauso fällig - Schneeketten sind im Bedarfsfall als Zusatz für Winterreifen gedacht. Zum anderen hat man die Ketten ja nur auf einer Achse.
Wie sieht es denn mit dem Versicherungsschutz bei einem Unfall aus, wenn man mit Sommerreifen auf Schnee unterwegs ist?
Thomas Schwarz: Höchstwahrscheinlich wird der Fahrzeugführer regresspflichtig gemacht, denn es liegt grobe Fahrlässigkeit vor.
Haben Sie denn selbst schon die Sommerreifen am Auto?
Thomas Schwarz: Wir empfehlen ja eigentlich von "O" bis "O". [Anm. d. Red.: von Ostern bis Oktober; die Faustregel für die Zeit, in der man mit Sommerreifen fahren kann.] Allerdings habe ich noch gewartet: Als Motorradfahrer bin ich sehr aufmerksam, was die Witterung betrifft. Ich weiß aus Erfahrung, dass es meist ein kurzes Hoch gibt, einen Sommereinbruch, bevor es nochmal kälter wird. Daher lasse ich mir Zeit.
Der ADAC gibt auf seiner Seite Empfehlungen zu diesem Thema, etwa auch zu Allwetter- beziehungsweise Ganzjahresreifen und weiteren Themen: Fragen und Antworten zu Winterreifen in Deutschland.