Wien

Österreich schafft Obergrenze für Asylbewerber


Österreich schafft Obergrenze für Asylbewerber.

Österreich schafft Obergrenze für Asylbewerber.

Die Alpenrepublik macht Ernst. Wochenlang hieß es angesichts des anhaltenden Flüchtlingsandrangs: "So kann es nicht weitergehen." Jetzt sollen es Obergrenzen richten. Gauck schlägt mit einer ernsten Kritik zurück.

Mit einer Obergrenze will Österreich den Asylbewerberandrang drosseln und so die Europäische Union in der Flüchtlingskrise unter Zugzwang setzen. Die CSU sah sich vor dem Kreuth-Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel in ihrem Kurs für eine strikte Begrenzung der Flüchtlingszahlen bestärkt. Bundespräsident Joachim Gauck rief die EU im schweizerischen Davos auf, die über Jahrzehnte gewachsene Gemeinschaft nicht an der Frage des Zuzugs von Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten scheitern zu lassen.

Die Regierungskoalition in Wien sowie die neun Ministerpräsidenten des Landes einigten sich am Mittwoch darauf, dass bis Mitte 2019 nur noch höchstens insgesamt 127 500 Asylbewerber nach Österreich kommen dürfen. Für das laufende Jahr sieht die Einigung noch 37 500 Flüchtlinge vor. Das wären rund 50 000 weniger als 2015. Was geschehen soll, wenn die Obergrenze überschritten wird, ist noch offen. Dazu sollten zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben werden, kündigte die Regierungsspitze in Wien an. Angedacht sind grenznahe "Wartezonen" für alle, die nach Erreichen der Obergrenze eintreffen.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), der sich lange gegen jede Art von Deckelung gewehrt hatte, bezeichnete die Vorgehensweise als "Notlösung" und "Plan B", der ein "Aufrütteln" der EU bezwecke. "Die große Anzahl an Flüchtlingen überfordert unser System", sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Künftig würden möglicherweise auch Flüchtlinge zurückgewiesen.

Gauck warnte mit drastischen Worten vor einem Ende Europas wegen der Flüchtlingskrise. "Wollen wir wirklich, dass das große historische Werk, das Europa Frieden und Wohlstand gebracht hat, an der Flüchtlingsfrage zerbricht?", sagte der Bundespräsident als Eröffnungsredner der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF). "Niemand, wirklich niemand, kann das wollen."

Scharfe Kritik übte Gauck an der mangelnden Solidarität innerhalb Europas. Es sei zwar verständlich, dass in Ländern Mittelosteuropas die Angst vor Veränderung und die Sorge um die nationale Identität besonders groß seien. "Ich kann aber nur schwer verstehen, wenn ausgerechnet Länder Verfolgten ihre Solidarität entziehen, deren Bürger als politisch Verfolgte einst selbst Solidarität erfahren haben." Zugleich verlangte Gauck eine offene Debatte über die Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen. Dies könne moralisch gerechtfertigt sein und helfen, die Akzeptanz zu erhalten. Für Deutschland rechne er damit, dass "verschiedene Formen von Steuerung und Begrenzung in diesem Jahr greifen".

Die Bundesregierung hielt sich zu den Plänen Österreichs für eine Begrenzung der Asylbewerberzahlen offiziell bedeckt. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) wollte sich nicht näher zu den Folgen äußern: "Welche Auswirkungen sich irgendwann möglicherweise ergeben, das werden wir dann beurteilen, wenn es soweit ist." Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, er wolle die Entscheidung aus Wien nicht kommentieren, unterstrich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur aber zugleich: "Die Bundesregierung setzt weiter auf eine gemeinsame europäische Lösung, die bei den Fluchtursachen ansetzt, um die Zahl der Flüchtlinge spürbar und nachhaltig zu reduzieren."

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte Berlin derweil auf, der Wiener Festlegung einer Obergrenze zu folgen. "Die Österreicher machen's. Also müssen wir es auch machen", sagte er in Wildbad Kreuth am Rande der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion. Diese ging mit klaren Forderungen in ihr Gespräch mit Kanzlerin Merkel am Abend. Die Zahl der Flüchtlinge solle dieses Jahr auf 200 000 begrenzt werden. CSU-Chef Horst Seehofer hatte freilich vorab bereits deutlich gemacht, dass er nicht mit einem Kurswechsel Merkels rechne.

Der niederländische EU-Ratsvorsitz und die EU-Kommission wollen bis zum Frühjahr die Zahlen ankommender Flüchtlinge deutlich senken. "Die Zeit läuft uns davon", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, der das Tätigkeitsprogramm seines Landes am Mittwoch in Straßburg vorstellte. Die EU müsse in den nächsten sechs bis acht Wochen eine deutliche Verringerung der Zahl der ankommenden Migranten erreichen. Die EU-Kommission will nach den Worten ihres Präsidenten Jean-Claude Juncker in den nächsten Wochen einen Plan zur legalen Einwanderung vorlegen. Die drohende Schließung nationaler Grenzen wegen des Andrangs bedrohe die Freizügigkeit im Schengen-Raum.