Acht Jahre Kellerverlies

Natascha Kampusch sucht nach Gefangenschaft die Selbstverwirklichung


Die Österreicherin Natascha Kampusch präsentiert sich am 25. Februar 2013 zur Premiere des Films "3096 Tage" auf dem roten Teppich im Cineplexx Wienerberg in Wien. Kampusch wurde im Alter von zehn Jahren entführt und acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen gehalten.

Die Österreicherin Natascha Kampusch präsentiert sich am 25. Februar 2013 zur Premiere des Films "3096 Tage" auf dem roten Teppich im Cineplexx Wienerberg in Wien. Kampusch wurde im Alter von zehn Jahren entführt und acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen gehalten.

Von Monika Müller

Fünf Quadratmeter klein war das Verlies von Natascha Kampusch im Keller ihres Peinigers. Erst nach acht Jahren Gefangenschaft konnte die Wienerin flüchten. Nun kämpft sie für ein selbstbestimmtes Leben.

Das Drama um Natascha Kampusch hat die ganze Welt bewegt: Als Zehnjährige wurde sie am Schulweg entführt. In einem kleinen Kellerverlies in Niederösterreich wuchs das Mädchen acht Jahre lang zur Frau heran - den sadistischen Machenschaften ihres Peinigers Wolfgang Priklopil ausgeliefert. Der Nachrichtentechniker wollte sich nach Vermutung der Polizei eine ideale Gefährtin erziehen. Mitte August 2006 gelang Kampusch die Flucht. Die heute 28-Jährige versucht nun, ein normales Leben zu führen und die Meinungshoheit über ihre Geschichte zu behalten.

Deshalb geht sie am Mittwoch (11. Mai) juristisch gegen ein neues Buch über ihre Gefangenschaft vor: "Der Entführungsfall Natascha Kampusch - Die ganze beschämende Wahrheit" von Peter Reichard aus dem Münchner Riva-Verlag soll im Epilog ohne ihre Zustimmung Videos beschreiben, die Priklopil damals in seinem Haus gedreht hatte. Kampusch fordert vor dem Landesgericht Köln, dass das Werk in der derzeitigen Form nicht mehr verbreitet werden darf.

Zum zehnten Jahrestag ihrer Flucht im August plant Kampusch, ein eigenes Buch zu veröffentlichen. "10 Jahre Freiheit" soll das Werk heißen. Sie will den Lesern "die wirkliche Natascha Kampusch" zeigen - nicht ihr von Medien geprägtes, öffentliches Bild.

Bereits kurz nach ihrem Ausbruch aus dem Verlies hatte Kampusch erste Interviews gegeben. Sie wollte sich selbst nicht mehr verstecken, sich nicht ein zweites Mal zum Opfer machen. Sie moderierte kurzzeitig ihre eigene Talkshow, schrieb eine Autobiografie und ließ mit ihrer Zustimmung einen Film über ihr Martyrium drehen.

All das kam in Teilen der Öffentlichkeit nicht gut an: Für ihr selbstbewusstes Auftreten musste Kampusch teils viel Kritik einstecken. Sie zog sich zuletzt wieder zurück.

Ihr Alltag gleiche heute dem einer 70-Jährigen, sagte sie kürzlich. "Ich hab' schon so viel erlebt und ich muss etwas ausatmen und mich erden und zur Ruhe kommen", sagte Kampusch im österreichischen Frühstücksfernsehen Puls 4. Zu ihren Eltern hat sie ein schwieriges Verhältnis. Das Haus ihres Peinigers kaufte sie vor einigen Jahren - das Verlies im Keller ließ sie zubetonieren. In Zukunft möchte Kampusch ihr Abitur nachholen und sich karitativen Projekten widmen.

Trotzdem holt Kampusch die Vergangenheit immer wieder ein, nicht nur emotional. Um ihren Fall ranken sich konstant Verschwörungstheorien. Der Bruder eines damaligen Chefermittlers hatte erst Ende Februar wieder Anzeige erstattet. Er habe den Verdacht, dass der Entführer keinen Selbstmord begangen habe, sondern ermordet worden sei. Die Polizei hatte in ihrem Endbericht vom April 2013 keinen Zweifel daran, dass sich der Entführer selbst das Leben nahm.

sized

Ein Handout des österreichischen Bundeskriminalamtes zeigt das Verlies im Keller eines Einfamilienhauses in Strasshof bei Wien, in dem die vor acht Jahren entführte Natascha Kampusch von ihrem Kidnapper gefangen gehalten wurde.

sized

Das Haus, in dem die vermisste Natascha Kampusch gefunden wurde, aufgenommen am 23.08.2006 in Strasshof in Österreich.