Cyberneider
Natascha Kampusch kämpft mit ihrem Buch gegen Hass im Netz
8. Oktober 2019, 18:17 Uhr aktualisiert am 8. Oktober 2019, 18:17 Uhr
Natascha Kampusch berichtet in ihrem Buch von übelsten Anfeindungen in Sozialen Netzwerken - und fordert dagegen eine digitale Polizei.
"Habgierig", "verlogen", "fresssüchtig": Die österreichische Autorin Natascha Kampusch wird seit ihrer Flucht aus einem Kellerverlies in Sozialen Medien und Online-Foren beschimpft und beleidigt. Das berichtet sie in ihrem neu erschienenen Buch.
Viele User hätten ihr den Tod gewünscht, sagte die 31-Jährige. "Am meisten getroffen hat es mich immer, wenn gesagt wurde, dass meine Gefangenschaft nur ein Spaziergang gewesen wäre."
Kampuschs Rat: Cyber-Opfer sollen frühzeitig Behörden einschalten
In ihrem am Dienstag erschienenen Buch "Cyberneider. Diskriminierung im Internet" (Dachbuch Verlag, Wien, 192 Seiten, 19,99 Euro) will Kampusch ihre Erfahrungen teilen und fordert härtere Strafen für Cyber-Mobber.
Eine international agierende "Internet-Polizei" schwebt Kampusch vor, die bei Vergehen sofort eingreifen und Betroffenen helfen soll. Vor allem Frauen würden im Internet häufig zum Ziel von Mobbern werden. Opfer sollten die Angriffe nicht still ertragen, sondern vielmehr dokumentieren und Behörden einschalten, rät die Wienerin.
Kampusch war als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt und mehr als acht Jahre lang in einem Keller gefangengehalten worden. Im August 2006 gelang der damals 18-Jährigen die Flucht. Stunden später brachte sich der Entführer um.
Nach ihrer Entführung zeigte sie sich nicht als gebrochenes Opfer
Dass sie sich nicht als gebrochenes Opfer in der Öffentlichkeit zeige, werde ihr seit ihrer Selbstbefreiung immer wieder vorgeworfen. "Sie sehen mich lächeln und kommen gar nicht auf die Idee, dass ich mich, gerade weil ich so viel Schreckliches durchgemacht habe, so freue, auf der Welt zu sein und meine Freiheit zu genießen", schreibt Kampusch.
Ihr Drama will sie auch mit ihrer neuen Aufgabe als Autorin bewältigen. Ein weiteres Buch sei ebenfalls angedacht. Das Thema wollte Kampusch aber noch nicht verraten. Zudem arbeite sie mit Organisationen zusammen, die sich für Menschen einsetzen, die Diskriminierung im Netz erfahren.
"Man hat mich schon habgierig, mediengeil, verlogen oder fresssüchtig geschimpft", schreibt Kampusch in ihrem dritten Buch. Sie habe lange gebraucht, um sich von diesen Worten nicht mehr verletzen zu lassen. Wieso ihr so viel Hass entgegenschlage, habe sie aber bis heute nicht verstanden. Die Angst, von anderen instrumentalisiert zu werden, sei ein ständiger Begleiter für sie geworden. Oft bemerke sie auch, dass Passanten auf der Straße heimlich Fotos von ihr machten, die später in Medien wieder auftauchten.
Auf Zitate aus dem Netz hat Kampusch in ihrem Buch verzichtet
Kampusch, die selbst auf Twitter und Instagram aktiv ist, wolle sich aber trotz der negativen Seiten nicht gänzlich von Sozialen Medien fernhalten. Sie erhalte auch positive Zusendungen und entdecke gerne Menschen mit interessanten Hobbys und Berufen im Internet. Zudem sehe sie ihre Herzensthemen Umwelt- und Tierschutz im Aufwind: "Ich finde es sehr positiv, dass sich jetzt so viele für Umweltschutz engagieren."
Auf bösartige oder verletzende Zitate ihr gegenüber aus dem Netz habe sie auf den 192 Seiten ihres Buches bewusst verzichtet. "Allerdings habe ich mich dafür entschieden, keiner dieser Hasstiraden unnötig Raum zu geben, denn den haben sich ihre Verfasser wahrlich nicht verdient."
Auch viele weibliche Bundestagsabgeordneten von Hass im Netz betroffen
Auch ein Großteil der weiblichen Abgeordneten im Bundestag sind mit Hass und Bedrohung im Netz konfrontiert. 87 Prozent wurden Opfer von Hassrede - einige gaben an, nahezu täglich damit umgehen zu müssen, wie aus einer Umfrage des ARD-Magazins "Report München" unter Parlamentarierinnen hervorgeht.
Oft sei das Aussehen Thema, auch mit Vergewaltigungen werde gedroht. 57 Prozent der Befragten quer durch alle Parteien haben demnach mit sexistischen Kommentaren zu kämpfen. Der Umfrage zufolge denkt rund jede Zehnte deshalb übers Aufhören nach. Laut Magazin wurden alle 221 weiblichen Bundestagsabgeordneten angeschrieben, 77 antworteten.
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