Reise & Erholung
Amsterdam: Grachten, Kroketten und lange Nächte
23. Dezember 2018, 8:00 Uhr aktualisiert am 23. Dezember 2018, 8:00 Uhr
Diese Stadt ist anders - vor allem anders als die Klischees, die über sie kursieren. Mit beinah einer Million Einwohnern ist Amsterdam eine pulsierende Großstadt. Gleichzeitig wirkt sie auf Schritt und Tritt entspannt und cool - was wahrscheinlich gleichermaßen mit der Mentalität ihrer Bewohner wie auch ihrer Architektur zu tun hat. Ein Kurzurlaub in Europas lässigster Hauptstadt.
Freitag, kurz nach 11 Uhr: Ankunft in Amsterdam Centraal, dem Hauptbahnhof der Stadt. Das geschäftige Treiben auf den Straßen hat lang schon begonnen; die Stadt geht ihrem Tagwerk nach. Schon bei den ersten Schritten aus der Bahnhofshalle öffnen sich Räume: Keine Häuserzeilen, dafür liegt vor uns das tiefblaue IJ, jener ehemalige Meeresarm der Zuidersee, der heute die Amsterdamer Innenstadt von Amsterdam-Nord trennt. Die Überfahrt mit der Fähre ist kostenlos - der Ausblick absolut fesselnd. An der Amsterdamer Skyline zeichnet sich die markante Silhouette des "A'dam Lookout" ab. Das Dach des Hochhauses beherbergt ein 360-Grad-Aussichtsdeck, von dem aus man an klaren Tagen bis Utrecht sehen kann.
Eine weitere Attraktion auf dem Dach des A'dam Lookout ist Europas höchste Schaukel "Over The Edge". Wer sie besteigt, hat das Gefühl, ohne Boden unter Füßen direkt über die Wellen des IJ und die Stadt zu schaukeln. Der Ausflug auf das Aussichtsdeck kostet 13,50 Euro, 20 Minuten auf der Riesenschaukel kosten fünf Euro. Wer Amsterdam noch nicht kennt, ist aber gleichzeitig fasziniert von der Choreographie des Schiffsverkehrs auf IJ. Fähren, Frachtschiffe und Küstenwache ziehen dicht an dicht ihre Bahnen, kommen sich meist bis auf wenige Meter nahe. Wer als Kapitän in Amsterdam fährt, muss Boot fahren können.
Kurze Zwischenstation beim Hostel zur Gepäckabgabe - das Clink Noord befindet sich im Stadtteil Overhoeks und bietet trotz seiner studentischen Atmosphäre eine hochwertige Ausstattung - bei Preisen ab etwa 30 Euro die Nacht.
Die Schätze des "goldenen Zeitalters"
Nach einer weiteren Übersetzung mit der Fähre, zurück ins Amsterdamer Zentrum, reihen wir uns im herbstlichen Sonnenschein in den Strom der Touristen zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt ein. Genau dieser Sonnenschein wird uns im Lauf des Tages kleidungstechnisch vor Herausforderungen stellen - in Kombination mit der kühlen Meeresbrise, die immer wieder durch die Straßen und Gassen zieht, sorgt er immer wieder für gefühlte Temperatursprünge von um die zehn Grad. Vorbei geht's am Palais op de Dam, dem Prachtbau aus dem 17. Jahrhundert, aus dem "goldenen Zeitalter" Amsterdams als Wirtschafts- und Handelszentrum in Europa. Noch heute wird das Palais von der königlichen Familie der Niederlande zu festlichen Anlässen genutzt.
Das große Business findet längst woanders statt - geblieben sind Pracht und Architektur. Und die Kunst. Das "Rijksmuseum", das Reichsmuseum Amsterdam, ist mit seiner umfangreichen Sammlung von Malerei aus dem "goldenen Zeitalter" eine Art inoffizielle Nationalgalerie Hollands. Mindestens genauso interessant ist allerdings das Drumherum, eine Gartenanlage, in der im Sommer - wie könnte es anders sein in Amsterdam - Tulpen wachsen.
Amsterdam als Museumsstadt bietet alles, was der Kulturtourist sich wünscht. Als solcher sehe ich mich nicht, daher fällt meine Sammlung von Museumstipps wohl eher untypisch aus: Neben dem "Rijksmuseum" ist aus meiner Sicht ein Besuch beim Van-Gogh-Museum etwas außerhalb des Grachtengürtels im Süden Pflicht, außerdem das NEMO Museum of Science, direkt am Wasser zwischen Nieuwmarkt und Kattenburg und das Käsemuseum an der Prinsengracht.
Zwischen Craft Bier und Grachten-Booten
So selbstverständlich haben wir uns in den geschäftigen Stadtverkehr der niederländischen Hauptstadt eingereiht, dass uns zunächst gar nicht auffällt, was hier anders ist: Fußgänger und Radfahrer sind selbstbewusst in Amsterdam. Sie nehmen sich Raum, Autos und anderer Verkehr scheinen vor ihnen zurückzuweichen. Die Stadt gibt den ökologischen Fortbewegungsmitteln spürbar großzügig Platz. Breite Fußwege, meist noch breitere Rad-Schnellwege daneben. Die wenigen Autos quetschen sich in der Innenstadt auf schmalen Einbahnstraßen am restlichen Verkehr vorbei. Die Straßen-Architektur gibt die Ordnung vor.
In Amsterdam ist die Zukunft des Verkehrswesens bereits angekommen. Mit ihrem Verkehrskonzept lässt Amsterdam die halbherzigen Versuche vieler deutscher Städte, Fahrrad- und Fußgänger-freundlicher zu werden, reichlich alt aussehen.
Kulinarisch steht Amsterdam anderen europäischen Metropolen in nichts nach. Dem Touristen auf der Suche nach einer Stärkung bietet sich Länderküche aus allen Ecken der Welt an. Es spricht auch nichts dagegen, das zu nutzen - sobald man die traditionelle niederländische Küche probiert hat. Zu Unrecht sind Kroketten, Frikandel-Würstchen und Fritten in Deutschland vor allem als in fett ertränkte Imbissware bekannt. Es lohnt sich aber, sich nicht abschrecken zu lassen: Wer noch nie Kroketten in Amsterdam gegessen hat, weiß nicht, wie lecker sie sein können.
Craft-Bier und Kroketten
Neben der traditionellen niederländischen Küche zelebrieren Restaurants wie das "In de Waag" in Nieuwmarkt oder das "Dwaze Zaken" am Hauptbahnhof vor allem die neue Bierkultur. Die Auswahl an Craft-Bieren und traditionellen holländischen Marken ist riesig und es ist praktisch unmöglich, ein schlechtes Bier zu erwischen. Wer sich nicht entscheiden kann, kann sich mit einem blinden Tipp in die Karte behelfen. Der Kellner bringt garantiert etwas Leckeres.
Den intensivsten Eindruck von der einzigartigen Architektur der Stadt gibt es allerdings bei einer Bootsfahrt auf den Grachten. Die Anlegestelle der Bootstouren ist am Damrak, etwa 15 Minuten Fußweg von der Fähranlegestelle am Bahnhof entfernt. Neben einem Postkarten-tauglichen Blick auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt bieten die Veranstalter eine Reihe von Sonder- und Themenfahrten an, wobei ein engmaschiger Fahrtenplan auch für spontan Entschlossene das Richtige bereithält.
Eine weitere Metamorphose erlebt Amsterdam bei Nacht. Das Nachtleben der Grachtenstadt wird oft zu Unrecht auf das Rotlichtviertel reduziert. In den unzähligen Clubs präsentieren zu später Stunde exzellente DJs vor allem geschmackvolle Elektronik. Unter Fans ist Amsterdam Fans als Elektronik-Hochburg bekannt - man muss aber nicht unbedingt Fan dieser Musik sein, um die einzigartige Atmosphäre dieser Clubs genießen zu können. Die Sperrstunde muss jeder selbst bestimmen - auch hier ist die Stadt, wie bei so vielem, liberal.