Bayerische Staatsoper
Tomás Hanus über die „Verkaufte Braut“
21. Dezember 2018, 16:26 Uhr aktualisiert am 21. Dezember 2018, 16:26 Uhr
Bayerische Staatsoper: Der Dirigent Tomás Hanus über die "Verkaufte Braut" im Nationaltheater
Als zweite Premiere der laufenden Spielzeit bringt die Bayerische Staatsoper am heutigen Samstag die "Verkaufte Braut" von Bedrich Smetana heraus. Selene Zanetti, Pavol Breslik und Günther Groissböck singen die Hauptrollen in dieser Dorfkomödie, die David Bösch in deutscher Sprache inszeniert. Tomás Hanus dirigiert das Bayerische Staatsorchester.
AZ: Herr Hanus, die "Verkaufte Braut" gilt als tschechische Nationaloper. Nehmen das Ihre Landsleute auch so wahr?
TOMÁS HANUS: Nur teilweise. Sie wurde bei vielen offiziellen Anlässen gespielt. Für jüngere Leute ist die "Verkaufte Braut" zum Symbol des vergangenen Regimes geworden - was nichts mit Smetanas wunderbarer Kunst zu tun hat. Dass die Oper zu einer Art Museumsstück geworden ist, erschwert Tschechen den Zugang.
Viele Leute sind überrascht, dass die Bayerische Staatsoper eine deutsche Übersetzung spielt.
Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Der tschechische Text ist sehr poetisch. Aber Smetanas Musik scheint mir künstlerisch wertvoller zu sein als das Libretto von Karel Sabina. Die "Verkaufte Braut" ist in München genauso zu Hause wie in Prag. Daher finde ich eine Aufführung auf Deutsch vertretbar, zumal in Bayern, das an Tschechien grenzt. Davon abgesehen: Smetana hat auch eine deutsche Fassung autorisiert.
Die wurde vor einiger Zeit von Nikolaus Harnoncourt entdeckt. Spielen Sie diese Fassung?
Bei uns bildet die traditionelle Übersetzung von Max Kalbeck die Grundlage. Die auf deutschen Bühnen oft gespielte Version von Kurt Honolka ist zwar dem Original näher, steht aber im Widerspruch zur musikalischen Akzentuierung. Ideal ist keine Version. Daher nehmen wir Kalbeck mit Verbesserungen.
Stimmt es, das Smetana gar nicht besonders gut tschechisch konnte?
Er schrieb seine Briefe und Tagebücher lange auf Deutsch. Smetana ist der Begründer der tschechischen Opern- und Musiktradition, die über Janá(c)ek bis zur Gegenwart weiterwirkt. Für mich steht er aber als Brücke zwischen der deutschen und der tschechischen Musik.
Es gibt vier Fassungen der Oper. Muss man da Entscheidungen fällen?
Die letzte Version mit den Rezitativen ist die maßgebliche, nicht die erste. Smetana hat im Lauf der Jahre viel wertvolle Musik hinzukomponiert, unter anderem die Tänze.
In Augsburg ist derzeit "Dalibor" auf dem Spielplan, trotzdem ist Smetana der Komponist der "Moldau" und der "Verkauften Braut". Was sollte man noch kennen?
Das Klaviertrio g-moll. Smetana hat hervorragende Kammermusik komponiert. Leider wurde er in seinen produktivsten Jahren taub und konnte im Zyklus "Mein Vaterland" keinen Akkord kontrollieren. Seine Oper "Dalibor" enthält viel sehr schöne Musik. Ich schätze besonders "Die Teufelswand", ein fantasiereiches Märchen mit sehr dissonanten Harmonien. Es zeigt, was wir bekommen hätten, wenn Smetana länger gelebt hätte.
Wie sind Sie selbst Dirigent geworden?
Meine Eltern waren Berufsmusiker. Sie haben mir geholfen, die Musik zu lieben. Ich habe meine Kindheit in Brünn in der gleichen Straße verbracht, wo auch das Janá(c)ek-Haus steht. Ich habe mir von meinem Taschengeld Schallplatten gekauft und das "Schlaue Füchslein" gehört. Trotzdem war ich ein ganz normales Kind.
Welches Instrument haben Sie gelernt?
Ich war Geiger. Ich wollte als Musiker immer mit anderen Menschen zusammenarbeiten und meine Liebe zur Musik teilen. Später war ich Schüler des Dirigenten Ji(r)í Belohlávek, der vor der politischen Wende nicht unterrichten durfte. Danach gab es in Tschechien wenig Platz für junge Talente. Da haben sich viele Türen geschlossen.
Dirigieren Sie deshalb mehr im Ausland als in Ihrer tschechischen Heimat?
Gerard Mortier hat mir 2007 in der Opera Bastille "Die Sache Makropulos" anvertraut. Das war der Durchbruch. Ich arbeite seit Längerem im Ausland und habe keine Ahnung, ob man in Tschechien überhaupt weiß, was ich mache.
Die "Verkaufte Braut" ist Ihre vierte Premiere an der Staatsoper.
Ich habe früh "Jenufa" von Kirill Petrenko übernommen. Später kamen "Rusalka", "Die Sache Makropulos" sowie "Hänsel und Gretel", was ich als große Verantwortung empfand.
Wieso das?
Das Orchester spielt Humperdincks Oper jedes Jahr. Man muss die musikalische Neueinstudierung eines Werks, das alle gut kennen, künstlerisch rechtfertigen. Es war eine harte Arbeit für alle, aber ich schätzte die Bereitschaft des Bayerischen Staatsorchesters, neue Impulse aufzunehmen.
Jetzt haben wir kein Wort über die Inszenierung geredet.
Dem Regisseur David Bösch und mir liegt ein frischer, ehrlicher Zugang am Herzen. Das ist es, was Smetana braucht - nicht nur musikalisch. Erst dann kann der Zuhörer entdecken, welcher Reichtum in der "Verkauften Braut" steckt. Diese Musik macht einfach glücklich.
Die Premiere am Samstag um 18 Uhr im Nationaltheater wird von BR Klassik übertragen, am 6. Januar folgt ein Livestream auf staatsoper.tv. Die Sopranistin Selene Zanetti schreibt auf #selenegoesbride über ihr Rollendebüt als Marie