Kultur

Kunst des Witzes in der Musik

Auf dem roten Sofa der Abendzeitung: Komponist Moritz Eggert über die Chancen der Neuen Musik, Konzertformate, die Leichtigkeit der Operette und komponierende KI


Klug, charmant mit guter Laune: Moritz Eggert auf dem roten Sofa der Abendzeitung im Barocksaal des Deutschen Theaters.  Foto:

Klug, charmant mit guter Laune: Moritz Eggert auf dem roten Sofa der Abendzeitung im Barocksaal des Deutschen Theaters. Foto:

Von Christa Sigg

Der selbst etwas kauzige Wilhelm Killmayer hat sich oft darüber gegrämt, dass die Neue Musik so humorlos sei. Auch das Gralsgehabe der Szene schien dem Münchner mächtig auf den Geist zu gehen. Deshalb hätte der 2017 mit 90 Jahren verstorbene Komponist mindestens gelächelt, als sein Schüler Moritz Eggert charmant plaudernd auf dem roten Sofa der Abendzeitung saß und just über Neue Musik sprach: humorvoll ernsthaft, zuweilen selbstironisch und mit einer Leidenschaft, die dem Metier guttut.


Eggert pflegt - auch das tut den Neutönern gut - keine Berührungsängste und schrieb erst kürzlich eine Operette. Killmayers Kollegen hätten darüber noch die Nase gerümpft, Marika Rökk lag ein bisschen schwer im Magen, nach 1945 musste es einen radikalen Neuanfang geben. Aber es brauche genauso Schnittstellen wie die Operette, findet Eggert. Und schon der Titel "Die letzte Verschwörung" deutet darauf hin, dass sich der 57-Jährige durch ein aktuelles wie heikles Thema komponiert hat - Uraufführung ist am 25. März an der Wiener Volksoper.

Damit knüpft er nicht zuletzt an die herrlich zeitkritischen Stücke Jacques Offenbachs an. Solche Formate hätten beträchtliches Potenzial. "Da ist dieser Hauch von Leichtigkeit und Witz", sagt Eggert, das sei das Schwerste überhaupt: "Komödien, wie sie Billy Wilder geschrieben hat, sind richtig harte Arbeit".

Dagegen sei das Musical, das den kritischen Stachel der Operette einst übernommen hat, nicht mehr das lebendigste Genre. Weshalb? Weil das Business samt eigens gebautem Theater dominiere. "Es muss nicht nur alles massentauglich sein, es braucht auch Zeit", betont Eggert. "Vieles, das heute zum Kanon gehört, hat man anfangs nicht verstanden oder sogar abgelehnt". Georges Bizets "Carmen", die beim Publikum gnadenlos durchfiel, ist heute eine der am meisten gespielten Opern.

Womöglich war die Pariser Opéra-comique für diese Premiere nicht die richtige Location? Zu schlecht geheizt? Wer weiß das schon, aber genau diese Faktoren treiben die Veranstalter bis heute um, mehr noch wahrscheinlich als damals. Zumal die Konkurrenz für die Klassik übermächtig geworden ist.

Die Frage nach zeitgemäßen Konzertformaten könnte also wichtiger sein als die nach imposanten neuen Sälen. Dass sich Musikabende früher über vier, fünf Stunden gezogen haben, ein Satz-Häppchen nach dem anderen serviert wurde und das wild gemixt, ist heute nicht mehr denkbar. Vielleicht liegt in der Kürze aber doch eine gewisse Würze?

Eggert erinnert sich an knallvolle Mittagspausenkonzerte während seiner Londoner Studienzeit, das seien großartige 30 bis 60 Minuten gewesen. Aber warum nicht auch mal 48 Stunden Musik non stop wie bei einem Festival in Odessa? Ein- und Austritt, wann immer man möchte, ein Happening? Das könnte auch ein anderes Publikum anziehen, wobei bereits Paul Hindemith das viele Grau im Saal beunruhigt hat. Die mittleren Altersgruppen seien mit Familie und Job eingespannt und würden nach der Kinderphase schon wieder kommen. Sofern die Musik in jungen Jahren gehört und erlebt wurde.

Deshalb sei es so wichtig, Kinder und Jugendliche im Konzert zu haben. Aber dann darf es auch nicht beim ewig gleichen Stoff aus dem 19. Jahrhundert bleiben - bei aller Verehrung für Schumann und Brahms. Alte und Neue Musik würden so viel Ungewohntes bieten. Überhaupt müsse man immer wieder Neuland betreten, "Minimal Music war mit dem Einzug in die Musikhochschulen langweilig geworden", erklärt Moritz Eggert. Und plädiert für das Risiko: "Damit beginnt die wirklich interessante Kunst".


Durch Künstliche Intelligenz (KI) beim Komponieren würde etwas Neues, Verstörendes nicht mehr entstehen. Das bereitet auch Moritz Eggert Sorgen. Seit 2010 ist er an der Münchner Musikhochschule Professor für Komposition und macht sich natürlich Gedanken über die Zukunft seiner Studenten. Dass die KI Jobs schlucken wird, steht für ihn außer Frage, vor allem im Bereich des "Durchschnittlichen", täglich Angewandten wie etwa bei der Musik für Fernsehserien oder in der Werbung. Da sei die KI immer billiger, aber eben fad. Trainiert und programmiert werde ja auf der Basis des Vorhandenen. Bislang hätten ihn auch sämtliche KI-generierten Texte gelangweilt, da sei weder Sprachwitz noch ein origineller Gedanke zu finden. Für die tatsächlich Kreativen schaut es also nicht so schlecht aus. Doch wer darf das schon von sich behaupten?

Dienstag, 7. März 2023, 20 Uhr (Einlass 19.30 Uhr) sitzt Helmut Markwort auf dem roten Sofa im Barocksaal des Deutschen Theaters zum Thema: "Sagen die Medien alle das Gleiche? (Abendkasse, 14 Euro, Barzahlung, inklusive Essen und Getränken)