Kultur

Im Nebel der Melancholie

Ute Lempers "Rendezvous mit Marlene" im Deutschen Theater


"Rendezvous mit Marlene" heißt die Hommage von Ute Lemper an Marlene Dietrich - hier bei einer Aufführung in Lüneburg.

"Rendezvous mit Marlene" heißt die Hommage von Ute Lemper an Marlene Dietrich - hier bei einer Aufführung in Lüneburg.

Von Adrian Prechtel

Ein Sessel, drumherum ein bisschen Chaos, eine Zeitung liegt am Boden, daneben ein Beistelltisch mit leeren Champagnerflaschen und einem weißen Telefon darauf. Hinter diesem Arrangement ein Kleiderständer mit einem Glitzerkleid, einer Stola und einem schwarzen Cape.

Mehr braucht Ute Lemper im Deutschen Theater nicht für ihr "Rendezvous mit Marlene". Es basiert auf einem dreistündigen Telefonat: Marlene hatte 1987 Ute Lemper, die Sally Bowles im Musical "Cabaret" spielte, in ihrem Pariser Hotel angerufen. Denn die 24-jährige Deutsche hatte der deutschen Legende einen Brief geschrieben. Lemper hatte sich darin entschuldigt, dass die französische Presse sie als "Die neue Marlene" bezeichnet hatte. Daraufhin rief die 85-jährige Diva aus ihrer schon zehn Jahre währenden Matratzengruft-Isolation den Jungstar zurück - schnoddrig, durchaus selbstbewusst, aber deutlich alkoholisiert und vor allem nostalgisch und sentimental.

Diese Erinnerung hat Ute Lempers in eine Show verwandelt - und im Fokus steht nicht sie selbst. Lemper spielt und spricht die Erinnerungen von Marlene Dietrich - begleitet von einem Jazzquartett. Lemper findet dabei eine gute Balance aus Look-a-like sowie stimmlicher Imitation des rauchig Tiefen, leicht Schleppenden der Dietrich einerseits und andererseits der Emanzipation von dieser Überfrau. Lemper singt die berühmten Marlene-Songs viel elaborierter, sie scattet, groovt, baut wilde Tonsprünge ein. Kurz: Sie ist einfach eine fantastische Jazzsängerin. Da fällt es auch kaum auf, dass der Flügel recht verstimmt war und erst in der Pause auf Vordermann gebracht wurde.

In zweieinhalb Stunden wird Marlene Dietrich gut erklärt: ihr freies Familien- und Sexualleben, ihre Liebe zur deutschen Sprache, ihr Pazifismus, ihr trauriges Verhältnis zu Deutschland, das einfach nicht wahrhaben wollte, dass diese Frau von vornherein auf der richtigen Seite war, den Verlockungen der Nazis widerstand und entschlossen gegen Deutschland in den Krieg zog.

Und so ist es der einzige Vorwurf, der man dieser klugen und ergreifenden Hommage machen kann, dass sie sich - durch die Augen der nostalgischen, traurigen, alten Diva - in einen Nebel von Melancholie hüllt. Gerade wenn sich die alte, lallende Dietrich an ihre großen Zeiten erinnert, hätte man als Kontrast in den Erinnerungs-Flashbacks ihre Kraft, ihren Lebenshunger atmosphärisch stärker nach vorne schieben müssen.