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Von Heidi bis Pizza: Ines Rathgeber überquert in sechs Tagen die Alpen
9. November 2016, 13:25 Uhr aktualisiert am 9. November 2016, 13:25 Uhr
Sechs Tage Höhen, sechs Tage Tiefen: Ines Rathgeber (20) überquert mit zwei Freundinnen die Alpen. Auf ihrer Tour kommt sie an ihre Grenzen. Doch die Anstrengung wird belohnt.
Plötzlich kann ich Heidis Sehnsucht verstehen. Auch meine Welt sind die Berge, denke ich mir beim Anblick der mit Blümchen gespickten Bergwiesen, auf denen gemächlich dutzende Haflinger grasen. Ich sitze auf der Terrasse der Memminger Hütte auf über 2.200 Meter am Abend des zweiten Tages unserer Alpenüberquerung. Die milde Sonne lugt nach diesem heißen Tag noch zwischen den weißen Gipfeln hindurch und taucht die Kulisse des Bergkessels, in der die Memminger Hütte liegt, in warmes Licht. Bei dieser Aussicht sind die Strapazen des langen Wandertages vergessen.
Tags zuvor starte ich die Wanderung mit zwei Freundinnen in Oberstdorf im Allgäu. In sechs Tagen soll es hauptsächlich auf dem Fernwanderweg E5 von hier durch Österreich bis in den italienischen Teil der Alpen gehen, von wo aus wir in das Dorf Vernagt absteigen und mit dem Bus das letzte Stück bis nach Meran weiterfahren werden. Eine beliebte Route - wie wir auch direkt zu spüren bekommen, als zeitgleich mit uns mehrere andere Gruppen starten. Meine Sorge, auf dem Pfad ständig von anderen Wanderern umringt zu sein, bleibt aber weitgehend unbegründet, da sich die Gruppen auf dem langen Weg mit der Zeit schnell verteilen.
Nach den ersten beiden Stunden Wandern in der prallen Mittagssonne mit dem Rucksack auf dem Rücken, in dem sich Ausstattung für eine Woche befindet, beschleichen mich erste Zweifel an dem Vorhaben, das ich mir aufgebürgt habe. Meine Bergschuhe sind praktisch nicht eingelaufen und ich hantiere wild mit den Wanderstöcken umher, die ich noch nie zuvor benutzt habe.
Doch der Anfangsblues löst sich schnell auf. Die nächsten Tage wandern wir deutlich längere Strecken durch schönere Umgebungen. Der Pfad führt durch langgestreckte Latschenkieferwälder, über Geröllfelder, bei denen man achtsam sein muss, in Serpentinen Hänge hinab oder hinauf, über Bäche und Wasserfälle. Jedem Anfang wohnt ein Zaudern inne, doch kommt man erstmal in Fahrt, macht das ganze riesigen Spaß und Stock und Schuh steht mir schließlich ziemlich gut. Wir übernachten in Schutzhütten des Deutschen Alpenvereins, bei denen wir meist spätnachmittags erschöpft ankommen. Dann wird sich zuallererst mal die Schuhe von den schmerzenden Füßen gezogen. Jetzt am besten nicht mehr einatmen, bevor man genügend Abstand zu ebendiesen bekommt. Man könnte meinen, von der Luft in einem Raum, in dem die Wanderer einer ganzen Berghütte ihre Schuhe abstellen, geht ernstzunehmende Vergiftungsgefahr aus.
Deftiges Essen und eine warme Dusche
Auf den Hütten herrscht aber wunderbar gemütliche Bergsteigeratmosphäre. Nach einem Tag, an dem man bis zu neun Stunden über Stock und Stein unterwegs war, ist man froh, ein deftiges Essen und mit etwas Glück sogar warmes Wasser zum Duschen zu bekommen. Die Abende verbringen wir auf der Terrasse der Hütten oder in der gemütlichen Stube in Gesellschaft anderer Alpen-Mitstreiter. Viele der Wanderer hier machen dieselbe oder eine ähnliche Tour. So trifft man sie tagsüber auf dem Weg und abends in den Unterkünften immer wieder. Hier wird sich miteinander ausgetauscht und lustige Hüttenabende sind garantiert. Nur früh morgens, wenn das Hüttenleben erneut in Gang kommt, fällt es schwer die schmerzenden Glieder für einen neuen Wandertag aus dem Bett zu hieven.
Ein Highlight unserer Alpenüberquerung steht an Tag fünf bevor, als wir auf einem Gletscher absteigen. Hier lohnt sich jegliche Investition in gute Bergschuhe. Später wandern wir durch sattgrüne Bergwiesen an einer Menge blökender Schafe vorbei. Auch das Klingeln der Kuhglocken liegt uns in dieser Woche praktisch permanent in den Ohren. Hin und wieder lugt ein Murmeltier hinter einem Stein hervor und einmal begleitet uns sogar ein Lama ein Stück auf unserem Weg. Als wir an Tag sechs endlich vor dem türkis glitzernden Stausee in Vernagt stehen, der das Ende unserer Wandertour bedeutet, sind wir bestens gelaunt und stolz auf uns. Schließlich legen wir unsere malträtierten Füße in Meran hoch und genießen die italienische Atmosphäre bei Pizza und Wein, bevor es für uns zurück nach Landshut geht.