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Andere überzeugen: Simon Klesse (16) über das Projekt „Jugend debattiert“
5. April 2016, 17:23 Uhr aktualisiert am 5. April 2016, 17:23 Uhr
Soll der Pausenhof an Schulen videoüberwacht werden? Eine Frage, die schon viele Menschen aus Politik und Bildung beschäftigt hat. Manche sagen ja, andere sind absolut dagegen. Aber welche Meinung habe ich zu der Frage? Und wie kann ich sie angemessen vertreten? Alles ein Kinderspiel für die, die am Projekt "Jugend debattiert" teilgenommen haben.
Bei diesem bundesweiten Projekt kann ich als Schüler Stellung zu solchen Problemen beziehen. Kinder und Jugendlichen führen ein Gespräch, das festen Regeln folgt: eine Debatte. Dieses Streitgespräch zwischen zwei Teams mit jeweils zwei Teilnehmern soll eine Entscheidungsfrage klären. Die eine Seite befürwortet das und versucht mit guten Argumenten, aber auch der Art und Weise, wie sie ihre Ansicht vertritt, die Gegenseite zu überzeugen. Diese wiederum will das andere Team umstimmen und auf Nachteile aufmerksam machen. Es stehen sich zwei vollkommen verschiedene Meinungen gegenüber.
Das Ziel: herausfinden, welche Ausführungen überzeugender wirken und damit das Gespräch entscheiden. Wie eine Debatte ausgeht, kann keiner zu Beginn sagen. Denn Einwände, Ausführungen und Erläuterungen ergeben sich aus der Unterhaltung. Darum ist jedes Streitgespräch auch so spannend.
Jedes Streitgespräch beginnt mit einer Eröffnungsrunde. Hier beantwortet jeder nacheinander die Entscheidungsfrage, um die sich die Diskussion dreht. Zwei Minuten Zeit haben die Teilnehmer dafür. Danach schließt sich die freie Aussprache an. Sie dauert zwölf Minuten. Die Jugendlichen bringen weitere Argumente, die sie miteinander abgleichen. In diesem Teil des Gespräches ist es sehr wichtig, dass ich mich spontan und flexibel zeige, denn dann kann ich auch auf Dinge eingehen, die sich erst ergeben. Mit der Schlussrunde endet das Wortgefecht. Ein zweites Mal beantworte ich in einer Minute die Streifrage. Dabei berücksichtige ich die Argumente des Gesprächs.
Die Idee hinter dieser Initiative setzt schon in der Schule an: Ich soll als Schüler im Unterricht lernen, wie und wozu man debattiert. Ansporn ist der eigentliche Hauptgedanke des Projekts: ein Wettbewerb, der mir die Chance gibt, meine Meinung zu vielen Themen auszudrücken und sich im Argumentieren zu messen. Aber es geht nicht um ein Konkurrenzdenken und besser zu sein als die Mitstreiter, sondern um die Gemeinschaft. Außerdem hilft das Projekt im späteren Leben weiter, denn es fördert das sichere Auftreten.
Meine Schule, das Anton-Bruckner-Gymnasium in Straubing, nimmt selbst an "Jugend debattiert" teil. In der neunten Jahrgangsstufe wird eine schriftliche Schulaufgabe im Fach Deutsch durch eine Debatte ersetzt. Die Schüler, die in dieser Prüfung am besten abschneiden, dürfen ins Schulfinale einziehen. Die Freude war riesig: Vor etwa einem Jahr war auch ich dabei. Es war für mich ein tolles Gefühl, vor der gesamten versammelten Schulgemeinschaft zu debattieren. Unser Thema damals: Videoüberwachung an Schulen. Jeder Teilnehmer hatte sich gut vorbereitet. Tricks und Kniffe aus dem Unterricht halfen dabei. Bis in die letzten Züge war es spannend. In das Regionalfinale weitergekommen sind eine Mitschülerin und ich. Dort belegte ich einen guten dritten Platz. Aber es war für alle Beteiligten ein unvergessliches Erlebnis. Noch heute denken wir gerne daran zurück.
Debattieren heißt Stellung beziehen, Gründe nennen und Kritik vortragen - gegen- und miteinander. Wer diese Kunst lernt, kann dadurch auch eigene Interessen vertreten und andere verstehen. Schirmherr von "Jugend debattiert", Bundespräsident Joachim Gauck, betont: "‚Jugend debattiert‘ trägt dazu bei, dass junge Menschen zu überzeugten und überzeugenden Demokraten heranwachsen."
Eine junge Geschichte: Wie "Jugend debattiert" zustande kam
"Jugend debattiert" blickt auf eine noch recht junge Geschichte zurück: Im Jahre 2001 ergriff der damalige Bundespräsident Johannes Rau die Initiative zu einem bundesweiten Wettbewerb unter diesem Namen. Er erklärte sich auch bereit, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Schließlich wurde das Projekt als "Bundeswettbewerb Jugend debattiert" am 21. November 2002 in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. 2011 feierte man zehnjähriges Jubiläum. Vorausgegangen waren der Initiative der Hamburgische Landeswettbewerb "Streitgespräch - Jugend debattiert" (seit 1999) und das Pilotprojekt "Rhetorik in die Schule - Jugend debattiert-Training und Wettbewerb" an Schulen in Frankfurt am Main. An "Jugend debattiert" nehmen aktuell 200 000 Schüler und rund 7 800 Lehrkräfte an 1 100 Schulen teil. Das Projekt hat viele Unterstützer und Förderer und kooperiert unter anderem mit den Kultusministerien der 16 Bundesländer. Aus dem Grundkonzept ist inzwischen "Jugend debattiert international" entstanden, ein Schülerwettbewerb für Deutsch lernende Jugendliche in acht Ländern Mittel- und Osteuropas, wie zum Beispiel Estland und Lettland. Auch Schulen in China und Brasilien nehmen vereinzelt teil.
Quelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung/Jugend debattiert