Bayern

Zweite Stammstrecke: Diese Baugrube bleibt bis 2026 ungenutzt

Bei der Zweiten Stammstrecke ist bald die Baugrube West fertig. Von hier aus könnte man zügig in Richtung Marienhof bohren. Doch die Projektleiter sind gezwungen zu warten. Schuld ist auch die Baustelle am Hauptbahnhof.


Die Grube, wo die Tunnelbohrer einmal zusammengebaut werden sollen, Blick Richtung Innenstadt. Im Hintergrund sind Bohrlöcher angezeichnet.

Die Grube, wo die Tunnelbohrer einmal zusammengebaut werden sollen, Blick Richtung Innenstadt. Im Hintergrund sind Bohrlöcher angezeichnet.

Von Hüseyin Ince

München - Beim Berg- und Tunnelbau gibt es einen alten Spruch. Der lautet in etwa so: Hinter der Hacke ist es duster. Das zitieren auch die Verantwortlichen der Baugrube West der Zweiten Stammstrecke am Mittwoch, bei einem Presserundgang vor Ort, in Sichtweite der Donnersbergerbrücke. Die rechteckige Grube soll bereits im Spätsommer fertiggestellt sein, sagt Teamleiter Albert Wimmer.

Gemeint ist mit der alten Bergbauweisheit, dass man nie weiß, auf welches Gestein man stößt, während man sich durch unbekannten Boden buddelt. Bei der bevorstehenden Tunnelbohrung der Zweiten Stammstrecke interpretiert man das ähnlich: Man wisse zwar, welches Gestein in München hauptsächlich vorherrscht (Tertiärer Ton, Sandgestein und Schluff), sagt Wimmer, "aber für eine Überraschung ist so eine Bohrung immer gut".

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Blick von der Tunneleinfahrt Richtung Westen: Hier sollen in 15 Jahren S-Bahnen durchfahren, links Richtung Innenstadt, rechts stadtauswärts.

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Die Baugrube muss offen bleiben.

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Das Baugerät muss von oben in die Grube hinabgelassen werden.

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Von hier aus kann man täglich zehn Meter bohren. Theoretisch.

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Bevor die neuen Haltestellen Marienhof und Hauptbahnhof fertig sind, geht es hier nicht weiter.

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Drei Männer, drei angezeichnete Bohrlöcher im Hintergrund. Die verantwortlichen Projektingenieure der Tunnel-Baugrube München West, nahe der Donnersberger Brücke: Marc Steinfeld, Teamleiter Albert Wimmer sowie Stefan Jungtäubl.

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Eine Baumaschine steht schon bereit.

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Man sieht schon, wo später gebohrt wird.

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Die Anker der Baugrubenwand - funktionieren ähnlich wie Dübel.

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Blick Richtung Innenstadt. Der Brückenkran wird die Teile der Tunnelbohrer wohl frühestens 2026 in die Grube heben.

Die Kosten für die zweite S-Bahn-Stammstrecke liegen inzwischen bei 8,5 Milliarden Euro

Im übertragenen Sinne könnte man den Bergbauspruch bei der Zweiten Stammstrecke derzeit auch so deuten: Das ganze Projekt ist voller Überraschungen. Von den massiven Verzögerungen der Bauzeit und den immens gestiegenen Kosten wurde ja schon häufig berichtet. Ursprünglich hieß es, die Zweite Stammstrecke solle 2028 fertig sein. Inzwischen spricht man von 2037. Die vorausgesagten Baukosten haben sich von 3,8 Milliarden auf 8,5 Milliarden mehr als verdoppelt.

Die Grube in München West wird mal die Ein- und Ausfahrt zum Tunnel der neuen Stammstrecke sein. Drei Röhren sollen ab hier Richtung Innenstadt gebohrt werden, zwei für die Fahrtrichtungen, eine mittlere als Rettungs- sowie Erkundungsschacht, mit riesigen, bis zu 120 Meter langen Bohrern, die in mehreren Teilen einschweben und vor den Bohrlöchern zusammengebaut werden müssen.

Eigentlich könnte ab 2024 gebohrt werden. Zehn Meter pro Tag. Doch daraus wird nichts

Bis zu 48 Meter geht es dann hinunter, unterhalb allem, was bis heute in München in die Tiefe gebaut wurde. "Wir könnten theoretisch schon ab 2024 anfangen, die Röhren zu bohren", sagt Projektingenieur Marc Steinfeld, im Sinne von: "Also wir wären dann schon mal so weit". 15 Monate Bohrzeit rechnet man in etwa für die Strecke von 3,4 Kilometern, von der Donnersbergerbrücke bis zum Marienhof, bei durchschnittlich zehn Metern Bohrung pro Tag. Doch daraus wird nichts.

Wenn es ganz blöd läuft, wird diese Grube wohl bis 2026 offen stehen, bis der erste Meter gefräst werden kann. Und sie muss offen stehen, wegen der Bohrerteile, die nur per Kran einschweben können. Man könne nicht anfangen, bevor die Haltestellen-Baustellen am Marienhof und am Hauptbahnhof ihr Endstadium erreicht haben.

Am Ostbahnhof haben Anwohnerproteste das Projekt verzögert

"So eine kilometerlange Bohrung sollte man nicht pausieren. Die Maschinen müssen an den Haltestellen jeweils in Empfang genommen werden können", sagt Steinfeld - auch wenn die Maschinen am Ende rückwärts wieder zurückfahren, sobald sie ihr Ziel erreicht haben. Denn ein ähnliches Projekt, eine ähnliche Baugrube wie im Westen, muss vom Ostbahnhof her geplant und Richtung Innenstadt gebohrt werden.

Doch dort hat man wegen der Planänderungen noch gar nicht richtig angefangen. Hintergrund: Zunächst sollte die neue Haltestelle Ostbahnhof unter dem Orleansplatz entstehen. Aber der heftige Anwohnerprotest gegen die jahrelange Baugrube seit 2010 ("Schummel-Tunnel", "DB - die Achse des Bösen") führte dazu, dass die Bahn ihre Pläne 2019 änderte.

Zehntausende Tonnen Erde, Ton und Gestein müssen täglich verladen werden

Warum das spiegelverkehrte Teilprojekt an der Donnersbergerbrücke jetzt schon fast fertig ist? Hier lief in der Planung alles recht glatt. Gleichzeitig hatten die Projektleiter erwartet, dass die Baustellen am Marienplatz sowie am Hauptbahnhof zum jetzigen Zeitpunkt schon viel weiter wären. "Es ist kompliziert. Ich werde mich dazu nicht weiter äußern", sagt Projektleiter Wimmer.

Außer den Bohrern ist im Münchner Westen Ende des Jahres also alles startklar. Sogar das Förderband ist aufgebaut, mit dem Zehntausende Tonnen Erde, Ton und Gestein auf bis zu vier Baustellenzüge täglich verladen werden können. Bis zu 18 Monate Vorlaufzeit ist nötig, um die gigantischen Bohrer zu bestellen, die extra für das Projekt gebaut werden müssen.