Wolbergs-Prozess
Staatsanwaltschaft kündigt Revision an
3. Juli 2019, 13:20 Uhr aktualisiert am 3. Juli 2019, 14:50 Uhr
Neue Entwicklung im Wolbergs-Prozess: Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat angekündigt, Revision gegen das Urteil einlegen zu wollen. Gleichzeitig weist sie die Kritik an ihren Ermittlungen deutlich zurück.
Der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs ist am Mittwochvormittag lediglich in zwei Fällen der Vorteilsannahme schuldig gesprochen worden, allen anderen Anschuldigungen folgte das Landgericht nicht. Von einer Strafe werde abgesehen. Geblieben seien Unregelmäßigkeiten bei der Spendenannahme, als er bereits im Amt war, sagte die Vorsitzende Richterin Elke Escher. Zur Glaubwürdigkeit von Wolbergs sagte Escher, "wir haben dem Angeklagten geglaubt". Seine Einlassungen seien differenziert gewesen. Er sei keine Antwort schuldig geblieben. Es habe keine Anhaltspunkte für ein Taktieren gegeben. Der Angeklagte müsse auch nicht überzeugen, sondern die Justiz müsse seine Schuld beweisen. Dabei äußerte Escher auch Kritik an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.
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Diese weist Oberstaatsanwalt Dr. Markus Pfaller jedoch zurück: "Sachliche Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft wird immer zum Anlass genommen, das eigene Vorgehen zu überprüfen. Die jetzt von der 6.Strafkammer geäußerte Kritik wird jedoch in dieser Form entschieden zurückgewiesen", so Pfaller in einer Presseerklärung. Er verweist auf die Zwischenentscheidungen der Gerichte außerhalb der Hauptverhandlung. Bis hin zum Oberlandesgericht Nürnberg, welches den dringenden Tatverdacht ebenfalls bestätigt hatte, sei die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden. Umso irritierender seien nun die Äußerungen in der Urteilsbegründung über die Arbeit der Staatsanwaltschaft.
Auch Thomas Polnik, Sprecher des Landgerichts, hat sich nach der Urteilsverkündung gegenüber unserer Mediengruppe geäußert:
Staatsanwaltschaft kündigt Revision an
Gleichzeitig kündigte Pfaller an, die Staatsanwaltschaft werde gegen das Urteil Revision einlegen. "Soweit die 6. Strafkammer die Angeklagten freigesprochen bzw. trotz Verurteilung wegen eines Korruptionsdelikts von Strafe abgesehen hat, wird die Staatsanwaltschaft das Urteil durch den Bundesgerichtshof überprüfen lassen", heißt es in der Erklärung.
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Joachim Wolbergs selbst hatte das Urteil mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Wer jetzt noch behaupte, er sei korrupt, müsse sich fragen lassen, was los sei, sagte er nach dem Prozess. Einmal mehr äußerte er auch Kritik an den Medien: Durch die Berichterstattung über den Fall sei ein Schleier der Korruption über die Stadt gelegt worden.
Mehrere von Wolbergs Unterstützern forderten nach dem Urteil die Aufhebung der Suspendierung vom Amt des Oberbürgermeisters. Die zuständige Landesanwaltschaft erteilte dieser Forderung allerdings vorläufig eine Absage. "Der mit Urteil vom heutigen Tag erfolgte Schuldspruch unter Absehen von Strafe hat zunächst keine Auswirkungen auf die vorläufige Dienstenthebung des Oberbürgermeisters", heißt es wörtlich von der Landesanwaltschaft. Weiter heißt es: "Die Disziplinarbehörde ist gehalten, die Angemessenheit der von ihr angeordneten vorläufigen Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen und an möglicherweise veränderte Umstände anzupassen. Die Landesanwaltschaft Bayern wird daher die schriftlichen Urteilsgründe im gegenwärtigen Verfahren prüfen, sobald sie vorliegen, und entscheiden, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung weiterhin vorliegen."
Ein weiterer Stolperstein für Wolbergs Wiedereinsetzung sei außerdem die Zulassung der zweiten Anklage gegen Wolbergs. Bei dieser gehe es um den Tatkomplex in Bezug auf das "Immobilienzentrum Regensburg". Unabhängig von der vorläufigen Dienstenthebung bleibe das Disziplinarverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss der Strafverfahren weiter ausgesetzt.
Die ausführliche Urteilsbegründung finden Sie in .
Der 48-Jährige musste sich seit vergangenem Herbst vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer wegen Vorteilsannahme und Verstoßes gegen das Parteiengesetz verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm zudem Bestechlichkeit zur Last gelegt und eine Gefängnisstrafe von viereinhalb Jahren gefordert. Seine Verteidiger plädierten auf Freispruch.
In ihrem Urteil gelangte die Wirtschaftsstrafkammer zu der Überzeugung, dass Joachim Wolbergs lediglich zwei Fälle der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit den Parteispenden der Jahre 2015 und 2016 - insgesamt rund 150.000 Euro - anzulasten sind, und er in allen übrigen Anklagepunkten freizusprechen ist, heißt es in einer Mitteilung des Landgerichts Regensburg. Und weiter: Der verbliebene Schuldvorwurf relativiere sich durch die Feststellung, dass der Oberbürgermeister stets im Glauben an die Zulässigkeit der Spenden und damit in einem, wenn auch vermeidbaren, Verbotsirrtum gehandelt hatte. Neben den für ihn besonders nachteiligen Verfahrensfolgen war dies einer der Hauptgründe, warum das Gericht von Strafe absah.
Zehn Monate Bewährung für Tretzel
Der mitangeklagte Bauunternehmer Volker Tretzel wurde wegen Vorteilsgewährung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, dessen früherer Mitarbeiter Franz W. wegen mehrerer Vorwürfe zu Geldstrafen. Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Norbert Hartl, wurde freigesprochen.
Es ging in dem Prozess unter anderem um die Frage, ob Spenden des Bauunternehmers Tretzel an die SPD im Kommunalwahlkampf 2014 und an den Sportverein Jahn Regensburg bei der Vergabe eines Bauprojektes an Tretzels Firma eine Rolle gespielt haben. Die Ankläger sahen dies als erwiesen an. Ihrer Überzeugung nach profitierte Wolbergs zudem durch vergünstigte Renovierungsarbeiten an einem Ferienhaus. Wolbergs hat die Vorwürfe stets bestritten.
Wolbergs war 2014 als SPD-Kandidat in einer Stichwahl mit großer Mehrheit zum Oberbürgermeister gewählt worden. Im Juni 2016 begannen die Ermittlungen gegen ihn, Anfang 2017 musste er für sechs Wochen in Untersuchungshaft und wurde vorläufig vom Amt suspendiert. Der Prozess begann Ende September 2018. Im April 2019 trat Wolbergs aus der SPD aus.