Bayern

Halbzeit für Grün-Rot in München: Die Bilanz beim Klima

Eigentlich kümmert sich um den Klimaschutz sogar ein eigenes Referat. Doch was hat sich wirklich getan in dieser Amtszeit von Grün-Rot?


Es raucht und raucht und raucht: das HKW Nord in Unterföhring.

Es raucht und raucht und raucht: das HKW Nord in Unterföhring.

Von Christina Hertel

"Bei der Neugestaltung von Grünflächen und der Pflege der städtischen Grünanlagen wird künftig mehr auf Biodiversität geachtet."

Um München bis 2035 klimaneutral zu machen, wurde 2021 das Referat für Klima-und Umweltschutz gegründet. Auf Vorschlag der Grünen wurde Christine Kugler (parteilos) Chefin. Vorher war sie für die städtischen Bäder verantwortlich. Was hat sie aus dem Koalitionsvertrag von Grünen und SPD umgesetzt?

"Um die Klimaschutzmaßnahmen finanziell zu ermöglichen, richten wir ein Klimaschutzbudget von jährlich 100 Millionen Euro ein."

Umgesetzt. Im Sommer 2021 hat der Stadtrat beschlossen, bis 2026 jährlich 100 Millionen Euro in den Klimaschutz zu stecken. Damit sollen der Geothermie-Ausbau, energetische Gebäudesanierung und die Begrünung von Fassaden finanziert werden. Allerdings gibt das Referat lange nicht so viel Geld pro Jahr aus.

"Das Ziel der Stadtwerke München einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung wird von 2040 auf 2035 angepasst. Zentral dafür ist der schnellstmögliche Ausbau der Geothermie."

Die Stadtwerke rudern zurück: Erst bis 2040 wollen sie die Fernwärme für München CO2-neutral bereitstellen, hauptsächlich aus Geothermie. Die durch Geothermie produzierte Wärme hat sich laut Stadtwerke von 2020 bis 2022 mehr als verdreifacht. Sie betreiben sechs Geothermieanlagen in und um München. Die siebte soll beim Michaelibad entstehen und Wärme für mehr als 75 000 Münchner liefern.

"Auch dezentrale erneuerbare Wärmeversorgung (...) mittels Wärmepumpen werden wir als elementaren Baustein der Wärmewende stärker ausbauen"

Das wird Robert Habeck nicht freuen: Online werben die Stadtwerke unter der Kategorie Erdgas, dass ihnen rund eine Million Menschen vertrauen. Allerdings haben sie erst 6500 Verträge für Wärmepumpen abgeschlossen.

"Der Ausstieg aus der Kohleverbrennung im Heizkraftwerk Nord erfolgt (...) schnellstmöglich"

Gescheitert. Als vor einem Jahr Russland die Ukraine Angriff, beschloss der Stadtrat, die Kohleverbrennung fortzusetzen.

"Bis 2025 wird die Münchner Stromversorgung bilanziell klimaneutral sein, aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energien durch die Stadtwerke."

Das wird wohl wie geplant erreicht. 2022 haben die Stadtwerke rechnerisch so viel Ökostrom produziert, wie 90 Prozent der Münchner Haushalte verbrauchen.

"Gleichzeitig ist es uns wichtig (...) Photovoltaik (PV), hier in München und der Region deutlich auszubauen. Wir wollen einen PV-Zubau von 15 MW pro Jahr erreichen."

Dieses Ziel schafft die Stadt 2023. Der Stadtrat hat deshalb mehr Tempo beschlossen. Die Ziele sollen sich 2024 und 2025 verdoppeln und ab 2026 auf 60 Megawatt pro Jahr steigern. Allerdings: Alle Münchner Solar-Anlagen decken nur 1,5 Prozent des Strombedarfs. Und beim "Wattbewerb", einem Wettbewerb für Städte beim Solar-Ausbau liegt München auf Platz 68 - von 71.

"Bestehende Biotope werden wir schützen; um neue Biotope zu schaffen werden künftig mehr Flächen angekauft, insbesondere auch noch nicht entmunitionierte Flächen (Virginia Depot)."

Viermal hat die Stadt Biotope gekauft, weil sie auf diesen Flächen ein Vorkaufsrecht hatte. 17 Mal ist die Käuferseite naturschutzrechtliche Bindungen eingegangen und die Stadt nutzte deshalb ihr Vorkaufsrecht nicht. Allerdings können Kommunen rechtlich kein Vorkaufsrecht mehr nutzen.

Beim Ankauf des Virginia Depots in der Lerchenau, das früher die Bundeswehr nutzte und das heute vielen bedrohten Arten eine Heimat bietet, ist die Stadt nicht wirklich weitergekommen. Gerade arbeiten zwei andere Referate noch daran, den "Nutzerbedarf" zu ermitteln. Denn auch eine Schule, eine Flüchtlingsunterkunft und weitere Gewerbeflächen könnten hier entstehen. Eigentümer ist der Bund, Gespräche laufen.

In der Umsetzung. Momentan wird das Gras am Straßenrand acht bis zehn Mal im Jahr gemäht. Um die Artenvielfalt auf diesen Flächen zu erhöhen, sollen es in Zukunft nur noch zwei Mähgänge sein. Außerdem bekommt das Baureferat mehr Personal für die Pflege der Grünflächen.

"Zur Ablöse von Baurecht von Bäumen, die über 100 Jahre alt sind, richten wir einen Entschädigungsfonds ein."



Gescheitert: Es würden laut der Verwaltung Kosten bis in die Millionenhöhe entstehen. Deshalb hat sich der Stadtrat im Sommer 2021 von dem Projekt verabschiedet. Dafür hat die Stadt mehr Personal eingestellt, das kontrolliert, ob Baumschutzmaßnahmen auf Baustellen und Ersatzpflanzungen wirklich erfolgen.

"Den öffentlichen Raum werden wir naturnäher gestalten. Dazu werden zusätzliche Bäume gepflanzt, insbesondere werden dafür bestehende Stellplätze im öffentlichen Raum überprüft."

Im Jahr 2022 sind in München 2710 Bäume auf öffentlichen Flächen neu gepflanzt worden. Allerdings wurden auch 2550 Bäume im Zuge von Pflegemaßnahmen gefällt. Macht ein Plus von 160 Bäumen. Der Bund Naturschutz hingegen rechnet damit, dass 2022 rund 1840 Bäumen im Stadtgebiet verlorengingen. Grund für die unterschiedlichen Zahlen ist, dass der Bund Naturschutz auch private Flächen einrechnet. Bis 2025 wollte das Kommunalreferat außerdem eine halbe Million Bäume pflanzen. 215 000 Bäume stehen inzwischen. Die meisten davon allerdings nicht in München.

"Die Isar wollen wir nördlich der Praterinsel renaturieren und bisher unterirdisch laufende Stadtbäche wieder öffnen."

Von einer weiteren Isar-Renaturierung hat man seit der Kommunalwahl nichts mehr gehört. Von weiteren Stadtbächen schon: Grüne und SPD sind sich einig, dass sie den unterirdischen Stadtbach in der Herzog-Wilhelm-Straße an die Oberfläche holen wollen.