Bayern

Grundsteuererklärung: Zwei Münchnerinnen maßlos verärgert

Frustende und Fristverlängerung: Warum sich zwei Münchnerinnen maßlos über die neue Grundsteuererklärung geärgert haben.


Marlis Thomae (r.) und Margret Kipphan ärgern sich über die Grundsteuerreform. "Wer am Computer nicht fit ist, und nicht zum Steuerberater geht, musste sich ganz schön ärgern. Das ist nicht bürgerfreundlich", sagen sie. Sie hätten sich mehr Beratungsangebote in der Stadt gewünscht. Mittlerweile haben sie ihre Erklärungen abgegeben.

Marlis Thomae (r.) und Margret Kipphan ärgern sich über die Grundsteuerreform. "Wer am Computer nicht fit ist, und nicht zum Steuerberater geht, musste sich ganz schön ärgern. Das ist nicht bürgerfreundlich", sagen sie. Sie hätten sich mehr Beratungsangebote in der Stadt gewünscht. Mittlerweile haben sie ihre Erklärungen abgegeben.

Von Carmen Merckenschlager

München - Marlis Thomae (77) und Margret Kipphan (74) sind seit rund 70 Jahren befreundet. Sie kennen sich aus Frankfurt, sind beide viel in Deutschland rumgekommen und leben nun beide im gleichen Haus in Nord-Schwabing in ihren jeweiligen Eigentumswohnungen.


Sie treffen sich zum Ratschen, sind lebenslustig, lachen viel; ein bisschen so, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Thomae hat zwar zwei neue Knie bekommen und Kipphan ein Rückenleiden - beschwert wird sich trotzdem nicht. Nun haben sie sich aber mächtig geärgert: über die Grundsteuerreform.

Bis zum 31. Januar hatten Grundstückseigentümer und Immobilienbesitzer ursprünglich Zeit, eine neue Grundsteuererklärung abzugeben - digital oder analog. In Bayern gingen bis zum Stichtag nur rund 70 Prozent der geforderten Unterlagen ein. Schließlich wurde die Frist doch wieder verlängert. Zahlen für München gibt es nicht.


Thomae und Kipphan haben beide studiert. Die eine Jura und die andere Lehramt für Sonderschulen. Beide haben ein Smartphone, können im Internet surfen. "Aber so fit am Computer sind wir beide nicht. So, und wie sollen wir dann bitte unsere Grundsteuererklärung machen?", sagt Thomae.

Beim AZ-Besuch vergangene Woche sitzt Kipphan neben ihrer Freundin auf dem Ledersofa von Frau Thomae. Eine digitale Lösung kommt für die beiden, die sich gegenseitig unterstützen, nicht in Frage. Lange haben die beiden Frauen die Erledigung hinausgezögert. Zum Steuerberater wollten sie nicht, dafür sitzt das Geld nicht locker genug.

Mitnehmen geht nicht: Pro Person nur noch ein Formular

Eine Woche vor Abgabeschluss am 31. Januar wollen sie sich das auszufüllende Formular aus dem Internet herunterladen, ausfüllen fertig. "Dann habe ich irgendwo gelesen, es darf nur ein offizielles grünes Formular eingereicht werden", erinnert sich Kipphan.


Die am Knie operierte Thomae macht sich auf zur Stadtinformation am Marienplatz, will dort Formulare für sich und ihre Freundin abholen. "Die wollten mir kein zweites geben, obwohl ich erklärt habe, dass meine Freundin mit dem Rollator nicht kommen kann", sagt Thomae.

Es seien nur noch wenige Formulare da, heißt es. Thomae bekommt kein zweites, lässt sich aber versichern, dass dieses wiederum kopiert werden darf. "Schauen wir mal, ob das nun so in Ordnung ist und wenn es kopiert werden darf, ist es ja auch nicht mehr grün", sagt die 77-Jährige und zuckt mit den Schultern.

Bei der Stadtinformation heißt es auf AZ-Anfrage, die Formulare seien zu dem Zeitpunkt so knapp gewesen, dass pro Bürger nur noch eines ausgegeben wurde. "Wenn die Dame erwähnt hätte, dass es für ihre gehbehinderte oder betagte Freundin ist, hätten wir die Ausgabe sicher nicht verweigert. Aber wenn jemand sagt, er brauche mehrere, weil er sich verschreiben könnte, haben wir zeitweise nur noch eines ausgegeben. Mittlerweile haben wir wieder genügend vorrätig", so eine Sprecherin zur AZ.

Beim Ausfüllen des Formulars ärgern sich die Freundinnen wieder: "Das Formular ist gespickt mit Begriffen aus der Welt der Grundbücher, das ist nicht bürgerfreundlich", findet Kipphan. Selbst die studierte Juristin moniert, die beigelegte Anleitung sei für viele nicht klar verständlich.

"So und jetzt geht's weiter: Soll ich mit meinem Rollator und einem Meterstab meine Wohnung ausmessen?", fragt Kipphan. Beide schauen sich an, lachen, sagen dann ernst: "Nein, das geht nicht!"

Bei Margret Kipphan hilft der Nachbar aus, Thomae entnimmt die Daten einem Architekturplan. Über viele Stunden ärgern sie sich über das Ausfüllen. "Wir sind keine dummen alten Weiber. Wir sind studierte Frauen", betont Kipphan. Aber alleine sei die Aufgabe analog sehr schwer zu bewältigen.

Gewünscht hätten sie sich mehr Hilfsangebote. Auf AZ-Anfrage schreibt das Bayerisches Landesamt für Steuern, es gäbe diverse Serviceangebote und listet fünf auf.

Hilfe beim Ausfüllen: "Eine Infostelle wäre schön gewesen"

Vier davon finden sich online; und eine Telefonhotline gibt es. "Eine Infostelle in München wäre schön gewesen", findet Thomae. Mittlerweile haben die beiden ihre Erklärungen kurz vor knapp abgegeben. "Irgendwann war es uns auch ein wenig wurscht, ob das alles passt, weil wir uns so viel geärgert haben", sagt Kipphan.


Der AZ erzählen sie ihre Geschichte, weil sie kritisieren, dass es für nicht internetaffine, ältere Menschen in München immer schwieriger werde, Bürokratisches analog auszufüllen. Und sie ärgern sich maßlos über die gewählte Sprache in solchen Formularen. Kipphan: "Das ist unverschämt, und so wie uns geht es vielen!"

"Viele Menschen verstehen das nicht. Das kann nicht sein. Das ist nicht bürgernah! Das ist Quatsch!", findet Thomae. Nun hat Bayern vergangene Woche im Alleingang eine Fristverlängerung genehmigt. Die Bürger im Freistaat haben noch bis Ende April Zeit, die Erklärung abzugeben. Die Freundinnen finden das gut. Ihnen persönlich ist es aber nun egal. Thomae: "Die Anleitung habe ich mit großer Freude in den Papierkorb befördert."