"Södolf"
Gericht verurteilt Publizist wegen Beleidigungen gegen Söder und Lauterbach
8. April 2024, 14:40 Uhr
Wegen Beleidigung von Personen des politischen Lebens muss der österreichische Ex-Politiker Gerald Grosz rund 15.000 Euro Strafe zahlen. Er hatte Ministerpräsident Markus Söder „Södolf“ und „Landesverräter“, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach „Horrorclown“ genannt. Einen ersten Strafbefehl über 36.000 Euro hatte Grosz nicht akzeptiert – deswegen stand er am Montag in Deggendorf vor Gericht.
Grosz, der sein Geld mit – wie er sagt – „Politainment“, also politsatirischen Kolumnen und Auftritten verdient, dürfte die große Medienöffentlichkeit auf der Bühne des Amtsgerichts zupasskommen. „Es wird ein Tag voller Skurrilitäten, versprochen“, hatte er zuvor auf Facebook angekündigt, sich auf einem Bild in Boxhandschuhen gezeigt und Söder dort nochmals einen „verlogenen Maulheld“ geziehen.
Um einer „Inszenierung des Prozesses“ zuvorzukommen, hatte das Deggendorfer Gericht den Zugang zum Prozess per Verfügung eingeschränkt. Liveticker oder Nachrichten aus dem Gerichtssaal waren verboten, die Plätze begrenzt.
„In Wahrheit“, sagte Grosz in einer Verhandlungspause, „habe ich schon gewonnen.“ Denn dank der Strafanzeigen und dem folgenden Prozess ist er einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden. Und – so viel vorweg – die Revision gegen das Urteil vom Montag dürfte nur noch mehr Publicity bedeuten.
Gericht hatte Inszenierung des Prozesses befürchtet
Die von Grosz angekündigten Skurrilitäten blieben allerdings aus – wenn auch die Zuschauerbank voll besetzt war und es bei der Inaugenscheinnahme des Videos (die Richterin spielte Ausschnitte per Laptop ab) viel Gegluckse und Gekicher gab.
Zur Verteidigung hatte der Ex-Nationalrat Hochkaräter zur Seite: den medienerfahrenen Alexander Stevens, der schon in der Gerichtsshow um Richter Alexander Hold verteidigte und bei Bayern3 einen True-Crime-Podcast hat; und den wortgewaltigen Holm Putzke, Professor für Strafrecht an der Universität Passau – da hört man keine „Ähs“, dafür umso mehr Theatralik.
Doch das Eröffnungsstatement ließ sich Grosz selbst nicht nehmen – und räumte das Unabstreitbare ein: Ja, er habe das alles so gesagt. Allerdings, so der Kern der Verteidigung: Das macht man doch so beim politischen Aschermittwoch: Man derbleckt. Und Satire sei von der Kunstfreiheit gedeckt. Zuhörer wüssten doch, worum es hier gehe: Markige Sprüche, derbe Angriffe gegen den politischen Gegner.
Klar, einen „Schönheitswettbewerb“ würden seine Aussagen nicht gewinnen. Aber wo solle man sonst hart – „bisweilen niveaulos, das gebe ich zu“ – diskutieren, wenn nicht mit einer Bierdeckel-Rede in diesem Rahmen? Oberstaatsanwalt Oliver Baumgartner widersprach entschieden. Der Hitler-Vergleich („Södolf“) und der Rückgriff auf NS-Rhetorik wie „Landesverräter“ schürten Hass. „Das ist gefährliches Zündeln“, sagte Baumgartner mit Verweis auf den Mord an Walter Lübcke.
Der Kasseler Regierungspräsident war 2019 von einem Rechtsextremisten in seinem Vorgarten erschossen worden.
Machtkritik, auch in drastischen Worten, sei zwar von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber Grosz sei es in seiner Rede um persönliche Kränkung gegangen, nicht um sachliche Auseinandersetzung. Und Satire sei die Rede schon gar nicht: Es sei ein grober Unterschied, ob man als Satiriker beim Nockherberg eine Rede halte oder bei einer Partei-Veranstaltung politisch spreche. „Das ist keine Kunst, was hier gezeigt wurde, sondern eine Straftat.“
Die Verteidigung plädierte dennoch auf Freispruch und kritisierte in ihrem Plädoyer, Ministerpräsident Söder nutze Strafverfolgung als verlängerten Arm seiner politischen Interessen. Man sei sich der politischen Einflussnahme auf die Generalstaatsanwaltschaft sicher und dass das Urteil vorher schon festgestanden habe. Den Verweis auf den Mord an Walter Lübcke kritisierten die Verteidiger scharf. Auch Grosz verwahrte sich gegen Nähe zu nationalsozialistem Gedankengut. „Das ist unmoralisch, was Sie mir heute vorgeworfen haben, Herr Oberstaatsanwalt.“
Kein Meinungskampf, sondern Herabwürdigung
Vorsitzende Richterin Julia Schindler folgte in ihrem Urteil weitgehend dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. So verurteilte sie Grosz wegen der Beleidigungen gegen Söder und Lauterbach zu 90 Tagessätzen, in Summe knapp 15.000 Euro. Der objektive Sachverhalt stehe fest, der Kontext sei klar. Die Beleidigungen Grosz’ hätten nicht dem politischen Meinungskampf gedient, sondern nur der Herabwürdigung. Bei der Strafbemessung berücksichtigte Schindler, dass Grosz geständig war – aber nicht schuldeinsichtig.
Recht bekam Grosz dennoch in einem Punkt. Ein Messer, wie von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, hatte er bei der Rede wohl nicht dabei. Tatsächlich war es wohl ein Flaschenöffner mit Geweihstück als Griff und einer Lederhülle in Form einer Messerklinge. Darum fiel die Strafe niedriger als ursprünglich von der Staatsanwaltschaft gefordert aus.
Grosz sieht sich freilich dennoch als Sieger. Zum einen, weil er mit 90 Tagessätzen knapp einer Vorstrafe entgangen ist. Und natürlich wegen der Bühne, die er bespielen durfte – und weiter bespielen darf. Er kündigte schon vor dem Urteil an, in Berufung gehen und als Kämpfer für die Meinungsfreiheit bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen.
Update vom 16. April: Sowohl die Verteidigung als auch die Generalstaatsanwaltschaft gehen gegen das Urteil in Berufung, wie das Amtsgericht Deggendorf auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.