Umstrittenes Schuldaten-Projekt
FDP Bayern will Söders Verantwortung klären
18. Februar 2022, 5:58 Uhr aktualisiert am 7. April 2023, 14:02 Uhr
Es ist kaum vorstellbar: 2005 schiebt die Regierung ein IT-Projekt für die Schulverwaltung an. 2022 ist es noch immer nicht im Einsatz und die Kosten explodieren. Nun ist neuer Streit vorprogrammiert.
Neuer Ärger wegen eines alten Problems: Wegen eines seit Jahrzehnten völlig aus dem Ruder gelaufenen IT-Projektes der Staatsregierung zur Digitalisierung in der Schulverwaltung will die FDP im Landtag nun die Verantwortung von Ministerpräsident Markus Söder klären. Mitglieder der Fraktion fordern in einer sogenannten Interpellation "Aufklärung und Evaluation" des 2005 vom Kultusministerium gestarteten Projekts Amtliche Schuldaten (ASD) und Amtliche Schulverwaltung (ASV).
Eine Interpellation ist eine große öffentliche Anfrage an die Staatsregierung über besonders wichtige Angelegenheiten. In diesem Fall umfasst sie 86 Fragen, bei denen es auch um die politische Verantwortung von Söder in dessen Amtszeit als Finanzminister, die seines Vorgängers als Ministerpräsident, Horst Seehofer, sowie des damaligen Kultusministers Ludwig Spaenle (alle CSU) geht. Die Interpellation soll an diesem Freitag im Landtag eingereicht werden.
"Krachend gegen die Wand gefahren"
"Wenn man sich mit Digitalprojekten im Kultusministerium beschäftigt, stellen sich einem die Nackenhaare auf. Schon in den 2000er-Jahren, lange vor dem Mebis-Chaos im Distanzunterricht, wurde ein zentrales Softwareprojekt zur Schulverwaltung krachend gegen die Wand gefahren: ASD/ASV. Bis heute ist es nicht abgeschlossen, obwohl dies ursprünglich bereits 2011 der Fall sein sollte", sagte der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Matthias Fischbach, der Deutschen Presse-Agentur in München.
Die Mängelliste sprenge alle Dimensionen, betonte Fischbach. Weiter: "Der Bayerische Oberste Rechnungshof forderte im Sommer 2021 nicht ohne Grund eine Evaluation des gesamten Programms, sondern aufgrund des eklatanten Missmanagements." Er rechtfertigt die umfangreiche Anfrage durch die bisher fehlende Kooperationsbereitschaft der Regierungsfraktionen, die sich mit allen Mitteln gegen die Durchleuchtung des Projekts "sträuben und es dreist zu einem "Erfolgsmodell" verklären". Mit der Anfrage solle eine lückenlose Aufklärung samt Diskussion über die Konsequenzen erreicht werden.
"IT-Millionengrab beim Namen nennen"
"Die Staatsregierung ist in der Pflicht, die Verantwortlichkeiten des IT-Millionengrabes beim Namen zu nennen. Ursprünglich sollte das Projekt 11,3 Millionen Euro kosten, nun sind es laut Staatsregierung bis 2028 voraussichtlich 272 Millionen Euro", betonte der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Helmut Kaltenhauser. Vor allem Spaenle und Söder müssten sich erklären, schließlich sei das Projekt in ihren Amtszeiten als Kultus- bzw. Finanzminister aus dem Ruder gelaufen.
"Wir müssen aus den Fehlern für zukünftige IT-Projekte, wie die BayernCloud-Schule lernen und die Schulverwaltung endlich aus dem vorletzten Jahrzehnt in die Gegenwart holen", sagte Fischbach. Denn Besserung sei bisher nicht in Sicht. Erst kürzlich habe der Vertrag mit dem externen Anbieter für die komplizierte Software um zwei Jahre verlängert werden müssen - weil die IT-Experten am Landesamt für Digitalisierung auch nach vier Jahren das Programm nicht verstanden hätten. "Allein dieser fehlgeschlagene Knowhow-Transfer kostet den Steuerzahler mehr als drei Millionen Euro."
Der Oberste Rechnungshof (ORH) hatte 2004 festgestellt, dass in der Schulverwaltung Daten zwischen Schulen, Schulaufsichtsbehörden und Kultusministerium nur mit hohem Aufwand ausgetauscht werden könnten. Der Landtag beauftragte daraufhin die Regierung, ein übergreifendes Kommunikationskonzept zu erstellen - wodurch sich der Landtag dem ORH zufolge auch Personaleinsparungen erhoffte.
Im vergangenen Jahr bemängelte der ORH aber, dass wichtige Ziele des Projektes noch nicht erreicht seien. Sowohl wegen der Kostenexplosion als auch wegen der immensen Dauer von 23 Jahren sprach der ORH von erheblichen Mängeln beim Projektmanagement. So seien einschlägige Vorschriften und Richtlinien nicht beachtet sowie Ziele - etwa laufend aktuelle Daten zentral zu speichern und eine einheitliche Software zu nutzen - aufgegeben worden.