Bayern
Fachkräftemangel in München: Wo er die Stadt besonders hart trifft
25. Januar 2023, 17:41 Uhr aktualisiert am 25. Januar 2023, 17:41 Uhr
München - Eine Tramlinie fährt zur Zeit nicht. Kitas schicken Kinder früher heim. Und viele Restaurants haben einen Ruhetag eingeführt. Dass in München Arbeitskräfte fehlen, spürt man an vielen Ecken. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat gestern zusammengefasst, wie dramatisch die Situation in München wirklich ist.
Zuerst eine positive Nachricht: München ist, wie es die örtliche DGB-Chefin Simone Burger ausdrückt, eine "Boom-Region". Fast 940 000 Menschen arbeiten hier. Gleichzeitig sind jedoch mehr als 10 000 Stellen derzeit nicht besetzt. "Und das ist nur die Spitze des Eisbergs", glaubt Burger. "Schließlich melden nicht alle Unternehmen ihre offenen Stellen der Arbeitsagentur."
Außerdem ist absehbar, dass sich der Personalmangel in Zukunft weiter verschärft: Rund 18 Prozent der Beschäftigten (also rund 164 000 Menschen) in München sind älter als 55. Zwischen 15 und 25 Jahren sind nicht einmal halb so viele.
Am größten ist der Personalmangel in München im verarbeitenden Gewerbe. Hier kommt laut Burger auf einen Arbeitssuchenden auch eine offene Stelle.
Einen Grund sieht Sibylle Wankel von der IG Metall in den hohen Lebenshaltungskosten: "Von einem Monteursgehalt findet man hier keine Wohnung", sagt sie. Aus ihrer Sicht fehlen in München längst nicht mehr nur Fachkräfte, sondern ganz allgemein Arbeitskräfte - insbesondere bei Firmen, die Lkw herstellen.
Aber auch in der Dienstleistungsbranche fehlen Mitarbeiter, stellt Claudia Weber von Verdi fest. Der Flughafen München sucht 400 Leute in der Abfertigung und 200 im Sicherheitsbereich, erzählt sie. Allerdings liege der Verdienst in der Branche nur bei etwa 1800 Euro netto. "In München kann man so nicht überleben."
Weber weiß außerdem, dass in München vor allem Sozialpädagogen und rund 1000 Erzieher fehlen. Ein Grund dafür sei, dass eine Ausbildung zum Erzieher für viele unattraktiv erscheint. Denn Geld verdient man während der Ausbildung keines. Auch die Arbeitsbedingungen seien schwieriger geworden, sagt Weber. Weil die Dokumentationspflicht und die Bürokratie in Kitas inzwischen so groß geworden sei, wünschen sich viele Einrichtungen eine eigene Verwaltungskraft.
Ähnliche Forderungen stellt Alexander Lungmus, der mit seiner Gewerkschaft GEW für Lehrkräfte zuständig ist. Schulkrankenschwestern und Sozialpädagogen könnten helfen, damit sich Lehrer besser um ihre eigentlichen Arbeiten kümmern könnten, glaubt er. Lungmann fordert außerdem kleinere Klassen. Ansonsten droht aus seiner Sicht eine Verschärfung. Alleine an den Münchner Realschulen kündigen im Jahr 80 Lehrer, die aufs Land wollen, schildert er.
Doch wo sind die Arbeitnehmer sonst alle abgeblieben? Ein großes schwarzes Loch, in das sie alle eingesaugt werden, gibt es nicht, versichert Burger vom DGB. Vielmehr gebe es einen Mangel, weil das Wachstum so groß sei. Zum Beispiel sind alleine im Sektor "Information und Kommunikation" innerhalb eines Jahres fast 8500 Beschäftigungsverhältnisse dazu gekommen. Auch Corona hat einen Anteil. Gerade bei BMW in der Fertigung arbeiteten viele Polen, erzählt Sibylle Wankel. Während des Lockdowns seien sie in die Heimat gegangen und nicht wieder gekommen.
Und wie lässt sich der Mangel lösen? Auf jeden Fall nicht durch längere Schichten, da ist sich Burger sicher. "Ab der zwölften Arbeitsstunde ist das Unfallrisiko doppelt so hoch verglichen mit einem normalen Arbeitstag." Auch ein späterer Renteneintritt ist aus ihrer Sicht keine Lösung - weil es schlicht keine Arbeit gibt, die man so lange durchhalten würde, glaubt sie.
Helfen können stattdessen gute Löhne, mehr Qualifizierung und bessere Arbeitsbedingungen. Die Arbeiterwohlfahrt Augsburg hat die Wochenarbeitszeit zum Beispiel um vier Stunden abgesenkt - bei gleichem Lohn. Solche Modelle locken Mitarbeiter an, meint Burger.