Verbraucher
Umsatz im Einzelhandel sinkt
2. Mai 2023, 13:51 Uhr
Die Konsumzurückhaltung der Verbraucher in Deutschland setzt dem Einzelhandel immer mehr zu. Im März schrumpfte der preisbereinigte Umsatz der Unternehmen gemessen am Vorjahresmonat kräftig. Im Handel mit Lebensmitteln errechnete das Statistische Bundesamt den stärksten Erlösrückgang seit fast 30 Jahren. Ökonomen warnen, dass offenbar besonders arme Menschen bei Nahrungsmitteln noch mehr sparten. Bei den zuletzt großen Kaufkraftverlusten der Bevölkerung wegen der Inflation gebe es aber Hoffnung auf Besserung.
Im März setzte der deutsche Einzelhandel nach vorläufigen Berechnungen der Wiesbadener Statistiker preisbereinigt (real) 2,4 Prozent und nominal 1,3 Prozent weniger um als im Februar. Gemessen am Vorjahresmonat März 2022 schrumpfte der reale Umsatz deutlich um 8,6 Prozent und einschließlich der stark gestiegenen Preise um 0,2 Prozent. Schon im Februar hatte es Umsatzeinbußen gegeben.
Besonders auffällig: Der Erlös mit Lebensmitteln fiel im März preisbereinigt um gut zehn Prozent binnen Jahresfrist. "Dabei handelt es sich um den stärksten Umsatzrückgang zum Vorjahresmonat seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994", teilten die Statistiker am Dienstag mit. Ein Grund dafür dürften die teuren Nahrungsmittel sein, deren Preise im März im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 22 Prozent stiegen. Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln sei damit dreimal so hoch wie die Gesamtteuerungsrate von 7,4 Prozent im März gewesen. Auch im Geschäft mit Nicht-Lebensmitteln und selbst im lange boomenden Online- und Versandhandel sank der Umsatz real spürbar.
Der Rückgang der Einzelhandelsumsätze spiegle die durch Energiepreisschock und hohe Inflation fallende Kaufkraft der privaten Haushalte wider, kommentierte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. Kaufkraftbereinigt lägen die Umsätze nicht nur unter den Werten aus den Corona-Jahren, sondern auch spürbar unter dem Niveau vom Frühjahr des letzten Vorpandemie-Jahres 2019.
"Bedenklich ist dabei vor allem, dass auch die Umsätze mit Lebensmitteln deutlich zurückgehen. Hier ist davon auszugehen, dass besonders ärmere Familien, die ohnehin oft qualitativ schlechtere Nahrungsmittel kaufen, nun noch einmal weiter sparen", sagte Dullien. Familien mit geringen Einkommen seien Analysen zufolge stärker von der Inflation betroffen als Besserverdiener.
Zuletzt hatte es Kritik an den stark gestiegenen Lebensmittelpreisen gegeben. Sie sind nach Einschätzung des Kreditversicherers Allianz-Trade nur auf gestiegene Rohstoffkosten und Energiepreise zurückzuführen. Der Allianz-Trade-Inflationsexperte Andy Jobst sprach von "übermäßigen Gewinnmitnahmen" und Anzeichen von zu wenig Wettbewerb in Bereichen mit besonders starken Preissteigerungen, zum Beispiel bei Herstellern von Milchprodukten und Eiern, aber auch bei nicht-saisonalem Gemüse und Obst. Internationale Konsumgüterhersteller hatten die Vorwürfe zurückgewiesen.
Die anhaltend hohe Inflation belastet die Kaufkraft der Verbraucher in Deutschland schon länger und dämpft den Konsum. Im vergangenen Jahr waren die Löhne unter Berücksichtigung der Verbraucherpreise um vier Prozent gesunken. Das war das dritte Jahr in Folge mit fallenden Reallöhnen und das stärkste Minus seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008. Den Menschen bleibt damit deutlich weniger Geld in der Tasche.
Im Mai habe sich die Verbraucherstimmung zwar leicht erholt, stellte der Handelsverband Deutschland (HDE) in seinem Konsumbarometer fest. Insgesamt seien die Menschen aber eher verhalten. Der private Konsum werde in den kommenden Monaten voraussichtlich kein Wachstumstreiber für die deutsche Konjunktur sein. Der Verband hatte erst kürzlich ein Ladensterben wegen der Konsumzurückhaltung und steigender Kosten prognostiziert. In diesem Jahr dürften etwa 9000 Geschäfte aufgeben, befürchtet der HDE. So hat etwa der Schuhhandel große Probleme.
Besserung in Sachen Konsumstimmung könnte es mit hohen Tarifabschlüssen geben. In den kommenden Monaten dürften die Kaufkraftverluste dank stärker steigender Löhne sowie steuer- und abgabenfreier Inflationsausgleichprämien zurückgehen, glaubt Ökonom Dullien. Dann dürfte sich auch der private Konsum allmählich erholen. Das Niveau von 2019 dürfte allerdings frühestens 2025 wieder erreicht werden: "Der Energie- und Nahrungsmittelpreisschock bedeutet damit ein halbes verlorenes Jahrzehnt für die Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland."