Außenhandel
Studie: Chinas Bedeutung für deutsche Exporte könnte sinken
20. April 2023, 5:38 Uhr
Die Bedeutung Chinas für deutsche Exporte könnte in den kommenden Jahren nach einer Studie abnehmen. Der chinesische Markt könnte demnach von deutschen Investoren zunehmend durch Produktion vor Ort bedient werden - mit möglichen Folgen für Jobs in Deutschland. Außerdem gibt es eine zunehmende "Systemrivalität" mit China, wie aus der Studie unter anderem des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) weiter hervorgeht.
In der Bundesregierung gibt es eine Debatte über eine neue China-Strategie. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht im Westen wegen Menschenrechtsverletzungen, des Säbelrasselns gegenüber Taiwan und des forscheren außenpolitischen Auftretens in der Kritik. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte deutlich gemacht, einseitige Abhängigkeiten zum Beispiel bei wichtigen Rohstoffen sollten vermieden, Lieferwege breiter aufgestellt und neue Märkte abseits von China erschlossen werden. Der konservative SPD-Flügel hingegen warnte vor einer "Anti-China"-Strategie.
Der BDI hatte 2019 eine Neupositionierung im Verhältnis zu China unternommen. In einem Grundsatzpapier war die Rede vom "Systemwettbewerb" zwischen dem Modell einer liberalen, offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft. In der neuen Studie ist die Rede von zunehmender "Systemrivalität". Sie stammt von der Bertelsmann Stiftung, dem Institut der deutschen Wirtschaft, dem China-Institut Merics und dem BDI.
China sei im vergangenen Jahrzehnt als Investitions- und Produktionsstandort für deutsche Firmen zwar deutlich wichtiger geworden. Es gebe aber keine volkswirtschaftliche Abhängigkeit von Direktinvestitionen in China, heißt es. Laut der Studie entfielen auf China im Jahr 2020 nur knapp 7 Prozent deutscher Direktinvestitionen im Ausland. Im Vergleich zur EU und Großbritannien mit 43 und zu den USA mit 27 Prozent sei Chinas Bedeutung als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen damit deutlich geringer.
Aus den Investitionen deutscher Unternehmen in China flossen laut Analyse zwischen 2017 und 2021 jährlich Gewinne in Höhe von sieben bis elf Milliarden Euro nach Deutschland zurück. China spiele damit im Vergleich zur EU für die deutsche Wirtschaft weiterhin eine untergeordnete Rolle. Die Gewinnrückflüsse aus China erzeugten aus gesamtwirtschaftlicher Sicht keine kritische Abhängigkeit.
China bleibe ein wichtiger Investitionsstandort für deutsche Unternehmen - allerdings hätten sich die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen unter Präsident Xi Jinping stark verändert. China verfolge das langfristige wirtschaftspolitische Ziel, bis 2049 zur weltweit führenden Industrie- und Technologienation zu werden, heißt es in der Studie. "Dazu sollen chinesische Abhängigkeiten von ausländischen und insbesondere westlichen Technologien reduziert werden. Im Gegenzug soll die Weltwirtschaft abhängiger von chinesischer Technologie und vom chinesischen Absatzmarkt werden."
Konkrete Maßnahmen und Ansätze hierfür beinhalteten unter anderem gezielte Zukäufe im Ausland, mehr eigenständige Innovation durch chinesische Unternehmen - aber auch mehr lokale Produktion sowie Forschung und Entwicklung durch ausländische Unternehmen in China. Dies solle durch einen "Mix aus Anreizen, Lokalisierungsvorgaben und politischem Druck" erreicht werden, heißt es.
Die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage unter drei Dutzend großer Firmen mit relevantem China-Engagement zeige: Eine klare Mehrheit wolle bis 2030 Exporte aus Deutschland durch Produktion vor Ort ersetzen. Auch solle China zunehmend als Forschungsstandort und für den Export in Nachbarländer genutzt werden.
Chinas Bedeutung als "Wachstumstreiber" für deutsche Exporte könnte in Zukunft abnehmen. Der Export aus Deutschland nach China aber bringe starke positive Effekte auf den Standort Deutschland mit sich, etwa in Form von Arbeitsplätzen. Einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge hingen im Jahr 2018 etwa 2,7 Prozent der deutschen gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und 2,4 Prozent der Gesamtbeschäftigung direkt und indirekt vom Export nach China ab - inzwischen dürften es jeweils um die 3 Prozent sein.
Im vergangenen Jahr war China nach Daten des Statistischen Bundesamts erneut wichtigster Handelspartner Deutschlands. Während aber der Wert der Warenimporte aus China gegenüber dem Vorjahr um 33,6 Prozent auf 191,1 Milliarden Euro zunahm, stieg der Wert der nach China exportierten Waren nur um rund 3 Prozent auf 106,8 Milliarden Euro. Daraus ergab sich ein Rekord-Handelsdefizit von 84,3 Milliarden Euro. Die meisten deutschen Exporte gingen 2022 in die Vereinigten Staaten, dahinter folgten Frankreich und die Niederlande - und dann China.