Wirtschaft

Studie: Akute Wohnungsnot im Alter für Babyboomer

Eine neue Prognose zeigt düstere Aussichten für die Generation der Baby-Boomer. Viele könnten in Zukunft kein bezahlbares und barrierefreies Zuhause finden


Eine Wohnung im Alter finden? Das dürfte für viele Babyboomer schwierig werden, wie eine Zukunftsprognose zeigt.

Eine Wohnung im Alter finden? Das dürfte für viele Babyboomer schwierig werden, wie eine Zukunftsprognose zeigt.

Von Rosemarie Vielreicher, shy/dpa

Hannover/München - Sorgenfreier Lebensabend? Dieser Wunsch rückt für viele Ältere in die Ferne. Gerade wenn es ums Geld geht. Steigende Preise, Energiekosten, Angst vor teurer Pflege. Und dann kommen da erst noch die steigenden Mieten dazu. Oder die Angst, gar kein geeignetes Daheim ohne Stolperfallen zu finden.

Dem Pestel-Institut aus Hannover zufolge sind die Sorgen begründet: Immer mehr Rentner werden sich das Wohnen künftig nicht mehr leisten können. Das Institut hat gestern im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel die Wohnungsbau-Sozial-Studie "Wohnen im Alter" auf der Messe Bau in München vorgestellt. Der Fokus lag dabei auf der Generation der Baby-Boomer.

Die Experten sehen folgende Entwicklung voraus: In 20 Jahren werden über 21 Millionen Menschen über 67 Jahre und älter sein - das sind 3,6 Millionen mehr als heute. Wo sollen sie alle altersgerecht wohnen?

Auf die Rentengeneration der geburtenstarken Jahrgänge sei der Wohnungsmarkt "ganz und gar nicht" vorbereitet, bilanziert das Institut. Schon jetzt fehlten demnach bundesweit rund 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen, in denen man etwa mit Rollstuhl oder Rollator zurechtkommt. Ohne Stufen und Schwellen, mit breiten Fluren. Diese Situation wird sich weiter verschärfen. Für Bayern wird vorausgesagt, dass im Jahr 2030 etwa 457 000 Senioren-Wohnungen benötigt werden. Im Jahr 2050: 520 000.

"Deutschland rast gerade mit 100 Sachen in die ‚Graue Wohnungsnot', teilt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, dazu mit. Den politischen Umgang damit nennt er: Vogel-Strauß-Taktik. Einerseits fehlten altersgerechte Wohnungen, nur rund 600 000 Rentnerhaushalte lebten heute in barrierefreien Wohnungen. "Im Jahr 2040 werden rund 3,3 Millionen altersgerechte Wohnungen gebraucht. Dass es die Seniorenwohnungen dann auch tatsächlich geben wird, ist aus heutiger Sicht allerdings reines Wunschdenken." Andererseits müssten sich in Zukunft zwei Drittel der älteren Haushalte, die in einer Mietwohnung lebten, einschränken, weil die Renten nicht mehr ausreichten. "In Zukunft werden deutlich mehr Menschen als heute auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben."

Größtes Risiko, im Alter arm zu werden, ist der Untersuchung zufolge, wenn man auf Pflege angewiesen sei. Heute koste die stationäre Pflege im Schnitt schon 2410 Euro pro Monat. "Mehr als die Hälfte der Seniorenhaushalte hat allerdings weniger als 2000 Euro netto im Monat zur Verfügung. Am Ende ist es also ganz oft der Staat, der einspringen muss", heißt es in der Mitteilung. Allein dies wäre ein guter Grund, dafür zu sorgen, dass Menschen möglichst lange daheim leben könnten.

Dass die Bundesregierung hier nachbessert, sieht das Institut nicht. Im Gegenteil: Der Bund bremst demnach den altersgerechten Umbau von Wohnungen aus. So biete die staatliche KfW-Bank dafür heute keine Zuschüsse mehr. Stattdessen gebe es ein Kreditprogramm mit Zinsen ab drei Prozent und Laufzeiten von bis zu 30 Jahren. Günther: "Das ist eine Farce: Welcher 70-Jährige bindet sich noch so einen Kredit ans Bein, um sein eigenes Haus oder seine Eigentumswohnung altersgerecht umzubauen?"

Die Forderungen: mehr Umbau, mehr Neubau. Es brauche etwa ein Programm für altersgerechtes Wohnen mit Zuschüssen fürs selbstgenutzte Wohneigentum. Zudem Förderprogramme für die Aufteilung von Ein- und Zweifamilienhäusern.

Auch die Linke fordert deutlich mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und Änderungen im Mietrecht zugunsten von Senioren und jungen Familien. "Statt der bisher knapp drei Milliarden Euro Förderung im Jahr sind mindestens 15 Milliarden Euro nötig, um Wohnungen für Gering- und Durchschnittsverdiener zu schaffen", sagte die wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Caren Lay, gestern.

Sie nannte die drohende Wohnungsnot für Seniorinnen und Senioren alarmierend und beschämen für Deutschland. "Hier rächt sich eine untätige Wohnungspolitik und eine falsche Rentenpolitik."