Arbeit

Priesterin gewinnt Klage: Mindestlohn im Yoga-Ashram

Yoga Vidya betreibt bundesweit Yoga-Zentren und bietet Tausende Kurse an. Mitglieder leisten Seva - uneigennützige Dienste. Doch ist ein Taschengeld dafür genug?


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Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Ja, die Klägerin, hat Arbeitnehmerstatus und damit Anspruch auf Mindestlohn.

Eine geweihte Priesterin, die in Ashram-Tradition lebte und als "Sevaka" (Dienende) nach Spiritualität strebte: Deutschlands höchste Arbeitsrichter hatten es am Dienstag in Erfurt mit einem nicht alltäglichen Fall zu tun. Es ging um die Gemeinschaft Yoga Vidya e.V. mit Hauptsitz in Horn-Bad Meinberg in Nordrhein-Westfalen - nach eigenen Angaben für Yogalehrer Europas größtes Aus- und Weiterbildungszentrum.

Zu klären war vom Bundesarbeitsgericht, ob es sich dabei um eine religiöse Gemeinschaft handelt und ob die "Sevaka", die uneigennützige Dienste leisten, in einem Arbeitsverhältnis stehen und mehr als ein Taschengeld von nach Gerichtsangaben in der Regel 390 Euro monatlich erhalten müssen.

Die Entscheidung fiel eindeutig aus: Ja, die Klägerin, eine langjährige "Sevaka", habe Arbeitnehmerstatus und damit Anspruch auf Mindestlohn. Das Urteil des Neunten Senats (9 AZR 253/22) kann erhebliche finanzielle Folgen für die bundesweite agierende Yoga-Gemeinschaft mit ihren nach eigenen Angaben 252 Sevakas haben.

Die Klägerin, Volljuristin und geweihte Priesterin mit der Befähigung, bestimmte Rituale zu vollziehen, war von 2012 bis 2020 Mitglied der Gemeinschaft. Die Vereinsmitglieder lebten laut Satzung "in spirituellen Gemeinschaften in alter indischer religiöser Ashram- und Klostertradition und widmen ihr Leben ganz der Übung und Verbreitung der Yoga-Lehren" - umschrieben die Richter den Fall. Die heute 42-Jährige hatte einen Vertrag mit dem Verein, der sie unter anderem zu Seva-Diensten verpflichtete.

Sie war nach eigenen Angaben wöchentlich 42 Stunden unter anderem in der Seminarplanung oder im Onlinemarketing eingesetzt. Als Sevaka war sie gesetzlich sozialversichert, erhielt Unterkunft und Verpflegung gratis sowie ein Taschengeld. Die Frau pochte darauf, dass ihr für ihre geleisteten Dienste eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zusteht - es geht ihr um mehr als 46.000 Euro seit 2017. Ihr Anwalt sagte zu dem Verein in der Verhandlung: "Wir haben ein aggressiv auf dem Yoga-Markt auftretendes Unternehmen, das wirtschaftliche Ziele verfolgt." Und: "Yoga ist keine Religion."

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter mussten zunächst klären, ob der Verein mit vier Seminarhäusern (Ashram) an der Nordsee, im Westerwald, im Allgäu und im Teutoburger Wald im Sinne des Grundgesetzes eine Religionsgemeinschaft ist und damit einige Sonderrechte hat. "Was ist jetzt die Religion, die Weltanschauung?", frage der Vorsitzende Richter, Heinrich Kiel, den Anwalt des Vereins. In seinem Urteil sagte Kiel, der verklagte Yoga-Verein sei "weder eine Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes". Es fehle das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung.

Und: Die Klägerin habe weder als Vereinsmitglied noch als Mitglied einer weltanschaulichen Gemeinschaft, sondern als Arbeitnehmerin Dienste erbracht. Ihr stehe Mindestlohn zu, weil sie weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit geleistet habe. "Kost und Logis sind auf die Erfüllung des Mindestlohns nicht anzurechnen", so der Richter. Über dessen Höhe muss nun das Landesarbeitsgericht Hamm erneut verhandeln.

Der Yoga Vidya e.V bezeichnete das Urteil zu der Mindestlohnklage als irritierend. Es entspreche weder dem Selbstverständnis der Gemeinschaft "noch unserer Lebenswirklichkeit", erkläre die 2. Vorsitzende, Swami Nirgunananda (Siglinde Langer). Nach Vorlage der Urteilsbegründung solle geprüft werden, "ob wir uns gegen diese Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wehren".

Yoga Vidya sehe sich als weltanschauliche Lebensgemeinschaft und baue auf das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Die Gemeinschaft verwaltet sich - ähnlich wie christliche Klöster - selbst. Die Einnahmen aus gebührenpflichtigen Kursen und Seminaren werden nach Angaben einer Sprecherin reinvestiert - in den Ausbau des Seminarprogramms oder den Betrieb der Gebäude.