Wirtschaft
Heizen mit Geothermie: Die Energie der Erde
1. Februar 2023, 12:06 Uhr aktualisiert am 1. Februar 2023, 14:42 Uhr
Eigentlich ging es nur darum, einem Kunden bei der Fehlerbehebung zu helfen. Das Münchner Gebäudetechnik-Unternehmen Caverion, dessen Bereich Digitales und Energie Andreas Blassy verantwortet, wurde wegen Problemen mit der Wärmeversorgung in einem Hotel gerufen. Caverion passte bei der Versorgung des Gebäudes mit Geothermie technische Parameter so an, dass die Rücklauftemperatur sehr stark nach unten ging. Und das, so schreibt der Bundesverband Geothermie, "wirkt sich positiv auf die thermische Wärmeerzeugung aus, insbesondere bei der Abgaskondensation".
Geothermie-Anlagen befördern die Erdwärme mit heißem Wasser als Träger aus verschieden tiefen Erdschichten (bei oberflächennaher Geothermie bis zu einer Tiefe von 400 Metern) durch Sonden oder Kollektoren an die Oberfläche und geben die Wärme an Kunden ab. Das abgekühlte Wasser geht letztlich wieder zur Anlage zurück (siehe Grafik).
Der Unterschied zwischen der sogenannten Vorlauf- und der Rücklauftemperatur "bestimmt zusammen mit dem umgewälzten Volumen die entzogene Wärmeleistung", so der Bundesverband weiter. "Aus diesem Grund ist es anzustreben, dass die Rücklauftemperatur möglichst niedrig ist."
Inzwischen kooperiert Caverion unter anderem mit Energie-Wende-Garching. In einem Zeitraum von elf Monaten konnten durch die Optimierung des Systems, die unter anderem zur Senkung der Rücklauftemperaturen führt, 278 Megawattstunden (MWh) Energie eingespart werden. Die Wärmeleistung stieg von 7500 auf 10 000 Kilowatt in etwa einem Jahr.
Mithilfe der Anpassung ließe sich zudem Versorgungssicherheit herstellen, sagt Blassy der AZ. Das System könne man auch auf andere Nutzer ausdehnen. Mittlerweile hat Caverion Blassy zufolge fast ein Dutzend Anlagen analysiert.
Viele sehen in Geothermie eine Möglichkeit, der Abhängigkeit von Gas zu entkommen. Bayern bietet sich dafür aufgrund seiner Bodenbeschaffenheit besonders an. Bundesweit gibt es (Stand 2022) 42 Geothermie-Anlagen. Bei sachgerechter Bewirtschaftung sei Erdwärme als Energiequelle "unerschöpflich", schreibt das Bayerische Landesamt für Umwelt. Die Umwelteffekte, also Auswirkungen auf Natur und Gesundheit, sind dem Umweltbundesamt zufolge "lokal begrenzt und technisch beherrschbar".
Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat das Thema im Blick. "25 Prozent und mehr des Wärmebedarfs von Wohnungen im Freistaat könnte durch Geothermie abgedeckt werden", heißt es aus dem Ministerium, das gleichzeitig auf einen Grund hinweist, warum man derzeit nicht so weit ist: hohe Kosten für die Erschließung.
"Ein Geothermiekraftwerk kostet sehr viel Geld", sagt auch Andreas Blassy. Mit einem zweistelligen Millionenbetrag müsse man rechnen. Außerdem müsse man als Anlagenbetreiber die Wärme "rund um die Uhr losbekommen, das heißt, sie brauchen garantierte Abnehmer, sonst lohnt sich das nicht". Dazu müsse erst ein ganzes Fernwärmenetz gebaut werden. "Das ist auch sehr teuer."
Viele Kunden, sagt Blassy, wollten gerne Siedlungen anschließen. "Das funktioniert aber nicht rentabel." Die Kosten pro Meter Leitung seien so hoch, dass sich selbst nach 20 oder 30 Jahren die mögliche Einsparung nicht rechnen werde. Für einen stärkeren Ausbau der Geothermie brauche man konstante Großabnehmer wie Industrie oder Gewerbe - oder zumindest eine aktive Förderung der Kommune.
Ein weiteres Problem: der Faktor Zeit. "Eine Geothermie-Anlage zu planen, zu konfektionieren und umzusetzen, nimmt sehr, sehr viel Zeit in Anspruch", sagt Blassy. Von Probebohrungen bis Inbetriebnahme könnten Jahre vergehen.
Kann die Geothermie nun das Ruder herumreißen in puncto Abhängigkeit von fossilen Energien? Ein "Gamechanger" sei sie auf keinen Fall, sagt Blassy. Geothermie gebe es nicht überall, sei also regional begrenzt. Auch Fachkräfte seien rar.
Caverion etwa versuche zu wachsen, werde aber durch den Arbeitsmarkt ausgebremst. Bis zu drei Jahre dauere es, bis Mitarbeiter Anlagen einrichten könnten.
"Es wird so sein, dass wir mehrere verschiedene Energiequellen nutzen", glaubt Blassy in Bezug auf die Zukunft der Versorgung. Schließlich sei Windkraft nur bei Wind, Solarenergie nur bei Sonnenschein nutzbar. Nur in Kombination könne man irgendwann CO2-neutral werden. Dafür aber sei eine Geothermie-Anlage "von allen Energieerzeugern optisch und physisch am harmlosesten anzusehen", gering im Flächenverbrauch und zudem weitgehend wartungsfrei.
Auch die Stadtwerke München setzen massiv auf Tiefengeothermie - vor allem mit ihr soll das Ziel erreicht werden, bis spätestens 2040 den Münchner Bedarf an Fernwärme CO2-neutral zu decken. Und in Sendling wurde Deutschlands größte Geothermieanlage errichtet.