idowa fragt nach

„Bon-Pflicht“: Entkommt jemand der Zettelwirtschaft?


Ein Kassenbon für jeden Cappuccino? So will es ein Gesetz, das im Herbst 2020 in Kraft tritt. (Symbolbild)

Ein Kassenbon für jeden Cappuccino? So will es ein Gesetz, das im Herbst 2020 in Kraft tritt. (Symbolbild)

Von Stefan Karl

Für jede Tüte Bonbons einen eigenen Bon? So fordert es ein Gesetz, das ab September 2020 gelten soll. Unternehmer können sich "im Einzelfall" von dieser Nachweispflicht befreien lassen. Wie aber soll so ein "Ausnahmefall" aussehen?

Ostbayerische Unternehmervertreter laufen Sturm gegen ein Gesetz, das eigentlich zum Nutzen der Betriebe sein soll. Ihre Befürchtung: Statt schwarze Steuer-Schafe zu entlarven, wird die "Pflicht zum Kassenbon" eine Flut geschwärztes Papier erzeugen. Für jeden kleinen Einkauf eine Quittung, womöglich auf Thermopapier - auch Umweltschützer finden die Regelung reichlich halbgar. Wie die IHK Niederbayern und das Landesamt für Steuern betonen, lässt das Gesetz Ausnahmen zu. Über die Ausgestaltung allerdings lässt sich das zuständige Landesamt für Steuern nicht aus.

Was qualifiziert einen Betrieb zum "Ausnahmefall"? Das scheint derzeit unklar. Petra Steinberger, die Vorsitzende des Handelsausschusses der IHK Niederbayern, ist auf jeden Fall sauer über das, was ab Herbst 2020 Gesetz werden soll: "Es ist hier wie so oft bei bürokratischen Vorschriften", sagt sie gegenüber idowa: "Die Unternehmer teilen das zugrundeliegende Ziel durchaus. Ein ehrbarer Kaufmann ist kein Steuerbetrüger - und derjenige, der doch Steuern hinterzieht, verschafft sich einen illegalen Wettbewerbsvorteil. Nur ist die Umsetzung in der gesetzlichen Regelung so praxisfern, auch für die Kunden, dass sich an dem grundsätzlich positiven Nutzen zweifeln lässt."

Seit die Pläne bekannt sind, suchen Steinberger und ihre Kollegen nach einer Lösung - denn das Gesetz lasse durchaus Ausnahmen zu: "Das Gesetz erlaubt eine "digitale Quittung". Dafür gibt es zum Beispiel App-Lösungen. Es ist aber fraglich, ob jeder Kunde ein Smartphone hat, auf dem dann auch noch die entsprechende App installiert ist." Auch eine E-Mail könne die Quittung ersetzen. Mit einem großen Aber, das folgt: "Dem Kunden die Quittung per E-Mail zu schicken, dürfte ebenfalls keine praktikable Lösung sein, beispielsweise mit Blick auf die umfassenden Regeln zum Datenschutz." Hinzu kommt, dass sich wohl niemand über ein überquellendes E-Mail-Postfach freuen dürfte, weil zwei Sandwich-Käufe beim Bäcker, ein Glühwein und ein Snack auf dem Christkindlmarkt oder eine Tüte Bonbons als jeweils eigene E-Mail herangeflattert kommen.

"Ein Lichtblick" ist laut Petra Steinberger aber: "Das Finanzamt kann auf Antrag Unternehmen von der Pflicht zum Kassenbon befreien, wenn es sich, Zitat ‚um Verkäufe von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen handelt'." Was aber ist ein solcher Einzelfall? Birgit Geißler vom zuständigen Bayerischen Landesamt für Steuern bestätigte auf unsere Anfrage: "[Es] kann bei einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen auf Antrag und mit Zustimmung der zuständigen Behörde aus Zumutbarkeitsgründen von einer Belegausgabepflicht abgesehen werden." Allerdings auch: "Eine Befreiung (...) kann nur für den jeweiligen Einzelfall beantragt und gewährt werden, wenn nachweislich eine sachliche Härte für den einzelnen Betrieb besteht."

Welche Formulare auszufüllen, welche Nachweise zu erbringen sind - das ließ die Behörde idowa gegenüber offen.