Wirtschaft

Autos für alle: Ein Erfolgsmodell

Carsharing-Angebote boomen. Das zeigen aktuelle Zahlen des Bundesverbands. Gerade München steht im Deutschland-Vergleich sehr gut da, doch es gibt Luft nach oben. Welche Faktoren Anbieter hemmen.


Die Nachfrage nach Leihautos steigt, doch es gibt noch Hindernisse.

Die Nachfrage nach Leihautos steigt, doch es gibt noch Hindernisse.

Von Martina Scheffler

Zweiter Platz für München bei der Carsharing-Statistik 2023: Bei der Versorgung mit Leihautos in deutschen Städten, die der Bundesverband Carsharing (bcs) für das abgelaufene Jahr untersucht hat, landet die Landeshauptstadt auf dem Silberrang. Nur Karlsruhe hat noch bessere Zahlen vorzuweisen.

Pro 1000 Einwohner verfügte München im vergangenen Jahr über 2,02 Carsharing-Fahrzeuge, hinter Karlsruhe mit 4,34 und vor Berlin mit 1,98 und Hamburg mit 1,89.

Der deutliche größere Anteil entfällt in München wie auch in den anderen Millionenstädten auf sogenannte Free-floating-Fahrzeuge, die also nicht an einer festen Station abgeholt und abgestellt werden müssen. In München sind das 1,67 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner. Dazu kommen 0,35 stationsbasierte Wagen.

Insgesamt habe es 2022 eine "stark steigende Nachfrage nach Carsharing" gegeben, sagte bcs-Geschäftsführer Gunnar Nehrke gestern. Dennoch sei die Entwicklung durch externe Faktoren gebremst worden. So gebe es eine "schwierige Fahrzeugverfügbarkeit, zu wenig Stellplätze im öffentlichen Raum" sowie eine fehlende Förderung von Ladeinfrastruktur für Carsharing. Zudem müsse man wie allgemein beim Pkw-Verkehr auch im Bereich der Leihautos mit steigenden Energie- und Treibstoffpreisen kämpfen. Das habe Preisanpassungen auf breiter Front erfordert - bei manchem Anbieter allerdings erstmals seit 15 Jahren, wie Nehrke sagte.

Da aber auch die Anschaffungs- und Fixkosten für private Autos immer weiter in die Höhe gingen, werde das Zahlungsmodell der Leihwagen, nur zu zahlen, wenn das Fahrzeug auch wirklich genutzt wird, immer attraktiver. Auch vom 49-Euro-Ticket ab dem Frühjahr verspricht sich Nehrke Rückenwind für seine Branche, da dies eine weitere Konkurrenz für Privatautos bedeute.

Die Mehrheit der Anbieter schreibe schwarze Zahlen - "und das seit Jahren".

Zum Stichtag 1. Januar 2023 verzeichnete der bcs mit 4,47 Millionen bei den Verbänden angemeldeten Fahrberechtigten (Doppelzählungen möglich) ein Plus von 31,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei der Zahl der Fahrzeuge mit knapp 34 000 ein Plus von 12,4 Prozent. Auch die Zahl der Städte und Gemeinden mit einem Carsharing-Angebot wuchs um 147 auf 1082, ein Plus von 15,7 Prozent. Dennoch sind dies nur zehn Prozent aller Kommunen in Deutschland.

In Großstädten allerdings erreichen Carsharing-Angebote bereits eine Abdeckung von 91,3 Prozent, in Kommunen mit weniger als 20 000 Einwohnern dagegen nur von 6,7 Prozent.

Der jeweils größere Anteil des Wachstums bei Kunden und Autos entfiel im vergangenen Jahr auf die Free-floating-Angebote.

Ein weiterer Kritikpunkt Nehrkes an der Politik: Carsharing sei bei der Elektrifizierung momentan gegenüber Privat-Pkw "sehr deutlich schlechter" gestellt. "Bei der Förderung der Ladeinfrastruktur wird gar nicht berücksichtigt, dass es Carsharingfahrzeuge überhaupt gibt." Die Bundesregierung müsse dieses Problem für alle öffentlich zugänglichen Fahrzeugangebote dringend lösen. Zudem werde die Anschaffung von Elektrofahrzeugen durch den Bund nur noch für eine private Anschaffung gefördert. "Das stellt das Carsharing vor erhebliche Probleme."

Bislang sei der Anteil von E-Autos an den Flotten verglichen mit dem Gesamtanteil in Deutschland mit 20,5 Prozent zum 1. Januar 2023 (national 3,3 Prozent) sehr hoch. Doch er mache sich Sorgen, dass der E-Auto-Anteil genauso dynamisch weiterwachsen werde wie die gesamte Flotte, sagte Nehrke.

Grundsätzlich habe Carsharing ein hohes Klimaschutzpotenzial, sagte der bcs-Geschäftsführer. "Man kann mit Carsharing den Klimaschutz deutlich voranbringen." Nach einer Einschätzung des Umweltbundesamtes von 2017 könnten CO2-Emissionen zwischen 3,9 und 6,7 Millionen Tonnen pro Jahr eingespart werden, wenn durch Leihautos der Pkw-Bestand in Deutschland um 4,3 Millionen Fahrzeuge reduziert würde.

Für Haushalte, in denen weniger als 10 000 Kilometer im Jahr gefahren werden, könne man zudem davon ausgehen, dass Carsharing für sie billiger sei als ein eigenes Auto, sagte Nehrke. Dies betreffe laut der aktuellsten Statistik von 2017 etwa 8,4 Millionen Haushalte mit einem Pkw. "Das ist ein riesiges Potenzial, das wir in den nächsten Jahren heben wollen."

Der normale Carsharingnutzer greife ein bis zwei Mal im Monat auf das Leihauto zurück. "Aus unserer Perspektive ist das eine gute Zahl." Man habe es geschafft, Geschäftsmodelle zu entwickeln, "die auf der Basis einer niedrigen Nutzungsfrequenz funktionieren, ohne allen Haushalten ständig Pkw-Mobilität zu verkaufen". Darum beneideten viele andere Länder Deutschland.