Überblick
Rote Vorbilder: Was die Löwen jetzt vom FC Bayern lernen wollen
10. Februar 2023, 17:42 Uhr aktualisiert am 10. Februar 2023, 17:42 Uhr
Alle Achtung! Um den TSV 1860 nun aber wirklich zurück in die Erfolgsspur zu bringen, schreckt Günther Gorenzel vor nichts zurück. Der Sportchef und Interimstrainer nimmt sich sogar die Roten zum Vorbild, den FC Bayern.
Als Löwe? Ernsthaft? Ja, wirklich. Der Last-Minute-Schock in Oldenburg (2:2) soll aus den Sechzgern quasi Retro-Bayern machen. Denn der übergroße Nachbar hat sein ganz eigenes Nachspielzeit-Desaster - die etwas Älteren erinnern sich.
Gorenzel, mit Verlaub, gehört dazu. Der Autor dieser Zeilen ebenso. . .
Die Reaktion auf das Trauma vor 24 Jahren, als die Bayern den Champions-League-Titel praktisch schon sicher hatten, ihn in ebenso unfassbaren wie denkwürdigen 100 Sekunden aber noch an Manchester United verloren, sei für die Löwen der ideale Anschauungsunterricht, findet der Österreicher. Wenngleich ein Erfahrungstransfer aus der Königsklasse in die Dritte Liga sehr gewagt ist. Aber gut. Gorenzel jedenfalls zog den Vergleich zwischen den vier kopflosen Minuten im zugigen Marschwegstadion und sporthistorischen Augenblicken in Barcelonas Fußball-Kathedrale Camp Nou dennoch.
"Viele unserer Spieler können sich daran nicht erinnern, aber ich habe das als Beispiel gebracht, wie man daraus Kraft, Motivation und Stärke entwickeln kann - wie man sich gegen diese Situation stemmt", erzählte der 51-Jährige. Und da, das ist sicherlich unbestritten, hat er in der Theorie einen lehrreichen Punkt. Die Bayern schworen sich damals noch in der Nacht auf einen neuen Anlauf ein, zwei Jahre später hieß es dann auch: "Kahn! Die Bayern!"
Ob im Mai wegen der geglückten Zweitliga-Rückkehr ein Kommentator lauthals ruft: "Hiller! Die Löwen!"? Im Moment fehlt dafür die Vorstellungskraft nach nur einem Sieg in den letzten acht Ligaspielen und einem einzigen Auswärtserfolg seit Mitte August. Aber wer weiß, vielleicht wird das Duell am Samstag beim Tabellenschlusslicht SV Meppen (14 Uhr/Magentasport) tatsächlich der Beginn einer neuen positiven Serie.
"Fakt ist, dass dies nicht nach Plan war. So eine brutale Situation habe ich noch nicht erlebt", sagte Gorenzel zur Schlussphase in Oldenburg. Er sagte aber auch, dass Sechzig zuvor "über weite Strecken" die Kontrolle gehabt habe. "Es ist sehr viel aufgegangen von dem, was wir uns vorgenommen haben."
Für die Reise ins Emsland gab er gegen einen mutmaßlich sehr über die Physis kommenden Gegner deshalb als Marschroute aus: "Wir brauchen die gleiche Intensität, die gleiche Bereitschaft, die gleiche Energie - und müssen noch eine Schippe drauflegen."
Und idealerweise die drei Wechselfenster geschickter managen. In Oldenburg waren die Optionen verstrichen, ehe der irre Schlussakkord begann.
Laut Gorenzel war dafür ein Missverständnis mit dem Schiedsrichterteam beim gelb-belasteten Tim Rieder verantwortlich. "Beim Rausgehen habe ich die Information bekommen, dass Tim gelb-rot-gefährdet ist. Ich erwarte mir die Kommunikation beim Reingehen", bemängelte er. Hätte Gorenzel Rieder in der Pause ausgetauscht, wären die Wechselmöglichkeiten nicht angetastet worden. Dafür hätte Sechzig beim Gang in die Kabine aber auch aktiv auf den Schiedsrichter zugehen können. . .
Wie dem auch sei, an der taktischen Ausrichtung wird wohl nur ein wenig justiert. Gerade weil sich die Umstellung auf ein 4-2-3-1-System generell bewährt hat. Die Gelbsperre von Phillipp Steinhart, den Fabian Greilinger ersetzen könnte, sollte grundsätzlich nichts ändern. Ob Yannick Deichmann nach seiner Gelb-Sperre in die Startelf zurückkehrt, ließ Gorenzel offen. Die Mannschaft sei bereit. Kein Drama-Trauma.
Oder doch?