Los Angeles im Super Bowl

Rams-Coach Sean McVay: Der Wundertrainer


Steht mit den Los Angeles Rams im Super Bowl: Chefcoach Sean McVay.

Steht mit den Los Angeles Rams im Super Bowl: Chefcoach Sean McVay.

Von Michael Schleicher / Online

Mastermind, Offensivgenie, Social-Media-Star: Mit dem jungen Rams-Coach Sean McVay sitzt einer der Stars des Super Bowl auf der Trainerbank. "Du liebst es, für so einen Typen zu spielen."

Los Angeles - Was im Fußball-Geschäft schon ganz normal ist, muss sich im US-Sport erst noch durchsetzen: junge Cheftrainer auf den Bänken. Florian Kohfeldt (36), Domenico Tedesco (33), Julian Nagelsmann (31) - in der Bundesliga können die Coaches nicht mehr jung genug sein.

In Nordamerika sieht das anders aus. Vor allem in der Football-Liga NFL greifen die Teams meist auf geballte Routine zurück - mit einer Ausnahme. Im Januar 2017 schockten die Rams die Footballwelt, als sie einen damals 30-Jährigen als jüngsten Trainer der NFL jemals verpflichteten: Sean McVay. Zwei Jahre später ist der heute 33-Jährige drauf und dran, Geschichte zu schreiben.

In seiner zweiten Saison als Headcoach steht er mit den Rams bereits im Super Bowl, ein Triumph gegen die New England Patriots am Sonntag (0.30 Uhr/Pro7 und DAZN) würde McVay den Superstar-Status auf Lebenszeit garantieren. (Lesen Sie auch: Hier können NFL-Fans in München den Super Bowl sehen)

Super Bowl 53: Duell der Gegensätze

Im Duell der Generationen ist alleine der Quarterback des Gegners, Superstar Tom Brady (41), acht Jahre älter als McVay, Patriots-Trainer Bill Belichick (66), genau doppelt so alt. Nach Aussagen seiner Profis ist McVay nicht nur aufgrund seines jungen Alters einer von ihnen. "Er ist ein Trainer der Spieler. Er ist ein großartiger Typ. Du kannst mit ihm reden, du kannst ihn verstehen", schwärmt Rams-Runningback Todd Gurley. "Er tut alles für uns, für das Team. Du liebst es einfach, für so einen Typen zu spielen."

In den vergangenen zwei Jahren unterzog McVay die Rams einer fast filmreifen Wandlung. Im Januar 2017 wurde der Trainerneuling ein Jahr nach dem Umzug von St. Louis nach LA von der chronisch erfolglosen Franchise verpflichtet. Er übernahm die schlechteste Offensive der Liga - mit einem jungen Quarterback Namens Jared Goff, der die ersten sieben Spiele seiner Karriere verloren hatte und das Gefühl eines NFL-Sieges noch gar nicht kannte. Doch innerhalb kürzester Zeit krempelte McVay alles um und führte seine Philosophie ein.

"Er ist ein Kumpel von den Spielern, die Jungs haben Mega-Spaß", sagt etwa der ehemalige NFL-Profi Björn Werner: "Mit ihm würdest du nach dem Training mal ein Bierchen trinken." Er habe alle unter Kontrolle, alle seien positiv eingestellt, und trotz vieler Superstars gebe es bei den Rams keine Diven.

Sean McVay: Ein akribischer Football-Nerd

Doch McVay ist nicht nur der Kumpel von nebenan, vielmehr gilt er in den USA als Football-Nerd. Im Internet erlangte er Berühmtheit, als er sich zufällig ausgewählte Spielzüge aus der Vergangenheit bis auf das kleinste Detail in Erinnerung rief. Nicht selten steht er um fünf Uhr früh am Trainingsgelände, um an Strategien zu tüfteln. "Er kennt alle Systeme und hilft Goff mit seinem Fachwissen unglaublich weiter", sagt Werner: "Goff vertraut ihm, er vertraut Goff - zusammen ist das eine tödliche Kombination." Das Ergebnis? Den Rams gelang in der vergangenen Spielzeit mit 11:5-Siegen erstmals seit 2004 der Sprung in die Play-offs.

McVays Fokussierung geht so weit, dass er an Spieltagen einen eigenen "Get-Back-Coach" benötigt, weil er oft wie in Trance am Spielfeldrand hin und her läuft. Assistent Ted Rath zerrt ihn dann wieder zurück, damit er nicht blindlings in einen Schiedsrichter rumpelt und so eine Strafe kassiert. "Es ist eine Kunst, wie ein Tanz", beschreibt "Geh-zurück"-Coach Rath seinen Aufpasser-Job. "Vielleicht Tango?"

Ein erfolgreicher Tango, eine Mischung aus Humor, Professionalität und Fachwissen - McVay eroberte die NFL im Sturm. Und löste gleichzeitig einen Trend aus, wie es ihn im Fußball eben schon lange gibt - hin zu jungen, offensiven Trainern. "Alle suchen den neuen Sean McVay", sagt Werner. Doch derzeit gibt nur einen - und der kann in der Nacht auf Montag Geschichte schreiben.

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