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Pascal Schroth im AZ-Interview: "Wir wissen alle: Der Titel gehört mir!"

Bei Steko's Fight Night tritt Pascal Schroth gegen Weltmeister Edi Shehaj erstmals in der Klasse bis 70 Kilo an. Im AZ-Interview spricht er über Karma, Spaß beim Kampf - und Frühstück vor dem Wiegen


Von Thomas Becker

AZ-Interview mit Pascal Schroth Der Bremerhavener war 2018 von einem Gegner mit einer verbotenen Technik kopfüber in den Boden gerammt worden, überlebte den Genickbruch aber.i

AZ: Herr Schroth, für Ihren WM-Kampf gegen Weltmeister Edi Shehaj sind Sie mal wieder aus Kho Phangan angereist, wo Sie seit acht Jahren leben. Wie warm ist es da gerade?

PASCAL SCHROTH: 35 Grad. Schon ein harter Tapetenwechsel. Aber ich bin ja nicht wegen des Wetters hier, sondern zum Kämpfen!

‚Jeden Tag dankbar': So beschreiben Sie immer gern Ihr Leben in Thailand. Wie halten Sie es als Kickboxer eigentlich mit der dort vorherrschenden Religion, dem Buddhismus?

Ich glaube an Karma. Tu etwas Gutes, dann widerfährt dir auch Gutes! Die Mentalität der Menschen dort ist schon sehr anders. Die sind von Haus aus einfach gutherzig, ohne im Gegenzug gleich etwas zu erwarten. Wenn ich in Thailand mit meinem Roller an der Ampel stehe und rüber schaue, grinst mich der Nebenmann an - schöne Interaktion. Wenn ich in Deutschland an der Ampel rüber schaue, fragt der Nebenmann: ‚Ey, was guckst du?'

Ihr Sport hat in Thailand einen ganz anderen Stellenwert als hier. Beschreiben Sie mal die Begeisterung der Menschen dort!

Es ist der Nationalsport, so wie hier Fußball. Natürlich legen die Leute viel Wert auf einen harten Kampf, aber es geht auch darum, sauber zu kämpfen. Es ist ja eine Kampfkunst, keine wahllose Schlägerei. Als technisch sauberer, aggressiver Kämpfer ist man sehr hoch angesehen. Und es geht auch darum, Spaß zu haben. Die Kampfmentalität in Thailand ist viel gelassener, entspannter - ganz anders als hier, wo alle angespannt sind und ständig rumschreien. Man muss in der Lage sein, sich selbst zu kontrollieren, nicht nur den Gegner. Am Ende des Tages machen wir das ja alle freiwillig, niemand zwingt uns zu kämpfen. Wenn ich keinen Spaß daran habe - warum mache ich das dann?

Und? Warum?

Ich mache das schon mein ganzes Leben lang, kämpfe seit 15 Jahren, lebe für den Sport. Ein Kunde, der bei mir Privat-Training macht, hat das mal ganz gut auf den Punkt gebracht: ‚Pascal, alle anderen Athleten, die sich auf einen Kampf vorbereiten, fahren ins Gym zum Trainieren - aber du bist das Gym!' Damit hat er zu 100 Prozent Recht. Ich verbringe den ganzen Tag im Gym, es dreht sich alles nur um den Sport. Für mich ist das kein Hobby, sondern mein Lebensinhalt.

Sie sprechen vom Spaß am Kampf, aber vergeht der einem nach einer Niederlage nicht?

Klar, ein Kampf ist ein Kampf, und dabei kann man sich auch verletzen, das gehört dazu. So wie es auch dazu gehört, in einer stressigen Situation ruhig zu bleiben. In meinem letzten Kampf musste ich die erste Niederlage seit langer Zeit einstecken. Ich konnte meine Schmerzen nicht mehr verstecken.

Was war passiert?

Der Oberschenkelmuskel hat aufgehört zu arbeiten. Das hat das ganze Stadion gesehen. Aber ich konnte nicht einfach aufhören, das stand für mich außer Frage. Ich kämpfe bis zum bitteren Ende, immer. Mir fehlt eine Waffe? Dann muss ich eben versuchen, andere Waffen anzuwenden.

Es hat dann aber nicht mehr gereicht. . .

Der Gewichtsunterschied zu meinem Gegner war ziemlich groß. Er hat mein Bein so attackiert, dass ich es am Ende nicht mehr heben konnte, und die Beine sind wie beim Hausbau das Fundament. Wenn die Beine angeschlagen sind, kommen die Schläge nicht mehr so hart, man hat keinen stabilen Stand mehr, kann nicht mehr so hart kicken. Heißt: Man ist schon in einer blöden Situation. Aber auch das gehört dazu.

Wie gehen Sie dann mit einer solchen Niederlage um?

Am Ende habe ich es akzeptiert, wusste, was meine Fehler waren - und daran habe ich gearbeitet. Ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt und sich nur am Negativen festhält. Durch die Geschichte mit meinem Genickbruch (2018, Anm. d. Red.) habe ich gelernt, dass man das Leben so nehmen muss, wie es kommt, dass wir es nicht ändern können. Wir können nur entsprechend darauf reagieren.

Sie haben die Gewichtsklasse gewechselt, von 72,5 auf 70 Kilo. Warum?

Die höhere Gewichtsklasse ist zu schwer für mich - das habe ich jetzt gemerkt. Meinen ersten WM-Titel habe ich 2017 gewonnen und seitdem immer erfolgreich verteidigt, immer gegen schwerere Gegner. Die kamen in der Regel von 76, 78 oder 80 Kilo runter auf 72,5 Kilo - und laden sich am nächsten Tag dann wieder auf. Mein letzter Gegner hatte ein Naturgewicht von 84 Kilo, beim Wiegen hatte er 72,5. Ich war dagegen vor dem Wiegen als einziger Kämpfer noch beim Frühstück und hatte 71,7 Kilo. Die zehn Kilo Unterschied habe ich im Kampf schon gemerkt: Das ist eine Menge Masse. In diesem Hochleistungssport ist jedes Kilo entscheidend. Die Jahre zuvor ging das gut für mich, aber ich glaube, dass mir in der 70-Kilo-Klasse nicht viele das Wasser reichen können. Das ist mein erster WM-Titelkampf in der neuen Gewichtsklasse, gegen den Titelträger Edi Shehaj aus Albanien - starker Mann, keine Frage, aber wir wissen alle: Der Titel gehört mir! Ich werde mir am Samstag holen, was mir zusteht!