Mercedes-Legende starb vor einem Jahr
Norbert Haug: "Niki Lauda schwafelte nie, er sprach"
20. Mai 2020, 10:01 Uhr aktualisiert am 20. Mai 2020, 10:57 Uhr
Vor genau einem Jahr starb Niki Lauda. Im AZ-Interview erinnert sich Norbert Haug an die Rennlegende: "Es gibt keinen Zweiten wie ihn."
München - AZ-Interview mit Norbert Haug: Der 67-Jährige begleitete Niki Laudas Rennfahrer-Karriere erst als Journalist, später wurde er Motorsportchef bei Mercedes und damit Laudas Kollege.
AZ: Herr Haug, wie oft müssen Sie heute, ein Jahr nach Niki Laudas Tod, noch an ihn denken?
NORBERT HAUG: Wenn über Formel 1 gesprochen, geschrieben oder ein Beitrag zum Thema gesendet wird, ist das für mich in einer Form mit Niki Lauda verbunden. Es gibt wohl keine Handvoll Menschen, die so Synonym für die Formel 1 sind wie Niki Lauda.
Sie hatten beruflich sehr viel miteinander zu tun. Wie bleibt Ihnen Niki Lauda in Erinnerung?
Ich hatte beruflich zwei Jahrzehnte lang mit Niki zu tun, bin in dieser Zeit so gut wie zu jedem Formel-1-Rennen mehrfach pro Wochenende vom Hotel zur Rennstrecke mit ihm gefahren und habe im Fahrerlager viele Stunden mit Niki verbracht, diskutiert und auch gelacht - aber nicht ein einziges Mal gestritten.
Die Rennfahrer-Karriere Niki Laudas haben Sie schon als Journalist begleitet. Wie war der kantige Österreicher denn damals im Umgang mit den Medien?
Mein erstes Formel-1-Rennen als Journalist war jenes, an dem Niki Lauda am 1. August 1976 am Nürburgring verunglückte. Mein erstes Interview mit ihm führte ich 1977 im Bauch einer Yacht im Hafen von Monaco. Niki war stets super zu Journalisten und Medienvertretern. Aber wer in Gesprächen nicht auf den Punkt kam, bekam sicher keine Pluspunkte. Neben der Strecke mochte er so wenig sinnlos Zeit verschwenden wie auf dieser.
Sie sprachen Laudas schweren Unfall 1976 an, bei dem er sich schwerste Verbrennungen zugezogen hatte. Wie sehr hat ihn dieses schreckliche Ereignis verändert?
Ich lernte Niki erst nach diesem Unfall kennen. Er erklärte mir später, dass er keine Freunde hat und auch keine haben will. Und das war danach in unserer Zeit, als er RTL-Experte und ich Motorsportchef war, immer wieder ein Thema, über das wir viel gefrotzelt und gelacht haben. Dafür, dass er nicht mein und niemandes Freund war, ging er stets großartig freundschaftlich mit mir um.
Auch wenn er keine Freunde wollte, galt er doch den meisten als sympathischer Zeitgenosse. Woran liegt das?
Wahrscheinlich genau an dieser direkten Art. Direkt, klar und deutlich - aber keineswegs unhöflich.
Als Motorsport-Funktionäre begegneten Sie sich später auf Augenhöhe. Wie sehr hat sich damit auch Ihr gegenseitiger Umgang verändert?
Ganz und gar nicht. Niki schwafelte nie - er sprach: Kurz, zackig, klar und deutlich. Man wusste bei ihm stets, woran man war. Und er hörte andere Meinungen an und respektierte diese. Er geriet beim Diskutieren nie aus den Fugen, verirrte sich dabei aber auch nicht im Labyrinth verschiedener Ansichten.
Gibt es eine Anekdote mit Niki Lauda, die Sie besonders gerne in Erinnerung behalten?
Es gibt nach so einer langen und intensiven Zeit natürlich ganz viele. In meinen Erinnerungen sind diese bestens aufgehoben und unvergessen. (lacht)
Was denken Sie: Hat die Formel 1 mehr Niki Lauda verändert oder hat Niki Lauda mehr die Formel 1 verändert?
Ich denke nicht, dass man das so sagen kann. Gemeinsam mit anderen haben wir sicher etliche Themen in die richtige Richtung bewegt. Aber so lange es nicht gelingt, dass die Formel 1 ein Geschäftsmodell für Teams wird - dass also deutlich mehr eingenommen wird als zum Siegen ausgegeben werden muss - haben wir alle miteinander die wichtigste Zielsetzung für einen garantierten Fortbestand dieser Weltmeisterschaft nicht erreicht.
Die Formel 1 hat aktuell viele Probleme. Fehlt da gerade auch einer wie Niki Lauda? "Menschelt" es ein bisschen weniger in der Königsklasse?
Eines ist gewiss: Es gibt nur einen Niki Lauda, und auch keinen zweiten Typus Mensch, der so ist wie Niki Lauda. Genauso gewiss ist auch, dass alles im Leben endlich ist, und Niki Lauda hat der Formel 1 ein halbes Jahrhundert Impulse gegeben wie vielleicht kein anderer.
Wie groß ist auch Niki Laudas Anteil an der jüngsten Erfolgsgeschichte von Mercedes, wo er auch bis zuletzt im Aufsichtsrat gesessen hat?
Erfolge sind das Produkt von Teamplay, große Erfolge die von großartigem Teamplay. Zu letzterem hat Niki über ein halbes Jahrzehnt lang sehr beigetragen, und keiner wusste dabei besser als er, dass die beste Idee wertlos ist, ohne jene, die sie umsetzen - ohne Teamplay also.
Niki Lauda galt sowohl als Kämpfer als auch als Mann klarer Worte. Gibt es solche "Kerle" überhaupt noch im modernen Rennsport oder kann es sie heutzutage gar nicht mehr geben?
Als überzeugter Nicht-Soziale-Medien-Nutzer musste sich Niki jedenfalls nicht vor "Shitstorms" fürchten, dem mittlerweile deutschesten aller Begriffe für harte und auch unsachliche Kritik von außen. Und wenn, dann wäre ihm das auch egal gewesen. Oder "wurscht", um korrekt und authentisch zu bleiben.