Überblick

Kimmichs erstes Mal

Auf diese Premiere hätte Bayerns Sechser gerne verzichtet. Und auch Trainer Nagelsmann passt die Gelb-Rote Karte gar nicht ins Konzept. . .


Gelb-Rote Premiere: Im Spiel gegen Wolfsburg wird Joshua Kimmich zum ersten Mal in seiner Karriere vom Platz gestellt.

Gelb-Rote Premiere: Im Spiel gegen Wolfsburg wird Joshua Kimmich zum ersten Mal in seiner Karriere vom Platz gestellt.

Von Patrick Strasser

Wolfsburg/München - Wutentbrannt schritt Julian Nagelsmann zurück zur Trainerbank, donnerte mit der Faust auf seinen Sitz und ließ allen Frust entweichen.

So unnötig! So überflüssig! Nach der Gelb-Roten Karte für Joshua Kimmich in der 54. Minute musste der Bayern-Trainer Schlimmes befürchten, doch auch ohne den Mittelfeld-Chef, seinen verlängerten Arm auf dem Platz, brachen die Bayern nicht auseinander - sie bröckelten nur etwas.

Wie kam es zu Kimmichs erstem Mal, seinem Premieren-Platzverweis im Profifußball? In der 34. Minute schubste der 27-jährige Mattias Svanberg empört zu Boden, weil der Schwede ihn an der Achillessehne getroffen hatte - es gab die erste Verwarnung.

Zunächst kann es Bayerns Sechser gar nicht glauben: "Auf keinen Fall!"

Zunächst kann es Bayerns Sechser gar nicht glauben: "Auf keinen Fall!"

"Da lasse ich mich ein bisschen provozieren", meinte Kimmich nach der Partie bei DAZN. Nagelsmann nahm seinen Strategen in dieser Szene in Schutz: "Generell glaube ich, dass der Wolfsburger Spieler auch stehenbleiben kann, den er da schubst. Und generell mag ich Emotionen, wenn es aber in einer Gelben Karte endet, ist es ärgerlich."

Wie auch die zweite Gelbe Karte, als die Bayern einen Ball am gegnerischen Strafraum verloren und Wolfsburgs Maximilian Arnold die Umschaltsituation einleitete. Gebremst, weil am Trikot gezupft und am Arm gezogen von Kimmich. "Auf keinen Fall! Auf gar keinen Fall!", schimpfte der Sechser noch auf dem Platz, nachdem er die Ampel-Karte für das taktische Foul sah.

"Der Maxi weiß natürlich, dass ich schon Gelb habe und ihm hinterherlaufe. Er entschleunigt ein bisschen, nimmt Tempo raus. Er will natürlich, dass ich auflaufe", schilderte Kimmich seine Sicht.

Der Nationalspieler wird gegen Bochum am Samstag gesperrt fehlen - was zu verschmerzen sein dürfte, da Ryan Gravenberch nach seinem Ausfall wegen einer schmerzhaften Knie-Prellung am Montag im Gegensatz zu den abwesenden Eric Maxim Choupo-Moting (Magen-Darm-Infekt) und Dayot Upamecano (Zehblessur) immerhin wieder ein individuelles Lauftraining aufnehmen konnte.

Für Nagelsmann war es umso ärgerlicher, dass im Zuge des anhaltenden Theaters um das vereinskritische Interview des verletzten Kapitäns Manuel Neuer, der darin die Entlassung seines Torwarttrainers Toni Tapalovic bitterlich beklagt, ausgerechnet sein Vertrauter und vor der Partie von ihm so hochgelobte Akteur patzte. Denn neben dem aktuellen Kapitän Thomas Müller ist nun Kimmich, ohnehin Boss der Zukunft, der starke Mann im Kader der Münchner - dank der Nähe zu Nagelsmann und Worten wie diesen: Kimmich sei für Nagelsmann "eine Führungsfigur auf dem Feld", der "verlängerte Arm vom Trainer, weil er die Dinge versteht und weil er immer gewinnen will". Und überhaupt: "Der beste Sechser der Welt!" Aufgrund der Absenz und des Interview-Eigentores von Neuer ist der Schwabe in der teaminternen Hierarchie weiter gestiegen. Weil der stets gewaltige Ehrgeiz der Motor seiner Leistungen ist, wird Kimmich die Aktion von Neuer nicht so locker sehen wie Müller, der Gute-Laune-Minister der Münchner.

"Dieser Jahresstart mit den Themen, die nicht das Sportliche betreffen - das war schon ein bisschen zu viel", gestand Müller zwar, meinte als Optimismus-Beauftragter jedoch: "Die letzten zwei Spiele hat man gesehen, dass uns das als Mannschaft nicht wirklich beeinflusst - und auch nicht beeinflussen darf. Generell habe ich damit kein Problem, wenn sich ein bisschen was rührt."

Da Neuer, wie von Sportvorstand Hasan Salihamidzic gerügt, "seine persönlichen Interessen über die Interessen des Klubs gestellt hat", erwartet den 36-Jährigen eine Geldstrafe. Und künftig eine eisige (oder gar unmögliche?) Zusammenarbeit mit dem Coach?

"Ich hätte das Interview nicht gegeben", sagte Nagelsmann kühl, "es trägt natürlich nicht zur Ruhe bei." Sicher nicht.